Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft

Shoah-Gedenken in der Migrationsgesellschaft

Förderung Baden-Württemberg Stiftung GmbH
Projektleitung

Prof. Dr. Thomas Thiemeyer
Dr. Jackie Feldman (University of the Negev/Israel)
Dr. Tanja Seider (University of the Negev/Israel)

Laufzeit 09/2015 - 08/2018

Das Projekt Shoah-Gedenken in der Migrationsgesellschaft ist ein Projekt im Rahmen des Baden-Württemberg-STIPENDIUMs für Studierende – BWS plus, einem Programm der Baden-Württemberg Stiftung. Ziel des Projektes ist eine Kooperation zwischen dem Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft (LUI) der Universität Tübingen (Prof. Thomas Thiemeyer) und dem Rabb Centre for Holocaust Studies am Department of Sociology and Anthropology der Ben Gurion University of the Negev/Israel (Dr. Jackie Feldman). Es geht von der These aus, dass die alten Narrative zu diesem Thema nur noch bedingt funktionieren, weil die Gesellschaften, in denen heute an die Shoah erinnert werden soll, pluraler geworden sind. Im Zentrum steht die Frage, wie sich Aneignungs- und Vermittlungspraktiken von kulturellem Erbe – in diesem Falle des Shoah-Gedenkens – in einer pluralen Gesellschaft verändern. Wie müssen Museen, Universitäten, Gedenkstätten oder Stadtführer heute von Shoah und NS-Zeit erzählen, um deren Relevanz und Bedeutung weiterhin plausibel zu machen und tradieren zu können? Wie verändern sich dadurch die Erzählungen und die Bedeutungen des Shoah-Gedenkens in einer Migrationsgesellschaft?
Zahlreiche Gedenkstätten und Initiativen in Baden-Württemberg (jüngst etwa die „Stolpersteine“ in Tübingen) erinnern an die NS-Vergangenheit, und sie alle stehen vor dem Problem, dieses historische Erbe der Deutschen einer Gesellschaft vermitteln zu müssen, in der nationalstaatliche Identitäten und Loyalitäten zunehmend durch transnationale Identitäten ersetzt werden. Sie müssen es zudem einer Generation plausibel machen, die sich zeitlich und mental immer weiter von dem Ereignis entfernt. Ähnliches gilt für Israel, wo das zentrale Holocaust-Museum Yad Vashem, das Ghetto Fighters Museum, Massua und Yad Mordechai neue Narrative entwickeln, um die Shoah für Alt und Jung, Mizrachim (Juden aus Asien und dem Nahen Osten) und arabische Einwohner Israels gleichermaßen relevant zu machen. Welche Wege gehen Sie? Wie verändert sich die Erzählung von NS-Zeit und Shoah durch diese Übersetzungen? Und welchen Gegenwartsbezug besitzen sie?
Diesen Fragen soll im Rahmen eines gemeinsamen mehrsemestrigen Studien- und Forschungsprojekts von Masterstudierenden des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Eberhard Karls-Universität Tübingen (vgl. dazu auch das Studienprojekt Kulturerbe in der Migrationsgesellschaft [Link]) und des Rabb Centre for Holocaust Studies der Ben Gurion University of the Negev/Israel nachgegangen werden. In Deutschland und Israel besitzt die Erinnerung an die Shoah bis heute hohe politische Bedeutung. Sie grundiert explizit und implizit alle Debatten um nationale Identität, den Umgang mit Minderheiten und das Verhältnis zu anderen religiösen und ethnischen Gruppen. Sie bestimmt unser Urteil zu Fragen der Gewaltausübung und definiert ethische Normen.
Der Kontakt der beiden Institute soll dazu beitragen, die am LUI vorhandenen Lehr- und Forschungs-Schwerpunkte zu jüdischen Lebenswelten, Religiosität, Diversity und kulturellem Erbe/Museum auszubauen. Diese Themen werden aktuell vernetzt und durch internationale Kontakte vertieft. So ist in den nächsten fünf Jahren die mit dem Anneliese Maier-Preis der Humboldt-Stiftung ausgezeichnete kanadische Religionswissenschaftlerin Pamela Klassen als Gastprofessorin am Institut, die zu Fragen von Religion und öffentlicher Gedenkkultur in multikulturellen Gesellschaften in Forschung und Lehre am Institut arbeitet. An dieser Schnittstelle zwischen Fragen zur Kulturerbeproduktion, Erinnerungskultur und populärer Religiosität arbeitet auch der Kulturanthropologe und Direktor des Rabb Centre of Holocaust Studies Dr. Jackie Feldman.