Kath. Institut für berufsorientierte Religionspädagogik

Umgang mit religiöser Heterogenität im konfessionellen Religionsunterricht (HET)

Eine triangulative Studie zum Status Quo vorfindlichen Unterrichts

Das Projekt erhebt und untersucht Subjektive Theorien zur religiösen Heterogenität von Religionslehrkräften und den Umgang mit religiöser Heterogenität im konfessionellen Religionsunterricht allgemeinbildender und berufsbildender Schulen.

Projektteam

Universität Tübingen: Prof. Dr. Reinhold Boschki, StD PD Dr. Matthias Gronover, Julia Hofmann (Ansprechpartnerin, Tübingen)

Universität Siegen: Prof. Dr. Ulrich Riegel, Malte Brügge-Feldhake (in beratender Funktion: Tobias Hausmann)

Hintergrund und Forschungsfragen

Angesichts zunehmender religiöser Vielfalt und einem zumindest teilweise Aufscheinen religiöser Positionalität im öffentlichen Raum gewinnt religiöse Bildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Integration zunehmend an Bedeutung. Theoretisch fördert konfessioneller Religionsunterricht die Fähigkeit, mit religiöser Heterogenität rücksichtsvoll und wertschätzend umzugehen. Dazu bedarf es im Religionsunterricht auf inhaltlicher Ebene eines Szenarios, in dem die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen religiös-weltanschaulichen Standpunkt entwickeln, sich in die spezifischen Perspektiven der Deutungsmuster der zugehörigen Konfession und der Standpunkte der anderen Schülerinnen und Schüler hineinversetzen und die verschiedenen Perspektiven miteinander ins Gespräch bringen können. Auf der interaktiven Ebene erweist sich eine Beziehungsstruktur als notwendig, die die Schülerinnen und Schüler vor diskriminierenden Kommentaren schützt und in der die Lehrperson ihren eigenen religiös-weltanschaulichen Standpunkt so ins Gespräch einbringt, dass er die Schülerinnen und Schüler nicht überwältigt.

Inwieweit dieser theoretische Anspruch im realen konfessionellen Religionsunterricht eingelöst wird, kann gegenwärtig nicht abgeschätzt werden, weil einschlägige, auf einer soliden empirischen Methode beruhende Studien zum Planungs- und Binnengeschehen des Religionsunterrichts in dieser Hinsicht nicht vorliegen. Das Projekt sucht dieses Desideratum religionspädagogischer Forschung zu schließen. Es untersucht auf der Grundlage von Interviews mit Religionslehrpersonen (TP 1) und videographierter Unterrichtsstunden aus den Lernbereichen Islam und Ethik (TP 2) den Umgang mit religiöser Heterogenität sowohl auf der Inhalts- als auch auf der Beziehungsebene im katholischen Religionsunterricht. Dabei werden Lehrpersonen und Religionsstunden aus berufsbildenden Schulen mit solchen aus allgemeinbildenden verglichen, um die Bedeutung der unterschiedlichen Unterrichtsbedingngen in beiden Schultypen für den Umgang mit religiöser Heterogenität empirisch abgesichert abschätzen zu können.

Teilprojekt 1

TP 1 rekonstruiert die Subjektiven Theorien von Religionslehrpersonen zu einem Religionsunterricht, der religiöser Heterogenität gerecht werden will. Das Projekt geht somit davon aus, dass Religionslehrpersonen als Expertinnen und Experten ihres Fachs darüber Auskunft geben können, was sie unter religiöser Heterogenität verstehen, welche Bedeutung sie ihr für ihren eigenen Religionsunterricht zuschreiben, welche Konzepte und Methoden sie für einen angemessenen Umgang mit ihr kennen und wie sie diese Konzepte und Methoden in ihrem eigenen Religionsunterricht einsetzen. Entsprechend lautet die Fragestellung von TP 1:

Was verstehen Religionslehrpersonen unter religiöser Heterogenität und wie berücksichtigen sie diese in ihrer eigenen Unterrichtsplanung entlang...

