Institut für Astronomie & Astrophysik

Wissenschaftliche Resultate des Echelle-Spektrometers der ORFEUS II Mission

Klaas S. de Boer1 und Norbert Kappelmann2

1 Sternwarte, Universität Bonn
2 Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen

Die ORFEUS-Mission lieferte einen Einblick in den fernen ultravioletten Spektralbereich, wo die Spektren der Sterne sehr wichtige Informationen über die Sterne selbst und über das interstellare Gas enthalten.

Start und Mission

Am 19. November 1996 hob Space Shuttle Columbia (STS80) vom Weltraumbahnhof des Kennedy Space Centers zum bisher längsten Flug in der Geschichte der amerikanischen Shuttles ab. Die Mission sollte 17 Tage, 15 Stunden und 53 Minuten dauern. An Bord der Fähre befand sich als Hauptnutzlast der deutsche Satellit ASTRO-SPAS, der von der Daimler Benz Aerospace (DASA), München, entwickelt, gebaut und betrieben wurde. Dieser freifliegende, 3600 kg schwere Satellit sollte im Orbit zu seiner zweite Astronomie Mission - ORFEUS-SPAS II - ausgesetzt werden. Für den ASTRO-SPAS selber war dies die vierte Mission, die im Rahmen einer Kooperation der vormaligen Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten DARA (jetzt DLR) und der NASA durchgeführt wurden.

Auf dem ASTRO-SPAS war das Hauptteleskop ORFEUS montiert. Das ORFEUS Teleskop war in Deutschland unter Federführung des Instituts für Astronomie und Astrophysik in Tübingen (IAAT) und unter Mitwirkung der Landessternwarte Heidelberg (LSW) entwickelt worden. Es ORFEUS Teleskop speisst 2 Fokalinstrumente, die in Tübingen, Heidelberg und am Space Science Laboratory in Berkeley (SSL), USA, gebaut wurden. Weiterhin befand sich ein kleineres Teleskop IMAPS an Bord des Trägers, das von der Universität Princeton beigestellt wurde. Beide Teleskope waren im wesentlichen für Messungen in dem Wellenlängenbereich 90 - 140 nm konstruiert. Technische Details zum ASTRO-SPAS sind in Sterne und Weltraum (SuW) Band 32, 508 [7/93] zu finden. Siehe weiter bei einer Kurzbeschreibung des Instruments.

Mit diesen Instrumenten konnten die Astronomen nach dem Satelliten COPERNICUS (1972-1981) endlich wieder Messungen mit hoher spektroskopischer Auflösung in diesem interessanten Wellenlängenbereich durchführen (siehe auch UV-Astronomie). Ausserdem war dieses Teleskop erheblich leistungsfähiger als das Instrument des COPERNICUS, sodass damit auch zum ersten Mal Quellen ausserhalb der Milchstrasse gemessen werden konnten.

Entgegen der normal üblichen Ruhepause für die Crew nach dem Start, testeten die Astronauten sofort nach Erreichen des Orbits in 300 km Höhe erfolgreich die Öffnungsmechanismen des Teleskopdeckels und setzten den ASTRO-SPAS daraufhin zu seiner 14 tägigen Freiflugphase aus. Damit begann die Rekordmesszeit von 263 Stunden für diese Astronomie-Mission, eine Herausforderung für alle beteiligten Personen, die den Satelliten und die Experimente rund um die Uhr online vom Kennedy Space Center kontrollierten. Innerhalb kürzester Zeit wurde das ORFEUS- (und das IMAPS-) Instrumentarium von den Wissenschaftlern vom Boden aus betriebsbereit gemacht. Dazu gehörten u.a. das Ausrichten der optischen Achse des Telekops und des Sternsensors, der als Referenz für die Positionierung der Satellitenplattform diente. Das ORFEUS Teleskop konnte während den Messungen so genau auf einen Stern am Himmel ausgerichtet werden, dass dessen Licht durch eine Blende von 0.225 mm Durchmesser (das entspricht am Himmel 20 Bogensekunden) fiel.

Bild 1: ORFEUS-SPAS II Shuttle am Arm der Raumfähre COLUMBIA während des Austestens der Funktionsfähigkeit des Teleskop-Deckels.

