China Centrum Tübingen (CCT)

Japans Verhältnis zu China und Asien - Historische Hintergründe und aktuelle Entwicklungen

Das japanisch-chinesische Verhältnis wird in der Gegenwart von einem aktiven bilateralen Austausch in wirtschaftlicher Hinsicht geprägt, dem gleichwohl immer wieder aufflammende politischen Spannungen entgegenstehen. Vordergründig geht es bei diesen Konflikten neben der Aufarbeitung der Kriegshistorie meist um Interessen- und Territorialkonflikte, wie im Falle des Inseldisputes um die zwischen China und Japan umstrittenen Senkaku- (jap.), bzw. Diaoyu- (chin.) Inseln. Doch verbergen sich hinter derartigen Problemen tiefer reichende Konfliktlinien, deren Kenntnis, v. a. in historischer Hinsicht, zum Verstehen der aktuellen Konflikte unerlässlich ist.

Der Vortrag widmet sich dem Thema unter besonderer Berücksichtigung einer Region, der aus geographischen und politischen Gründen zwar eine Schlüsselstellung in dieser Problemlage zukommt, die jedoch international kaum Beachtung findet: Okinawa, bzw. die Inseln des sich zwischen den südlichen Hauptinseln Japans und Taiwan erstreckenden Ryûkyû-Archipels. In der außerordentlich komplexen und komplizierten Thematik der Beziehungen Japans zu den asiatischen Nachbarn kommt den „Südlichen Inseln“ eine zentrale Rolle zu. Okinawa soll, aus Sicht der japanischen Regierung, als sinnbildliche Brücke einer neuen Hinwendung Japans nach Asien, insbesondere Südostasien und China verstanden werden und damit den Einfluss Japans in der Region sichern. Doch liegen die Erwartungen auf den Inseln selbst häufig weniger auf einer solchen Brückenfunktion für Japan als vielmehr auf einer erhofften zukünftigen Stärkung der Position Okinawas selbst gegenüber der Zentralregierung, bis hin zu Bestrebungen einer erneuten Unabhängigkeit. Hier spielt die Geschichte des Archipels eine Schlüsselrolle, wurde das ehemalige Königreich Ryûkyû doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollständig dem japanischen Staatsverband eingegliedert, nachdem es bis dahin über Jahrhunderte hinweg von Japan und China verwaltet worden war. Häufig wird von Okinawa daher auch als der ersten Kolonie des modernen Japans gesprochen. Der Vortrag thematisiert die historische und gegenwärtige Stellung der Ryûkyû-Inseln zwischen den mächtigen geopolitischen Interessen Japans und Chinas in gegenwärtiger wie historischer Sicht und unternimmt schließlich auch den Versuch eines Ausblicks auf mögliche Entwicklungen in der näheren Zukunft.


Klaus Antoni ist ein Japanologe, spezialisiert auf Kulturwissenschaften und Geschichte religiöser Ideen. Nach Lehrstühlen an den Universitäten Hamburg (1987) und Trier (1993) übernahm er 1998 den Lehrstuhl für Japanische Kulturwissenschaften am Institut für Japanische Studien an der Universität Tübingen. 1991 erhielt er den ersten internationalen Forschungspreis der Tamaki-Stiftung An der Universität Wien. Im Jahr 2005 wurde Antoni als Gastwissenschaftler am Reischauer Institut für Japanische Studien an der Harvard University eingeladen. Professor Antonis Hauptforschungsinteressen liegen in den Bereichen kulturelle und religiöse Geschichte, insbesondere die Erforschung der Beziehungen zwischen Religion (Shintô) und Ideologie im vormodernen und modernen Japan. Er interessiert sich zudem für Theorien über die japanische Kultur (z. B. kulturelle Stereotypen gegenüber Japan) im Allgemeinen sowie in der historischen und gegenwärtigen Beziehung zwischen Japan und dem übrigen Asien.