Wenn ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin der Universität Tübingen eine Zeitschrift Open Access bereitstellen will, bietet die UB dafür das Softwarepaket Open Journal Systems (OJS) an. OJS ist eine Open-Source-Entwicklung aus den USA, die den Publikationsprozess solcher Zeitschriften mit einem detaillierten Rechte-System abbildet. Wenn jemand eine Open-Access-Zeitschrift gründet oder seine Zeitschrift auf Open Access umstellt, kann dieses Softwarepaket genutzt werden. Die UB bietet dafür auch Schulungen für Herausgeber an und hostet diese Zeitschriften.
„Print wird weiter zurückgehen, auch wenn die Publikationskulturen in den Fachbereichen sehr unterschiedlich sind. Der von der UB betriebene Tübingen University Press ist primär ein Open-Access-Verlag – alles ist von Anfang an frei und zugänglich. Viele Autoren wollen aber zusätzlich immer noch gerne ein Print-Exemplar“, weiß die scheidende UB-Direktorin. Und ergänzt: „Die Leseforschung zeigt, dass analoges Lesen noch Vorteile hat, insbesondere bei längeren Texten. Man prägt sich bestimmte Dinge besser ein, es ist ein konzentrationsförderndes Lesen. Die Naturwissenschaften „nähren“ sich in ihrer Wissenschaftskultur fast nur noch von elektronischen Zeitschriften, ebenso die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Bei den Geisteswissenschaften spielt dagegen das gedruckte Buch immer noch eine wichtige Rolle. Jura und Theologie sind da einfach konservativer.
Mittlerweile ist der Personalbestand fast aller Fachbibliotheken in die UB eingegliedert worden, das ermöglicht mehr Flexibilität. Verschiedene Bereichsbibliotheken wurden oder werden noch räumlich zusammengelegt: Die Geowissenschaften auf der Morgenstelle wurden bereits in die naturwissenschaftliche Bereichsbibliothek integriert, die Wirtschaftswissenschaft fusionierte mit der Soziologie, hier kommt in Kürze die Politikwissenschaft noch hinzu. Der nächste große Schritt wird die neue Bibliothek des Asien-Orient-Instituts (AOI) sein, die dann sechs Fachbibliotheken in einem modern gestalteten Bibliothekskubus vereint, direkt neben dem Gebäude der Alten Augenklinik, in das das AOI einziehen wird.
Und wie sieht eigentlich das Leseverhalten bei jemandem aus, der im Beruf so viel mit Lesen und mit Büchern zu tun hat? „Fachlich lese ich sehr viel online, und auch privat habe ich eine Zeit lang relativ viel E-Book gelesen. Wenn ich allerdings privat Belletristik lese, ist das doch eher Print. Zuletzt hat mich besonders das preisgekrönte Sachbuch 'Ein Hof und elf Geschwister' des Tübinger Historikers Ewald Frie beeindruckt. Ich habe es mit großem Interesse und Gewinn gelesen, da es mich in Teilen an meine eigene Familiengeschichte erinnert hat: Mein Vater (Jahrgang 1910) stammte aus dem Westerwald, eine ebenfalls von der Landwirtschaft geprägte Gegend. Von Ewald Frie habe ich auch seine 'Weltgeschichte' gelesen. Ich freue mich aber auch an (oft französischer) rein belletristischer Lektüre“, so Dörr.
Bereits zum Jahreswechsel ist die scheidende Direktorin mit ihrem Mann wieder zurück nach Freiburg gezogen: „Mir fällt das nicht ganz leicht, weil ich sehr gerne in Tübingen gelebt habe. Aber mein Mann kommt aus der Gegend von Freiburg und wir haben beide dort studiert. Freiburg ist auch ein bisschen großstädtischer als Tübingen – mit ICE-Anschluss! Und Freiburg liegt – für mich als Romanistin nicht ganz unwichtig – noch näher an Frankreich.“
Und welche Pläne hat Marianne Dörr für den Ruhestand? „Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mich künftig mehr ehrenamtlich engagieren werde, z. B. als Lesepatin. Und ich möchte wieder öfter ins Kino gehen. Ich war früher ganz viel im Kino, das ist in der Berufstätigkeit sehr reduziert gewesen. Bei den französischen Filmtagen habe ich zuletzt gerade mal ein bis zwei Filme gesehen. Auf diese Freiheit freue ich mich sehr.“
Maximilian von Platen