Nachdem nach einer gewissen Ausgasphase auch die Hochspannungen für die Detektoren eingeschaltet wurden, konnten Spektren der ersten Targets aufgenommen und partiell zum Boden gesendet werden. Es zeigte sich, dass alle Instrumente, insbesonders der deutsche hochauflösende Echelle-Spektrograph, hervorragende Daten lieferten.

Die Mission verlief bis auf eine eintägige Unterbrechung und neben dem Bewältigen von den üblicherweise unvorhersehbar auftretenden kleinen Schwierigkeiten absolut reibungslos und präzise. Diese eintägige 'Ruhepause' für den ORFEUS-SPAS war bedingt durch die Tatsache, dass sich die zweite Nutzlast an Bord der Columbia, ein Freiflieger namens Wake Shield, in 'ungebührlicher' Weise dem ORFEUS-SPAS näherte. Der musste daraufhin eine spezielle widerstandsarme Orientierung im Raum einnehmen, um den Sicherheitsabstand wieder herzustellen, der benötigt wurde, um den Astronauten ein Einfangen des Wake Shield zu ermöglichen. Die NASA war nach diesem Vorfall bereit, die Mission um einen zusätzlichen Messtag für den ORFEUS-SPAS zu verlängern. Der Satellit wurde dann am Ende der Mission von den Astronauten mit Hilfe des Shuttle-Greifarms eingefangen und mitsamt seiner kostbaren Datenfracht sicher zum Boden zurückgebracht. Nun hiess es für die beteiligten Wissenschaftler geduldig zu warten, bis die Daten vom Satelliten endlich in Tübingen zur Datenreduktion bereitstanden.

Insgesamt konnten von 145 verschiedene Objekten hochaufgelöste Spektren aufgenommen werden. An dieser Stelle soll besonders über Ergebnisse berichtet werden, die aus Beobachtungen mit dem Echelle-Spektrographen gewonnen wurden.

Bild 2: ORFEUS Echelle-spektrum des Sterns HD 93521. Die helle Streifen zeigen das Spektrum von 900Å (links oben) bis 1400Å (rechts unten). Der Helle Fleck in der Mitte wird von geocoronalem Leuchten in der Wasserstoff Lyman-alpha Line erzeugt. Stärkere und schwächere Einsenkungen zeugen von stellaren und interstellaren Absorptionslinien. Einzelheiten des Spektrums sind bei Barnstedt et al. (2000) und Gringel et al. (2000) zu finden.

Bild 3: Im Spektrum des Sterns BD +39 3226 sind viele Absorptionslinien der Wasserstoff Lyman-Serie, die mit Lyman-alpha bei 1216Å anfängt, zu sehen. Neben den stellaren Absorptionslinien treten auch sehr schmale Absorptionen hervor, die durch das interstellare Gas zwischen uns und dem Stern erzeugt werden (nach Bluhm et al. 1999).

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Kaltes H2 in der Galaxis

Das H2-Molekül existiert in der Galaxis eigentlich nur in sehr kalten Gebieten des interstellaren Raumes. Zum einen wird das Molekül leicht durch Strahlung oder in Kollisionen mit anderen Teilchen dissoziert (siehe Seite zu H2). Zum anderen wird H2 nur in kalten, dunklen Gaswolken gebildet.

Die Fähigkeit des Wasserstoffmoleküls Photonen im Fern-UV Bereich des Spektrums zu absorbieren wird sichtbar in Spektren von Sternen, die als Hintergrundlichtquelle das interstellare Gas durchleuchten. Darin treten charakteristische Absorptionsstrukturen auf, je nach dem Anregungszustand des H2-Moleküls (siehe Seite zu H2). Bei grösseren Mengen an H2 sind die Moleküle über die unterschiedlichen Anregungszustände verteilt, im Normalfall aber gemäss der Boltzmannstatistik. Dies bedeutet, dass in wirklich kaltem Gas nur die unteren Zustände besetzt sind, in wärmeren Gas hingegen auch die Zustände höherer Energie. Damit wird klar, dass eine Messung der Verteilung der H2-Moleküle über seine Energiezustände Information über die Temperatur des betreffenden Gases liefert.

Die Untersuchungen mit ORFEUS in Richtung des galaktischen Nordpols zeigen Gas in Zirruswolken (siehe z.B. SuW 33, 265 [4/1994]). Die Temperatur kann aus den Anregungsbedingungen abgeleitet werden.

Bild 4: Die Wasserstoffmoleküle im interstellaren Raum können durch Photonen und Stöße angeregt werden. Dazu kann eine 'Anregungstemperatur' gegeben werden. Das Diagramm zeigt für jede der beobachteten Anregungsstufen die normierte Menge (N(J)/gJ) gegen Anregungsenergie. Die untere Energieniveaus zeigen die kinetische Temperatur des Gases, die obere die Auswirkung der Intensität der UV-Strahlung. In Richtung des Sterns HD 128220 liegen die Anregungstemperaturen im normalen Rahmen (nach Marggraf et al. 2002).

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Deuterium im interstellaren Raum

In den Prozessen, die beim Urknall des Universums ablaufen, bilden sich verschiedene Elemente. Dies sind das häufigste Element Wasserstoff (H), das zweithäufigste Helium (He), etwas Lithium und Berillium, und etwas vom Wasserstoffisotop Deuterium (D). Je nach Urknallmodell wird ein gewisses Vehältnis von D/H vorhergesagt. Später in der Entwicklung des Universums wird aber das D bei der Kernfusion in Sternen verbraucht. So soll im Laufe der Entwicklung des Universums und der Galaxien die Menge an D ständig geringer werden. Die Idee ist, aus dem aktuellen Häufigkeitsverhältnis etwas über den Urknall und die Entwicklung des Universums zu lernen.

Deuterium hat, wie Wasserstoff, Absorptionslinien im ORFEUS Spektralbereich. Es sind die Linien der Lyman-Serie, wobei die D-Linien unmittelbar neben den H-Linien liegen (aber leicht zum blauen hin verschoben). In Richtung zweier Sterne ist es mit ORFEUS gelungen die D Häufigkeit zu bestimmen. Dies ist insbesondere wertvoll, da es zum 1.Mal mit den ORFEUS Daten möglich ist die Bestimmung aus 5 oder 6 Absorptionslinien vorzunehmen. Mit keinem der vorherigen Fern-UV Satelliten war dies je gelungen.

Um die D Häufigkeit im interstellaren Medium bestimmen zu können, muss das stellare Spektrum möglichst glatt sein, d.h. nicht von Absorptionslinien der Sternatmosphäre gestört sein. Aber auch die Menge an interstellarem Gas soll nicht zu gross sein, da sonst die sehr starken H-Linien die D-Linien überlageren. Zwei nahe, unterleuchtkräftige aber heisse Sterne boten ziemlich 'saubere' Spektren für die D Bestimmung (Gölz et al., 1997; Bluhm et al., 1999).

Bild 5: Im Spektrum des Sterns BD +39 3226 sind viele Absorptionslinien zu sehen, die durch das interstellare Gas zwischen uns und dem Stern erzeugt werden. Die Absorptionslinie von Deuterium dokumentiert, dass auch im interstellaren Raum Materie aus dem Urknall vorhanden ist (nach Bluhm et al. 1999).

Die Untersuchungen zeigten, dass die interstellare Säulendichte des D ziemlich genau bestimmt werden konnte, allerdings basiert sie im Vergleich zu den älteren Untersuchungen auf mehreren Absorptionslinien gleichzeitig. Die Häufigkeit liegt im Rahmen früherer Bestimmungen. Es sind daher mit diesem Befund keine weiterreichenden Aussagen zur Kosmologie möglich.

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H2 und H2+ in Sternatmosphären

Ausserhalb der Kreise der Berufsastronomen ist wohl wenig bekannt, dass auch in Sternatmosphären Moleküle vorkommen können. In den Atmosphären kühler Sterne kann man im optischen Spektralbereich z.B. CN und CH nachweisen.

Bei höherem Gasdruck in der Atmosphäre können Wasserstoffatome im Vorbeiflug kurzfristig ein Wasserstoffmolekül bilden. Dieses Molekül ist eine kurzlebige Struktur zweier H Atome, die sich in der Vorbeiflugszeit wie ein H2-Molekül benehmen kann. Auf ähnliche Weise kann sich das Molekül-Ion H2+ bilden. Diese Strukturen werden daher auch 'Quasi-Moleküle' genannt (siehe Seite zu H2). Solche Quasi-Moleküle werden dennoch Absorption im Spektrum erzeugen, insbesondere breite Strukturen in der Nähe der Wasserstoff Lyman-Absorptionslinien.

