Das Tübinger Unternehmen your.company startete 2019 selbst als Ausgründung der Universität, mit einem Exist-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums. Unterstützt wurde es dabei vom Startup Center der Universität Tübingen, das nicht nur ein umfangreiches Qualifizierungsangebot, sondern auch Hilfe bei der Entwicklung des Geschäftskonzeptes, der Antragstellung für Förderungen und der Vernetzung mit externen Partnern bietet. Heute ist your.company Plattform und Netzwerk zugleich für andere Produktideen und Startups, nicht nur aus der Universität. Geeignete Gründungsinitiativen werden als sogenannte Produktpartnerschaft aufgenommen und von der your.company-Community in allen Phasen mit Dienstleistungen und Expertise unterstützt. Dadurch wächst das Unternehmen und sein Know-how organisch. Weitere Besonderheiten: Erwirtschaftete Erträge werden nach einem gemeinsam mit der Universität entwickelten Fair-Share-Modell demokratisch verteilt. Und your.company wurde im Verantwortungseigentum gegründet, so dass nachhaltig gewährleistet ist, dass auch mit künftigen Erfolgen der Zweck des Unternehmens gewahrt bleibt: Bereitstellung einer frei zugänglichen Infrastruktur und Know-How, um niederschwelliges Gründen zu ermöglichen. „Normale“ Start-ups strebten oft nach einem gewinnbringenden Exit oder Börsengang, der dazu führe, dass sie den Shareholder Value über die eigenen Ziele und die Interessen anderer Stakeholder stellen, erklärt Kalle Bendias, Mitgründer von your.company.
„Es gibt viele findige Menschen, die Ideen für interessante Produkte haben“, sagt Liss Barta. Doch die meisten von ihnen ließen sich von einer Gründung abschrecken, weil sie sich dann auch um Vertrieb, Marketing, Personal und viel Bürokratie kümmern müssten, so die Expertin für Organisations- und Vertriebsaufbau. „Außerdem wollten wir eine Infrastruktur für ein anderes Wirtschaften aufbauen“, ergänzt Geschäftsführer und Jurist Christian Bayer den Zweck von your.company. Denn: Die Ideen für Gründungen werden als sogenannte Produktpartnerschaften in das Unternehmen integriert und durchlaufen bestimmte Entwicklungsphasen, an die sich ein speziell entwickeltes Rechtskleid, also die rechtliche Ausgestaltung, jeweils anpasst.
So profitieren die Jungunternehmer und -unternehmerinnen vom gesamten Erfahrungswissen und den Synergien der Community, die gegenwärtig aus dem 15-köpfigen Team von your.company besteht sowie 70 Netzwerkern, die sich gegenseitig bei der Umsetzung ihrer Ideen helfen. Die Grundidee der Community ist, dass alle auf Augenhöhe arbeiten – es gibt keinen Unterschied zwischen dem Ingenieur, der eine Idee entwickelt, einem Vertriebsexperten, der Kunden für die Idee findet und einem Einkäufer, der das Material besorgt. Alle tragen gemeinsam das unternehmerische Risiko, ob die Produktpartnerschaft nun Erfolg hat oder nicht. So lange die Startups kein Geld erwirtschaften, müssen sie für die gegenseitige Unterstützung bei Warenwirtschaft, Finanzen und durch IT-Tools lediglich einen geringen Beitrag zahlen.
Das bedeutet – im Gegensatz zu einem klassischen Unternehmertum –, dass die Produktpartnerschaften, wenn sie erfolgreich werden, das Unternehmen nicht verlassen. Denn zum einen benötigt die solidarisch konzipierte Infrastruktur einen finanziellen Rückfluss für ihre Vorleistungen, zum anderen sollen erworbenes Wissen und Erfahrungen der Community weiterhin zur Verfügung stehen. Praktisch als ein wachsendes System von Synergien für künftige Ideen und Produkte („company sharing“). „Deshalb kommen zu uns nur Unternehmer, die solidarisch, gemeinschaftlich und über ihr Produkt konsequent hinausdenken“, erzählt Bayer.
„Wir prüfen vorab auch, ob das Produkt skalierbar, machbar und lebensdienlich ist“, sagt Barta. Eine fundierte Marktanalyse ist wichtig, genauso welche Kompetenzen für das Projekt noch notwendig sind. Die Produktpartnerschaften stellen dann auf der digitalen Börse von your.company ihre Gesuche für Mitunternehmer ein, die über genau dieses spezielle Wissen verfügen. So tragen alle ihren unverzichtbaren Teil zum Gelingen bei – eine Hierarchie gibt es nicht, denn alle an der Produktpartnerschaft Beteiligten sind Mitunternehmer, die nach soziokratisch-holokratischen Prinzipien demokratisch entscheiden und nach dem Fair-Share-System Erträge aus der Wertschöpfung verteilen. Als eigenständig Motivierter werde man sich sehr schnell überlegen, was schiefläuft und was verändert werden sollte, um Erfolge zu erzielen, so Barta. Gerade für solche Lernprozesse steht auch die Gemeinschaft zu Verfügung.
Erst wenn die einzelnen Produktpartnerschaften Erfolge erzielen und Erträge erwirtschaften, erhalten die beteiligten Experten einen sogenannten Mitunternehmerlohn. Der wird in Wertschätzungsrunden vereinbart, je nachdem wer was zu dem Projekt beitragen kann. Dabei geht es um Wertbeiträge sowie um Wissen und Erfahrung, und alles das wird über ein Punktesystem bewertet. Ein Algorithmus, den your.company zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Tübingen entwickelt hat, legt dann als sogenanntes Fair-Share-System den Unternehmerlohn der Beteiligten fest.
Momentan gibt es sieben Produktpartnerschaften bei your.company – von einer hochwertigen Espresso-Maschine vor allem aus recycelten und nachwachsenden Rohstoffen über eine Polsterung mit einem völlig neuartigen, patentierten Federkern, der leicht und materialarm ist, bis zum schnellen Essen, das einfach, frisch und fair hergestellt und geliefert wird.
Bereits erfolgreich ist die erste Produktpartnerschaft, gegründet 2020: Analogvibes steht für ein Zurück zur analogen Studiotechnik und entwickelt originalgetreue Bausätze, mit denen sich Musiker die alte Technik zurückholen können. Das kommt in mehr als 40 Ländern und bei weltbekannten Tonstudios und Musikproduzenten an, etwa bei Alanis Morissette.
Jens Gieseler
Das Startup Center der Universität Tübingen unterstützt Studierende und Forschende bei der Gründung eines Unternehmens.
In individuellen Beratungen hilft das Startup Center beispielsweise bei der Entwicklung und Validierung der Geschäftsidee. Es begleitet die Beantragung und Abwicklung von Fördermitteln und stellt sein Netzwerk an Experten, Investoren und Industriepartnern zur Verfügung. In Workshops vermittelt es gründungsrelevantes Basiswissen z. B. in den Bereichen Finanzierung, Marketing, Recht u. a. Eine regelmäßig stattfindende Gründermesse, die Startup:con Tübingen, bringt Gründungsinteressierte, Startups und Partner aus unterschiedlichen Branchen zusammen.
your.company veranstaltet vom 21. bis 23. Juni im Kulturbahnhof Leisnig zwischen Leipzig und Dresden seinen nächsten Business Hackathon. Dort tauschen sich Mitgründer- und gründerinnen sowie Investoren und Investorinnen über physische und digitale Produktideen aus.
Anmeldung: https://www.your.company/business-hackathon/