Satellit in Schuhkarton-Größe
Aus seinem Labor stammt das wissenschaftliche Herzstück einer neuen satellitengestützten Mission namens HERMES (High Energy Rapid Modular Ensemble of Satellites), die eine möglichst vollständige Erfassung aller Gammastrahlenblitze und eine genauere Ortung ihrer Quellen ermöglichen wird. Es handelt sich um einen Minicomputer für ein System aus Kristall- und Silizium-Detektoren. Er spürt Gammastrahlen auf und übermittelt die Daten über Telekommunikationssatelliten an die Erde zur Auswertung.
Die eigene Entwicklung von Forschungstechnologie in Kombination mit wissenschaftlichen Fragestellungen ist eine Besonderheit der Tübinger Astrophysik. Das HERMES-Detektor-System befindet sich an Bord eines Nanosatelliten namens SpIRIT (Space Industry Responsive Intelligent Thermal). Dieser ist gerade mal so groß wie ein Schuhkarton, 11,5 Kilo schwer und wurde an der Universität von Melbourne entwickelt – in Zusammenarbeit mit der italienischen Raumfahrtbehörde (ASI) und dem Italienischen Nationalen Institut für Astrophysik (INAF).
Am 2. Dezember 2023 startete der „Zwergsatellit“ an Bord einer zweistufigen Trägerrakete von einer Basis in Kalifornien aus und trat 513 Kilometer über der Erde in die Umlaufbahn ein. Der SpIRIT-Nanosatellit mit dem HERMES-Detektor an Bord ist der erste von sieben geplanten Nanosatelliten, die in den nächsten Jahren gebaut und gemeinsam das Netzwerk HERMES Scientific Pathfinder Constellation bilden werden. Sie werden mit den gleichen Detektor-Systemen, die bereits fertiggestellt sind, bestückt sein.
Die Universität Tübingen ist Mitglied des Konsortiums unter Leitung des INAF und der italienischen Raumfahrtbehörde. „Wir haben den Satellitenstart über einen Livestream verfolgt und die Daumen gedrückt, dass alles gut geht“, erzählt Astrophysiker Dr. Alejandro Guzmán, Mitglied des sechsköpfigen Tübinger Entwicklungsteams. „Ein spannender Moment. In dem Satelliten steckt jahrelange Arbeit, und wenn etwas schiefgeht, kann man ihn ja nicht mal eben stoppen, um ihn zu reparieren.“
Es sei aber schnell klar geworden, dass der Satellit in der richtigen Umlaufbahn ist. Die Bodenstation in Australien sowie Amateurnetzwerke weltweit hätten gemeldet, dass die Signalübertragung funktioniere. Zurzeit befindet sich SpIRIT noch in einer mehrmonatigen Testphase, die zeigen soll, ob der Satellit und die Forschungstechnik an Bord unter den extremen Weltallbedingungen einwandfrei funktionieren. Danach beginnen die wissenschaftlichen Aktivitäten.