Breite Absorptionsstrukturen wurden zum ersten Male in Spektren gesehen die mit dem International Ultraviolet Explorer (IUE) gewonnen wurden. Es handelte sich dabei um Spektren Weisser Zwerge und Horizontalaststerne. Die Absorptionstrukturen liegen bei grösseren Wellenlängen als die 1216Å der Lyman-alpha Linie: bei 1400Å für H2+ und bei 1600Å für H2. Die Deutung als Absorption durch Quasi-Moleküle in den Atmosphären der Weissen Zwerge gelang der Gruppe in Kiel (Koester et al. 1985). In Bonn wurden später die IUE Spektren der Horizontalaststerne auf Absorption der Quasi-Moleküle durchgemustert.

Mit dem ORFEUS sind nun auch einige Spektren auf Absorption durch die Quasi-Moleküle bei Ly-beta untersucht worden (Koester et al. 1998). Ziel war es, die Stärke der aus IUE-Messungen bekannten Strukturen mit den Absorptionsstrukturen der Quasi-Moleküle in dem bisher nicht zugänglichen Wellenlängenbereich bei 1060Å (H2+) und 1078Å (H2) zu vergleichen. Abbildung 5 zeigt das Spektrum eines Weißen Zwergs mit den von den Quasi-Molekülen H2+ und H2 hervorgerufenen spektralen Strukturen. Die gute Übereinstimmung mit der Theorie erlaubt nun eindeutig die Quasi-Molekül-Absorption in alle Modelle zur Berechnung der Struktur der Sternatmosphären aufzunehmen.

Bild 6: Spektrum des heißen Weißen Zwergsterns 40 Eri B. In der kompakten Atmosphäre einiger Sterne kann es zwischen Wasserstoffatomen und -Ionen zur kurzfristigen Bildung von den Molekülen H2 und H2+ kommen, sogenannte Quasimoleküle. Dennoch erzeugen sie nachweisbare Absorption. Die mit dem Namen der Verursacher gekennzeichneten Einsenkungen an der langwelligen Seite der Lyman-beta Linie im Spektrum dieses von Kieler Forschern mit ORFEUS vermessenen Weißen Zwerges dokumentieren die Richtigkeit der Quasimolekültheorie (nach Koester et al. 1998). Der rechte Teil des Spektrums (ab 1200Å) wurde mit dem IUE Satelliten gemessen. Die Einsenkung wegen H2 bei 1600Å ist in diesem heißen Weißen Zwerg nur äußerst schwach.

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Emission von hochionisiertem Sauerstoff in symbiotischen Sternen

Die meisten Sterne der Milchstrasse treten in Pärchen - als Doppelsterne - auf. Viele bilden weite Pärchen; die darin enthaltenen Sterne sind zwar gravitativ aneinander gebunden, beeinflüssen sich aber sonst nicht. Manche Pärchen stehen relativ eng beisammen, sodass es auf viele Arten Wechselwirkungen gibt. Insbesondere Doppelsterne von einem Roten Riesen mit einem Weisßen Zwerg haben eine Vielfalt an Wechselwirkungen. Darunter sind die Auswirkungen der gegenseitigen Beleuchtung, Wechselwirkung der ggf. vorhandenen stellaren Winde, oder sogar durch Massenwechselwirkung auftretende Ausbrüche.

Die sogenannten symbiotischen Sterne (Systeme in denen zwei ganz unterschiedliche Sterne zusammenleben) machen ihre Wechselwirkung über das Vorhandensein von aktiven Gasen bemerkbar. Die Teilchen der Gase haben zum Teil hohe Geschwindigkeit und existieren in einer stark von Strahlung ausgeleuchteten Umgebung, wodurch die Atome weit ionisiert und auch elektronisch angeregt werden. Ein aussergewöhnlicher Effekt ist in den Spektren im visuellen Bereich zu sehen, und zwar Emissionsstrukturen bei 6825 und 7028Å, die von der sogenannten Raman-Streuung herrühren. Photonen mit einer gewissen Energie können andere Atome anregen, auch wenn die Energie des Photons grösser ist als die des anzuregenden Zustands. Bei symbiotischen Sterne geschieht dies wohl durch die Emissionslinien bei 1031.9 und 1037.6Å vom hochionisierten Sauerstoff O5+ (in der Spektroskopie meistens mit O VI bezeichnet). Diese Linien sind die mit der höchsten Energie, die man noch im UV (im ORFEUS Spektralbereich) nachweisen kann. Die von der Atmosphäre des einen Sterns abgestrahlten O VI Photonen regen neutralen Wasserstoff in der Umgebung über die Lyman-alpha Absorption an und die Überschuss-Energie der Photonen wird bei 6825 und 7028Å freigesetzt.

