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09.05.2017

Horst Köhler: Braucht die Weltwirtschaft eine neue Vision?

Der Bundespräsident a.D. sprach beim Festakt zum 200-jährigen Bestehen des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft

Bundespräsident a.D. Horst Köhler sprach beim Festakt zum 200-jährigen Bestehen des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft. Foto: Universität Tübingen/Friedhelm Albrecht

40 Jahre nach seiner Promotion an der Universität Tübingen ist Professor Dr. Horst Köhler, Bundespräsident a.D., noch immer voller Ehrfurcht vor seiner Alma Mater. Authentisch und mit klaren inhaltlichen Aussagen überzeugte der Honorarprofessor in seiner Rede anlässlich des 200-jährigen Bestehens des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft. Rund 1000 Zuhörer hörten im Festsaal und im Audimax die Botschaft des ehemaligen Direktors des Internationalen Währungsfonds zur Zukunft der Weltwirtschaft.

Was hat die Globalisierung gebracht?

„Was hat die enorm gewachsene wirtschaftliche Verflechtung der letzten Jahrzehnte – nennen wir sie der Einfachheit halber Globalisierung – eigentlich gebracht?“ so die Eingangsfrage, mit der Horst Köhler die aktuellen kontroversen Diskussionen weltweit aufgriff. Er skizzierte Erfolgsgeschichten, wie China, wo eine halbe Milliarde Menschen aus Armut befreit wurden oder die weltweit gestiegene Lebenserwartung durch den medizinischen Fortschritt. Andererseits verwies er auf die 50 Prozent der globalen Bevölkerung, die kaum Einkommensgewinne hatten oder in Armut leben.

Auf dem afrikanischen Kontinent, der bis 2050 seine Einwohner auf 2,5 Milliarden verdoppeln könnte, habe es „zwar durchaus bescheidene relative Erfolge in der Armutsbekämpfung gegeben“, die aber durch das Bevölkerungswachstum vielerorts gleich wieder aufgefressen würden, konstatierte Horst Köhler.

Plädoyer für eine Weltwirtschaft, die allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht

Im Fokus seiner Rede standen drei große Themen:

  • das Bevölkerungswachstum,
  • die Ressourcenknappheit und
  • der technische Fortschritt, konkret die Digitalisierung.


Alle 3 Themen seien gigantische Zukunftsherausforderungen, die gemeinsam betrachtet werden müssten, denn „…erst wenn wir begreifen, wie wenig uns Lösungen auf nur einer Seite des Dreiecks weiterbringen, weil sie auf einer anderen Seite des Dreiecks die Probleme nur verstärken – erst dann werden wir uns bewusst, vor welcher Mammutaufgabe die Menschheit steht.“, erläuterte der Honorarprofessor seine Sicht. Er appellierte für eine Weltwirtschaft, die allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht ohne den Planeten zu zerstören. Für diese Vision müsse gekämpft werden. „Da vagabundieren gigantische Summen an Geld um den Globus herum und suchen verzweifelt nach Rendite in immer riskanteren Finanzprodukten, während wir in Afrika einen gewaltigen ungedeckten Investitionsbedarf haben für Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Solarkraftwerke, Eisenbahnen, Dienstleistungen; eigentlich für alles... Dort sollte das Geld hinfließen und zu realwirtschaftlichem Wachstum beitragen, nicht zu den Wachstumsblasen einer selbstreferenziellen Finanzindustrie!“, kritisierte der ehemalige Direktor des IWF das derzeitige Finanzwesen.

Marktwirtschaft Ordnungsprinzip für die Wirtschaft – und nicht für alle menschlichen Lebensbereiche

Horst Köhler sieht sich aufgrund seiner Ansichten nicht als Kapitalismuskritiker und führte in seiner Rede dazu aus: „Ich glaube fest daran, dass sich die Kreativität der Menschen vor allem unter den Bedingungen der Freiheit und des Wettbewerbs entfaltet – möge die beste Idee gewinnen… Ich glaube aber genauso fest, dass Eigentum verpflichtet – so steht es in unserem Grundgesetz! –, dass Risiko und Haftung zusammengehören, dass auch die Schwachen geschützt werden müssen und dass Preise tatsächlich die wahren Kosten wiederspiegeln müssen. Und ich glaube, dass die Marktwirtschaft ein Ordnungsprinzip für die Wirtschaft ist, und nicht für alle menschlichen Lebensbereiche.“


Köhler dankte all denjenigen, die Forschung und Lehre am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft über 200 Jahrhunderte mit geprägt haben und zeigte Anerkennung für das, was vorhergehende Generationen mit einem Bruchteil des heutigen Wissens geleistet haben.

Ramona Gresch, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

Die gesamte <link http: www.horstkoehler.de reden-texte braucht-die-weltwirtschaft-eine-neue-vision external-link-new-window die weltwirtschaft eine neue zum>Rede „Braucht die Weltwirtschaft eine neue Vision?“ vom 4. Mai 2017 zum Download

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