Tübingen School of Education (TüSE)

Anglistik

Es kann davon ausgegangen werden, dass fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen in engem Zusammenhang stehen, wobei fachwissenschaftliche Kompetenz eine Voraussetzung für fachdidaktische Kompetenz ist. Daher ist nicht nur die sorgfältige Untersuchung fachdidaktischer Kompetenzen erforderlich, sondern zunächst auch diejenige fachwissenschaftlicher Kompetenzen. Anders gesagt: Man muss zuerst wissen, was unterrichtet werden soll, bevor untersucht werden kann, wie es unterrichtet werden soll.

Aus diesen Überlegungen heraus wird in der Anglistik zunächst der Frage nachgegangen, wie sich fachwissenschaftliche Kompetenzen empirisch verlässlich erfassen lassen. Dazu werden im Projekt Messinstrumente zur Kompetenzerfassung von Lehramtsstudierenden konstruiert, die auch der Beurteilung der Kompetenzentwicklung dienlich sein sollen. Der Fokus liegt dabei auf der Textverstehenskompetenz, basierend auf folgenden Grundannahmen:

  1. Textverstehen ist zentral für alle sprachlichen Fächer und von Bedeutung darüber hinaus (vgl. Textaufgaben in der Mathematik).
  2. Um Texte zu verstehen, sind bestimmte Kompetenzen nötig.
  3. Die Komplexität eines Textes, seine Herausforderungen für das Verstehen, lässt sich in bestimmbare Teilaspekte gliedern.

Wir beginnen nicht bei der Klassifikation der Texte, sondern phänomenorientiert bei den einzelnen Texteigenschaften, aus denen wir Teilkompetenzen und Facetten des Textverstehens ableiten. Beispiele für solche Texteigenschaften sind Ambiguität und Ironie.


Beides gibt es in allen Arten sprachlicher Kommunikation. Ambiguität ist ein Phänomen der Sprache. Strategisch wird sie häufig in literarischen Texten verwendet; sie zu erkennen, bedeutet eine generelle Sprach- und Textverstehenskompetenz zu besitzen. Ironie (Sarkasmus) etwa findet sich auch in Features und Kommentaren; sie zu erkennen, bedeutet Einstellungen und Bewertungen zu erkennen, die für das Verständnis eines Textes essentiell sind.

Erste Ergebnisse
Bei Studierenden: Das Erkennen und Verstehen von Stilfiguren (wie Ironie) an einzelnen Textstellen trägt zum Verständnis des Gesamttextes bei. Häufige Lektüre englischsprachiger Texte - insbesondere von Romanen - geht mit besserer Leistung im Verstehenstest einher. Bei Schülerinnen und Schülern gilt außerdem, dass auch bilingualer Unterricht mit besserer Leistung im Verstehenstest einhergeht.


Bei erfahrenen Lehrkräften schließlich zeigte sich, dass diese über viel Hintergrundwissen verfügen, das für Textverstehen relevant ist. Außerdem haben sie die Fähigkeit, Stilmittel nicht nur zu identifizieren, sondern auch zu benennen, und sie verfügen über eine hohe Reflexionsfähigkeit bezüglich des eigenen Textverstehens.

Es ergeben sich hieraus nun verschiedene Fragen bzw. nächste Schritte:

  • Wie nutzen Lehrkräfte diese fachlichen Kompetenzen im Unterricht, d.h. welche Bedeutung haben sie für fachdidaktische Kompetenzen?

  • Wie lassen sich entsprechende fachdidaktische Kompetenzen erheben?

Der Fokus des Projekts liegt zunächst auf den Studierenden der Anglistik, in einem weiteren Schritt folgt dann die schulbezogene Modellierung und fachdidaktische Anwendung.