Mit ORFEUS wurden einige solcher symbiotischer Sterne gemessen. Mit Hilfe der Vermessung der in den O VI Linien ausgestrahlten Energie konnten Schmid et al. (1999) die auf der Stärke der Linien im Sichtbaren basierenden Vorhersage aus dem Jahr 1989 schlüssig nachweisen.

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Heißes Gas im Halo der Milchstraße

Eine der ganz wesentlichen Untersuchungen die nur im Fern-UV Bereich des Spektrums durchgeführt werden können ist der Nachweis von sehr heißem Gas. Dazu verwendet man die Sauerstoff O VI Absorptionslinien, da die Ionisationsstufe O5+ insbesondere auf Gas mit einer Temperatur um 200 000 Grad hinweist. Niedrigere Ionisationsstufen stellen kühleres Gas dar, höhere Ionisationsstufen sind nicht beobachtbar. Die Absorptionslinien des O VI liegen bei 1031.9 und 1037.6Å.

In der Milchstrasse wurde solches heisses Gas schon 1974 mit dem COPERNICUS Satelliten nachgewiesen. Die relativ große Menge dieses hochionisierten Gases führte zu der Entdeckung einer 'heißen Blase' in der Umgebung der Sonne. Anschliessend wurde postuliert, dass das heiße Gas ggf. aus der Milchstraßenscheibe hinaus in den Halo strömen könnte. Dies bilde eine 'galaktische Fontäne' (siehe z.B. "Das interstellare Medium"). Als dann der IUE gestartet wurde, gelang der Nachweis von C3+ im Halo, unter Verwendung von Sternen der Großen Magellanschen Wolke (siehe z.B. SuW 30, 154 [3/1991]) als Hintergrundsquellen. Es lag also auf der Hand nun mit dem ORFEUS nach O VI zu suchen!

Da gibt es aber ein Problem. Um O VI bei 1032Å nachweisen zu können braucht man Hintergrundsterne die im UV-Bereich sehr hell sind, also heiße Sterne. Normalerweise sind heiße leuchtkräftige Sterne eben junge Sterne und solche gibt es nicht im Halo. Man muss sich daher bei den Messungen an O VI mit unterleuchtkräftigen Sternen zufrieden geben. Alternativ kann man Sterne der Magellanschen Wolken messen, die dann aber nur für diese eine Richtung Aussagen zulassen. Für sonstige Quellen, sowie blaue Quasare, reicht die Empfindlichkeit von ORFEUS nicht aus.

Mit Sternen aus dem Tübinger Programm und unterstützt durch zusätzliche Sterne in der LMC aus dem Gastbeobachterprogramm wurde die Untersuchung schließlich durchgeführt. Die Bearbeitung der Daten erforderte die Überwindung einiger Probleme. Zum Beispiel war zu erwarten, dass die Absorption (wenn vorhanden) ziemlich schwach aber breit ist, sodass sonstige Strukturen im Spektrum die O5+ Absorption maskieren könnten. So gibt es Absorptionslinien von im interstellaren Raum anwesendem H2 und von C+, die die gesuchte Absorption von O5+ überlagern können.

Die gesammelten Daten zeigen, dass die Verteilung des O5+ Gases senkrecht zur Scheibe der Milchstrasse mit einer Exponentialverteilung mit einer Skalenhöhe von 5.5 kpc beschrieben werden kann (Widmann et al. 1998). Im Vergleich mit N4+ und C3+ erstreckt sich das O5+ zu größerer Höhe. Damit stehen diese Befunde mit dem ursprünglichen von Spitzer 1956 vorgeschlagenen Fontänen-Modell wohl im Einklang.

Bild 7: Gas der Scheibe der Milchstrasse wird durch Supernova Explosionen erhitzt und steigt in den Halo hoch. Dort kült es und fällt als Hochgeschwindigkeitswolken wieder auf die Scheibe zu. Dieser Kreislauf wird auch galaktische Fontäne genannt.