  • ... der kognitiven Dimension, d. h. welche Rolle weisen sie der Auseinandersetzung der Lernenden mit dem eigenen Standpunkt, der Einübung von Perspektivenwechsel und der Fähigkeit, mit anderen Standpunkten in einen Dialog zu treten zu?
  • ... der affektiven Dimension, d. h. inwiefern räumen sie den Lernenden ein, eine Beziehung zu sich selbst, zu den anderen Lernenden und zu Gott eingehen zu können?
  • ... der strukturellen Dimension, d. h. wie gehen sie mit etablierten Qualitätsstandards der inhaltlichen Klarheit, der kognitiven Aktivierung und eines hohen Anteils echter Lernzeit um?

Zur Erhebung dieser Subjektiven Theorien werden problemzentrierte Interviews geführt, denn diese wahren die für qualitative Sozialforschung typische Offenheit für die Rationalität der Befragten, berücksichtigen aber gleichzeitig das theoretische Vorwissen und das Erkenntnisinteresse der Forschenden. Diese Interviews werden mittels der Dokumentarischen Methode ausgewertet, die das Ziel hat, sozial geteilte Vorstellungen aus dem empirischen Material herauszuarbeiten. Die Dokumentarische Methode ist somit in der Lage die Rationalität herauszuarbeiten, an welcher sich die befragten Lehrpersonen ausrichten, um ihre Vorstellung zu religiöser Heterogenität im Religionsunterricht zu entfalten. Das Sample des ersten Teilprojekts besteht aus 24 Lehrpersonen, die entlang der Kategorien Geschlecht, Bundesland (BW / NRW), Schultyp (BS / HS / Gym) und Unterrichtsexpertise (< 5 Jahre / > 15 Jahre) rekrutiert werden.

Teilprojekt 2

TP 2 rekonstruiert den Umgang mit religiöser Heterogenität anhand videographierter Religionsstunden. Das Projekt geht davon aus, dass sich im Unterrichtsgeschehen selbst erweist, inwieweit die von der Religionspädagogik formulierten Ansprüche eines angemessenen Umgangs mit religiöser Heterogenität im vorfindlichen Religionsunterricht verwirklicht werden. TP 2 beantwortet somit die folgenden Forschungsfragen:

Wie sehr entspricht vorfindlicher Religionsunterricht dem Anspruch für einen sensiblen Umgang mit religiöser Heterogenität auf der kognitiven, der affektiven und der strukturellen Dimension?

  • kognitive Dimension: Inwiefern ist vorfindlicher Religionsunterricht so angelegt, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrem eigenen Standpunkt auseinandersetzen, den Perspektivenwechsel einüben und in den Dialog mit verschiedenen Standpunkten anderer eintreten?
  • affektive Dimension: Inwiefern ist vorfindlicher Religionsunterricht so angelegt, dass die Schülerinnen und Schüler eine gute Beziehung zu sich selbst, zu den anderen Lernenden und zu Gott eingehen können?
  • Inwiefern entspricht vorfindlicher Religionsunterricht den etablierten Qualitätsstandards inhaltlicher Klarheit, kognitiver Aktivierung und eines hohen Anteils an echter Lernzeit?

Die Rekonstruktion besagten Umgangs in realem Unterricht bedarf eines empirischen Zugangs, dessen Daten Unterrichtsgeschehen unmittelbar repräsentieren. Videographie ist ein wirkungsvoller empirischer Zugang zu Interaktionen im Klassenzimmer und wird in der Fachdidaktik mittlerweile breit rezipiert. Die Analyse der Daten geschieht mittels hoch-inferentem Rating der Unterrichtsstunden und der sequenziellen Analyse sog. critical incidents, d. h. Unterrichtsausschnitten, die einen charakteristischen Einblick in den Umgang mit religiöser Heterognität erlauben. Das Sample von TP 2 leitet sich aus dem Sample von TP 1 ab. Konkret werden von jeder interviewten Lehrperson zwei Unterrichtsstunden videographiert (N = 48).

Finanzierung

Das Projekt wird im Zeitraum von 9/2018 bis 8/2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen einer Sachbeihilfe (BO1747/10-1 & RI2005/13-1) gefördert.

Publikationen

Erste Auswertungen finden Sie unter https://rpb-journal.de/index.php/rpb/article/view/160 und https://link.springer.com/article/10.1007/s11618-021-01061-0

Inzwischen ist die Studie ausführlich publiziert: Weitere Informationen finden Sie beim Waxmann-Verlag.