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Friedrich Wilhelm Raiffeisen: „Die Darlehnskassen-Vereine“ (1866)

Vor 200 Jahren, am 30. März 1818, wurde in Hamm/Sieg (Westerwald) einer der großen Pioniere des modernen Genossenschaftswesens geboren. Auf Grund der bescheidenen Lebensverhältnisse seiner Eltern konnte Raiffeisen keine höhere Schulbildung erlangen. Mit 17 Jahren trat er 1835 als Militärfreiwilliger in die 7. Preußische Artillerie-Brigade in Köln ein. Hier wurde er als Oberfeuerwerker ausgebildet. Wegen eines im Dienst zugezogenen Augenleidens schied er 1843 aus dem Militärdienst aus. Es gelang ihm der Einstieg in die Verwaltungslaufbahn. 1845 wurde er Bürgermeister in Weyerbusch unweit seines Geburtsortes. Mit großem Elan kümmerte er sich um die Verbesserung der Schulbildung der Landbevölkerung, den Bau von Schulgebäuden, die Bekämpfung der Armut und den Ausbau von Straßen. 1848 wurde er als Bürgermeister in das größere Flammersfeld versetzt. Hier gelang es ihm, mit Unterstützung von 60 wohlhabenden Einwohnern den „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe“ zu gründen. Hierbei handelte es sich zunächst um eine Einrichtung, mit deren Hilfe es den ärmeren Bauern ermöglicht wurde, zu günstigen Preisen Vieh zu erwerben. Bald aber kümmerte sich der Verein hauptsächlich um die Vergabe günstiger Darlehen. Seit 1852 setzte Raiffeisen seine Arbeit in Heddesdorf bei Neuwied fort, auch hier gründete er einen Hilfsverein, der als Darlehenskassenverein (mit Sparkasse) zum Urtyp der Raiffeisenschen Darlehenskassenvereine wurde. Raiffeisens Engagement beruhte auf seiner tiefen christlichen Frömmigkeit, den Bedürftigen sollte Hilfe zur Selbsthilfe zu Teil werden.

1865 wurde Raiffeisen krankheitshalber in den Ruhestand versetzt. Ein Jahr später veröffentlichte er eine umfassende Darstellung über die von ihm begründeten „Darlehnskassen-Vereine“, die nach dem Prinzip arbeiteten: „Einer für alle, alle für Einen“. Bis zu seinem Tod kurz vor seinem 70. Geburtstag (1888) widmete sich Raiffeisen, unterstützt von seiner Tochter Amalie, der Genossenschaftsarbeit. Kritik und Widerspruch blieben nicht aus. Einer seiner Hauptkritiker war Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883), der mit der Einrichtung von „Vorschuss-Kassen“ ein weiterer Pionier der Genossenschaftsbewegung war (Vorläufer der Volksbanken). Ihm widerstrebte vor allem der christlich-religiöse Impetus Raiffeisens, er hatte aber auch andere Vorstellungen im organisatorischen Bereich.

Seit 2014 gehört die Genossenschaftsidee zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ (UNESCO), die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft und die Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft widmen sich der Pflege dieses Erbes.

Literatur: