Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Leute

Vielseitiger Experimentalphysiker und engagierter Lehrer

Zum Tode von Professor Dr. Günther Mack ein Nachruf von Gerulf Mertens

Am 2. April 2018 ist der Experimentalphysiker Professor Dr. Günther Mack im Alter von 91 Jahren verstorben. Im Jahr 1927 in Giengen an der Brenz geboren, begann er 1945 sein Physikstudium an der Universität Tübingen als Schüler von Professor Walther Kossel, das er 1957 mit der Promotion auf dem Gebiet der Röntgenspektroskopie abschloss. Schon während der Durchführung seiner Doktorarbeit erhielt er ab 1953 eine Anstellung am Physikalischen Institut als „Verwalter einer Assistentenstelle“.

Kurz vor der Promotion von Günther Mack wurde Professor Dr. Hubert Krüger als Nachfolger von Professor Kossel auf den Lehrstuhl für Experimentalphysik nach Tübingen berufen. Zusätzlich zu den schon bisher im Institut vertretenen atomphysikalischen Arbeitsrichtungen wurden nun Arbeiten auf dem Gebiet der Niederenergie-Kernphysik begonnen und mehrere Arbeitsgruppen mit verschiedenen Forschungszielen eingerichtet. Neben Untersuchungen zur Kernspaltung, Messungen von Wirkungsquerschnitten und Kernreaktionen im Niederenergiebereich von wenigen MeV bestand auch großes Interesse an Streuexperimenten mit „schnellen“ Neutronen im Energiebereich bis zu 20 MeV, vielfach unter spezieller Berücksichtigung des Neutronenspins. Nach seiner Promotion, jetzt als Wissenschaftlicher Assistent, wechselte Günther Mack von der Atomphysik auf dieses neue Arbeitsgebiet, in welches er sich sehr schnell einarbeitete. Das Problem für alle kernphysikalischen Messungen bestand aber zunächst darin, dass die hierfür notwendigen experimentellen Einrichtungen in Tübingen erst geschaffen werden mussten. Aus diesem Grund wurde im Jahr 1959 auf einem Außengelände in der Nähe des Hofguts Rosenau der Aufbau eines Ionenbeschleunigers begonnen, an dessen Planung und Aufbau Günther Mack maßgeblich beteiligt und für dessen Betrieb er später als Abteilungsleiter verantwortlich war. Gleichzeitig wurde die von ihm betreute Arbeitsgruppe „Neutronenstreuung, Neutronenpolarisation und Neutronenreaktionen“ eingerichtet, in der parallel zum Aufbau des Beschleunigers die ersten Experimente vorbereitet wurden, sodass unmittelbar nach Inbetriebnahme der Maschine, einem Van-de-Graaff-Generator mit einer Maximalspannung von 2 Millionen Volt, mit den physikalischen Messungen begonnen werden konnte.

Bei der Durchführung der Experimente wie auch vorher beim Aufbau des Beschleunigers entwickelte Günther Mack eine ungewöhnliche Energie, Zähigkeit und Schaffenskraft. Ein geregelter Achtstundentag war für ihn ein unbekanntes Fremdwort, und unter völliger Zurückstellung familiärer Belange beteiligte er sich auch an unbequemen Nachtschichten der aus Stabilitätsgründen der elektronischen Messapparaturen oft wochenlang über Tag und Nacht ohne Unterbrechung laufenden Messungen. Ein besonderes Merkmal der Arbeitsweise von Günther Mack war seine große Ausdauer und Geduld, gepaart mit einem Hang zur Perfektion. Daraus resultierten schon bei den ersten Neutronenstreuexperimenten für damalige Verhältnisse ungewöhnlich präzise Ergebnisse mit extrem kleinen statistischen und systematischen Fehlergrenzen, sodass die Daten hervorragend zur Überprüfung und Verfeinerung von theoretischen Modellen der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung und von Kernmodellen geeignet waren. Sehr rasch ergab sich daraus eine intensive Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen auf nationaler und internationaler Ebene, die für Günther Mack und einige der Mitarbeiter aus seiner Gruppe zu gemeinsamen Experimenten und Forschungsaufenthalten an anderen Beschleunigern führten. Viele dieser Vorhaben wurden auch durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Auf Grund dieser Arbeiten konnte sich Günther Mack 1968 mit einem Streuexperiment von hochenergetischen Neutronen an Kohlenstoff habilitieren.  Ab 1978 arbeitete er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1989 als Professor für Experimentalphysik am Physikalischen Institut.

