Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2019: Forschung

Größtes Waldexperiment zur Biodiversität weltweit

Ein Tübinger Forschungsteam hat in China kritische Bodentiefen für die Pflanze-Boden-Beziehung untersucht

„Mit 50 Hektar Fläche handelt es sich hier um das weltweit größte wissenschaftliche Waldexperiment, das sich mit Biodiversität befasst“, erklärt Dr. Karsten Schmidt von der Arbeitsgruppe für Bodenkunde und Geomorphologie des Geographischen Instituts. Er und seine Kolleginnen und Kollegen von der Universität Tübingen, dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der University of New England (Australien) und der Universität Kiel haben in einer breit angelegten Studie die Bodentiefe berechnet, bei denen die Beziehung zwischen Boden und Pflanze am deutlichsten hervortritt. Basis sind die Daten aus Proben, die dem Boden der Forschungsfläche im Naturschutzgebiet Gutianshan in der chinesischen Provinz Zhejiang in unterschiedlichen Tiefen entnommen wurden (BEF China, DFG-FOR 891: www.bef-china.de). Das Team fand heraus, dass die kritischen Bodentiefen je nach Standort sehr unterschiedlich sind, in denen die Wechselwirkungen zwischen Boden und Pflanzen am besten erklärt werden können. Beim Waldexperiment in China ergaben die Analysen beispielsweise, dass der intensivste Zusammenhang in einer Bodensäule von 0 bis 16 cm besteht.

Empfehlungen für künftige Ökosystemstudien

„Die Studie ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Interdisziplinarität für neue wissenschaftliche Erkenntnisse ist“, sagt Karsten Schmidt. „Wir haben eng mit Kolleginnen und Kollegen aus der Pflanzenökologie zusammengearbeitet, um mit unserem Forschungsergebnis Empfehlungen für künftige Ökosystemstudien geben zu können. Es reicht nicht, wenn man sich nur in seinem eigenen Fachbereich mit hochaufgelösten Daten befasst. Wir müssen auch immer die zur Fragestellung eines Projekts zugehörigen Fachgebiete in derselben Qualität berücksichtigen.“ Bislang hätten viele wissenschaftliche Studien beispielsweise nur die obersten Zentimeter des Bodens untersucht und die Interaktionen mit zunehmender Tiefe vernachlässigt. Viele Eigenschaften des Bodens verhalten sich in der Tiefe zumeist unregelmäßig und in keinem Fall linear. Diese wichtigen Informationen können aber für die Erklärung von Ökosystemfunktionen eine zentrale Rolle spielen.

„Insgesamt wurden in diesem Gebiet 40 einheimische Baum- und Straucharten angepflanzt, um deren Beziehungen zum Boden zu untersuchen“, erläutert Dr. Steffen Seitz, ebenfalls Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe für Bodenkunde und Geomorphologie. „Bei der Art der Bepflanzung wurden bestimmte Biodiversitätsmuster befolgt, um deren Einfluss effektiv untersuchen zu können.“ Das Waldgebiet wird von insgesamt 13 Projektgruppen aus Deutschland, der Schweiz und China für die Erforschung unterschiedlicher Fragestellungen zum Thema Biodiversität genutzt. Das Team um Thomas Scholten, Peter Kühn, Karsten Schmidt und Steffen Seitz hat sich mit dem Boden und Bodenerosionsmerkmalen unter dem Einfluss von Biodiversität befasst, andere Arbeitsgruppen forschen beispielsweise zu Bienen- oder Ameisenarten in diesem hochdiversen Waldökosystem.

Biodiversitäts-Hot-Spot im subtropischen China

„Wir erklären in einem solchen Projekt nicht nur Biodiversitätseffekte und Ökosystemfunktionen, wie etwa den Erhalt der Artenvielfalt und grundlegende Elemente des Erosionsschutzes, sondern schaffen ebenso Synergien. Dafür braucht man einen richtigen ‚Biodiversitäts-Hot-Spot‘. Im subtropischen China gab es bislang noch kein solches Experiment, so dass das Naturschutzgebiet Gutianshan für unsere Zwecke ideal war“, erläutert Seitz.

Die Tübinger Arbeitsgruppe deckt inzwischen nicht nur die klassische Bodenkunde ab, sondern mit Dr. Karsten Schmidt als bislang einzige Universität in Deutschland auch das so genannte Digital Soil Mapping und die Integration von Maschinellem Lernen in die Bodenforschung. „Es ist eine weitere Quintessenz des aktuellen Papers, dass wir in der Bodenkunde jetzt neue digitale Verfahren einsetzen, um die Beprobung in der Feldforschung und die Aussagekraft von Bodenparametern für Ökosystemfunktionen zu verbessern“, meint Seitz.

Johannes Baral

Studie Goebes P., Schmidt K., Seitz S., Both S., Bruelheide H., Erfmeier A., Scholten T., Kühn P. 2019 „The strength of soil-plant interactions under forest is related to a Critical Soil Depth” (https://www.nature.com/articles/s41598-019-45156-5 )