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H2 in Halo-Hochgeschwindigkeitswolken

Das aus der Milchstrasse ausströmende heiße Gas (siehe oben) initiiert einen Kreislauf, die galaktische Fontäne. Im Halo wird solches Gas bei Fehlen entsprechender Energiezufuhr allmählich abkühlen, rekombinieren und als neutrales Gas auf die Scheibe zurückfallen (siehe z.B. SuW 30, 154 [3/1991]). Solche Wolken werden seit den 60er Jahren als Hochgeschwindigkeitswolken (high velocity clouds, HVCs) in der Wasserstoff-21cm-Emissionslinie gemessen. Aus diesem Modell geht hervor, dass HVCs aus herunterkühlendem, vorher ionisiertem Gas gebildet werden und dass die Anwesenheit von Molekülen wohl sehr unwahrscheinlich ist. Andererseits gibt es immer wieder Meldungen über die Existenz junger Sterne im Halo. Danach müssten sich im Halogas Sterne bilden können und dabei, so ist die Lehrmeinung, sind grosse Mengen an H2 notwendige Voraussetzung.

Um nun H2 in HVCs nachweisen zu können braucht man Sterne hinter solchen Wolken. Da boten sich die Sterne in der Großen Magellanschen Wolke an (siehe unten), da eben in deren Vordergrund solche HVCs existieren. Bei genauer Inspektion der ORFEUS Spektren der LMC-Sterne zeigte sich ganz schwach aber eindeutig Absorption durch H2! Und zwar H2 in einem Anregungszustand, der auf starke Durchleuchtung der Wolke mit UV-Strahlung hinweist (Richter et al. 1999b). Das passt genau zu dem Fontänen-Modell: neutrales, kühleres Gas, das sich auf die leuchtende Scheibe hinbewegt. Dabei könnte es gut sein, dass der Sehstrahl nur durch den Rand der HVC geht, so wie in Abb 6 dargestellt. Auch die Wolken mit Zwischengeschwindigkeit (IVCs) zeigen Absoprtionslinien von H2 (Gringel et al. 2000, Bluhm et al. 2001).

Bild 8: Die Scheibe der Milchstraße ist in einem mit relativ dünnen Gas gefüllten Halo eingebettet. In diesem Halo werden Verdichtungen oder Wolken von neutralem Gas gefunden. Lang wurde darüber spekuliert, ob solche Wolken auch Moleküle enthalten. Mit ORFEUS gelang nun der Nachweis kleiner Mengen H2 in einer solchen von der Scheibe angeleuchteten Hochgeschwindigkeitswolke (Richter et al. 1999b). Der Hintergrundstern, in dessen ORFEUS-Spektrum die H2-Absorption entdeckt wurde, befindet sich in der Großen Magellanschen Wolke.

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Molekulares Gas in den Magellanschen Wolken

Ganz spannend war die Frage, ob in den Spektren der Sterne der Grossen Magellanschen Wolke (LMC) und der Kleinen Magellanschen Wolke (SMC) H2 Absorption im Gas dieser Galaxien gefunden werden könnte. ORFEUS würde dies zum ersten Male ermöglichen. Der COPERNICUS Satellit aus den Jahren 1972-1981 hatte dafür eine zu geringe Empfindlichkeit.

Als erstes wurde man im Spektrum des Sterns HD 269546 fündig, worüber vorläufig auf einer Tagung berichtet wurde (Widmann et al., 1997), dann aber im Spektrum des Sterns 3120 in der Assoziation LH 10 (de Boer et al., 1998). Letzteres Spektrum war zwar nur mäßig belichtet, aber H2 wurde eindeutig in den verschiedenen Anregungszustanden gefunden. Das H2-Gas erwies sich als ähnlich zu dem der Milchstraße, allerdings mit einem kleinen H2 zu H Mengenverhältnis. Das Gas war sehr kalt (siehe dazu auch SuW 36, 34 [1/1997]), kälter als es je mit dem COPERNICUS in der Milchstrasse gefunden wurde.