Am Ende der 1970er-Jahre ergab sich die Möglichkeit, die 2-Millionen-Volt-Maschine des Tübinger Beschleunigerlabors durch einen leistungsstärkeren Beschleuniger mit einer maximalen Hochspannung von 3,5 Millionen Volt zu ersetzen. Auch diese Umstellung einschließlich der Planung für den erforderlichen Erweiterungsbau der Experimentierhalle und der völligen Neukonzeption des Strahlführungssystems lag in den Händen von Günther Mack. Die Zahl der Strahlrohre und Targetplätze wurde in diesem Zusammenhang von drei auf sieben erhöht, sodass sich für alle in der Kernphysik tätigen Arbeitsgruppen des Instituts eine deutliche Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten ergab.

Schon früh richtete sich das Interesse von Günther Mack auf ein weiteres Gebiet, nämlich auf die ökonomisch und ökologisch nicht vertretbare weltweit verbreitete Verschwendung von Energie. Deshalb gründete er 1984 eine weitere Arbeitsgruppe „Rationelle Energieverwendung“, die sich mit der Energiebilanz von Gebäuden befasste. Dabei wurden im Rahmen von Diplom- und Staatsexamensarbeiten systematische Energiebilanzmessungen an einigen Häusern in Tübingen und Hessen durchgeführt und in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart analysiert. Die gewonnenen Erkenntnisse konnte er persönlich bei der mit viel Eigenarbeit durchgeführten Renovierung seines Elternhauses verwerten, wobei ihm seine handwerkliche Geschicklichkeit gute Dienste leistete. Darüber hinaus konnte er durch sein starkes Engagement auch seine Schüler für die relevanten Fragen hochgradig sensibilisieren, was zum Beispiel dazu führte, dass einige von ihnen mit anderen Gleichgesinnten in Tübingen eine Firma gründeten, die sich stark entwickelt hat und bis heute ingenieurmäßige Unterstützung und Beratung bei Bauvorhaben leistet. Auch in der Evangelischen Kirchengemeinde, in der er jahrelang als Kirchengemeinderat mitwirkte, wurden seine Ratschläge sehr geschätzt und bei Umbauten und Renovierungen an den Gebäuden vielfach berücksichtigt. Ein eigener Nachruf des Evangelischen Kirchenbezirks Tübingen gibt davon Zeugnis.

Das Bild von Günther Mack als Hochschullehrer wäre unvollständig ohne die Würdigung seiner umfangreichen Lehrtätigkeit und seiner Mitarbeit in den Gremien der Verwaltung. Er engagierte sich in allen Bereichen der Lehrveranstaltungen, von der Grundvorlesung in Experimentalphysik bis zu speziellen Kernphysik-Vorlesungen, Abhaltung von Seminaren, Tätigkeit im Physikalischen Praktikum für Fortgeschrittene und nicht zuletzt natürlich in der Betreuung einer großen Zahl von Diplomanden, Staatsexamenskandidaten und Doktoranden. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sich auch mehrere Mitarbeiter aus seinen Arbeitsgruppen habilitieren konnten und zum Teil auf Professorenstellen im In- und Ausland berufen wurden. Viele seiner Kollegen, Mitarbeiter, Schüler und Freunde werden Günther Mack ein ehrendes Gedenken bewahren.