Im Spektrum des SMC Sterns, HD 5980, musste länger gesucht werden. Anfänglich wurde kein H2 gesehen, bis einige der Absorptionslinien von normalerweise kaum vertretenem hochangeregtem H2 untersucht wurden (Richter et al. 1998). Diese Niveaus waren eindeutig nachweisbar, was auch hier auf eine starke Durchleuchtung des Gases mit UV-Photonen hinweist (siehe Seite zu H2 für die Physik der Anregung). Die Bedingungen im detektierten Gas werden deutlich, wenn man die Mengen des H2 in jeder Anregungsstufe als Verteilung gegen ihre Anregungsenergie darstellt. Die unteren Anregungsstufen deuten auf Gas in Richtung HD 5980 hin, welches eine sehr niedrigen Temperatur besitzt, ähnlich wie das Gas in der LMC. Die hochangeregten Stufen lassen auf ein starkes Strahlungsfeld schließen, vermutlich von der nahe gelegenen jungen Sterngruppe NGC 346. Auch hier ein Rekord, da eine derart hohe Anregung der höheren Rotationsniveaus auch noch nie gesehen wurde.

Bild 9: Die Wasserstoffmoleküle vor dem SMC Stern HD 5980 sind ebenfalls in angeregten Zuständen detektiert worden. Für Stöße konnte in Wolke A eine sehr niedrige Anregungstemperatur festgestellt werden. Die Photonen bewirken in Wolke B den höchsten je gemessen Anregungsgrad. (Bild nach Richter et al. 1998)

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Das Mengenverhältnis von H2 und CO in der LMC

Auch das Molekül CO kann mit Hilfe der ORFEUS Spektren nachgewiesen werden. CO ist von großer Bedeutung in der Astronomie. Es ist das zweithäufigste Molekül im interstellaren Gas. Dazu kommt dass es im Radiobereich Emission freisetzen kann und dort relativ einfach detektierbar ist. Die Studie der Moleküle des interstellaren Raumes basiert eben vorwiegend auf Radiomessungen. Und in den großen und kalten Molekülwolken ist das häufigste Element H zum größten Teil in molekularer Form vorhanden. Dennoch, H2 hat keine Möglichkeit Radiostrahlung freizusetzen, und ist daher nur schwer nachweisbar. Das Häufigkeitsverhältniss von H2 zu CO zu bestimmen ist daher von großer Bedeutung, da man dann aus der Menge des im Radio detektierten CO die H2-Menge abschätzen kann.

Es gibt verschiedene ganz unterschiedliche Methoden das H2/CO Verhältnis zu bestimmen, leider aber ohne einheitliches Resultat. Eine Methode geht davon aus, dass die im CO beobachteten Wolken virialisiert sind: Aus der gemessenen Menge an CO und der Wolkenmasse - bestimmt aus der Geschwindigkeitsstreuung - leitet man das Verhältniss H2/CO ab. Eine andere Methode benutzt die Fern-Infrarot-Emission des in der Wolke vorhandenen Staubs: Die Staubemission, so nimmt man an, sei proportional zu der Gesamtmasse der Molekülwolke. Und fast aller Wasserstoff (das die Masse bestimmende Element) ist in Form von H2 vorhanden. Mit der aus Radioemission abgeleiteten CO Menge lässt sich dann das H2/CO Verhältnis ableiten.

Bevor man so eine Bestimmung aus Beobachtungsdaten wirklich benutzen kann muss man wissen, wie sich H2 und CO bilden und welche Faktoren das Verhältnis beeinflussen können. Die Bildungsrate von H2 in der Gasphase ist sehr niedrig, da die bei einer Assoziation freiwerdende Energie nicht vom H2 abgestrahlt werden kann. Die Bildung von H2 ist aber nur mit den in den interstellaren Wolken vorhandenen Staubteilchen möglich. (siehe z.B. SuW 34, 180 [3/1995]). Wenn H-Atome sich auf Staub ablagern und sich nach geringfügigem Wandern über die Stauboberfläche begegnen, kann eine bleibende Assoziation erfolgen, da ein Grossteil der freiwerdenden Energie vom Staub aufgenommen werden kann. Das CO kann eigentlich nur in Begegnungen mit verschiedenen vorhandenen Molekülen zustande kommen. Und die "Mutter" aller Moleküle ist eben das H2, da ohne H2 kaum weiterführende molekülbildende Reaktionen im interstellaren Raum ablaufen.

Wenn nun aus irgend einem Grund die Staubmenge intrinsisch gering wäre, würde man daher auch weniger H2 erwarten. Diese Situation wird in den Magellanschen Wolken vermutet, die bekanntlich eine geringere Häufigkeit an schweren Elementen aufweisen und daher auch weniger Staub enthalten. So stellte sich die Frage, ob die Häufigkeiten von H2 und CO in den Magellanschen Wolken vielleicht von denen in der Milchstrasse abweichen.

Mit ORFEUS ist eine erste Bestimmung des H2/CO-Verhältnis in der Grossen Magellanschen Wolke gelungen (Richter et al 1999a) - nun ja, eine Untergrenze wurde bestimmt. Daraus, und aus der Bestimmung der Menge an H auf dem gleichen Sehstrahl, geht hervor, dass das H2/CO Verhältnis in der LMC und in der Milchstrasse ähnlich ist, dass aber die Gesamtmenge der Moleküle dort geringer ist als bei uns. Der erwartete Unterschied der Molekülmengen in Galaxis und Magellanscher Wolke wurde dadurch bestätigt.

Nachdem noch mehr Daten genauer untersucht wurden, konnte auch auf anderen Sehstrahlen zu LMC-Sternen CO nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde das Molekül HD entdeckt (Bluhm und de Boer 2001).

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Missionsende

An deutschen und amerikanischen astronomischen Instituten wurde an der Auswertung des umfangreichen Datenmaterials gearbeitet, die die ORFEUS II Mission lieferte. Nach den vier erfolgreichen ASTRO-SPAS Missionen (neben den zwei ORFEUS Flügen wurden zwei Missionen mit dem CRISTA-Instrument der Gesamthochschule Wuppertal zur Erkundung der mittleren Erdatmosphäre durchgeführt) war das Ende dieses so überaus erfolgreichen Raumfahrt-Programms gekommen. Die ORFEUS-Daten wurden bei der NASA archiviert. Der ASTRO-SPAS-Satellit steht nun im Deutschen Museum in München.

Der FUSE Satellit

Der "Far Ultraviolet Spectroscopic Explorer" hat seit 1999 sehr viele und sehr schöne Spektren geliefert. Zu allen oben aufgeführten Themen hat auch FUSE beigetragen, insbesondere aber an der Untersuchung des Gas des Halos. Dies gelang wegen der höheren Empfindlichkeit (größeres Teleskop) und der viel längeren Missionsdauer als sie ORFEUS hatte.

Für Resultate dieser Mission sei auf die Homepage des amerikanisch-französichen FUSE-Projekts hingewiesen. Aber auch hier haben deutsche Astronomen sich mit Gastbeobachterprogramme sehr erfolgreich beteiligt.

Dank und Literatur

Danksagung: Grosser Dank gilt der DARA (heute DLR) und der NASA für die Unterstützung des ORFEUS Projekts. Ohne den grossen Einsatz der Mitglieder des ORFEUS-Teams in Tübingen und Heidelberg, die für die Beobachtungen und für die Reduktion der Rohdaten verantwortlich waren, wären die hier dargestellte Ergebnisse nicht zustande gekommen. Die Erforschungen in Bonn wurden vom DLR Zentrum und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Wir bedanken uns bei Hartmut Bluhm, Ole Marggraf, und Philipp Richter für die Bereitstellung verschiedener Diagramme.

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Literatur

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Gringel W., Barnstedt J., de Boer K.S., Grewing M., Kappelmann N., Richter P., 2000, Astron. & Astrophys. 358, L 37
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Schmid H.M., Krautter J., Appenzeller I., et al., 1999, Astron. & Astrophys., 348, 950
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Widmann H., de Boer K.S., Richter P., Krämer G., et al., 1998, Astron. & Astrophys. 338, L 1


In Memoriam Dr. Gerhard Krämer, Tübingen

Das ORFEUS Echelle-Projekt wurde 1984 gestartet. Dr. Gerhard Krämer war der Erfinder des Namens ORFEUS. Mit seinem Einsatz und seiner Motivation war er bis zuletzt die treibende Kraft des Projekts. Er starb im November 1998 im Wissen um die wissenschaftlichen Erfolge der Mission.


Anschrift der Autoren

Prof. Dr. K.S. de Boer [deboerspam prevention@astro.uni-bonn.de]
Sternwarte, Universität Bonn, Auf dem Hügel 71, 53121 Bonn

Dr. N. Kappelmann [kappelmannspam prevention@astro.uni-tuebingen.de]
Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen, Sand 1, 72076 Tübingen