Uni-Tübingen

Teilprojekt E04: Nach dem Börsencrash 1720 – Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis in Paris und London

Abstract

Teilprojekt E04 untersucht ausgehend von den Auswirkungen des Börsencrashs von 1720 in London und Paris das Wechselspiel von Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis. Der Verlust des Vertrauens in die kreditbasierte Wirtschaftsordnung durch die abstürzenden Aktienkurse bildet den Ausgangspunkt. Im Zentrum der Arbeiten steht der Umgang mit dem Verlust des Vertrauens und seiner Wiederherstellung im re-ordering-Prozess vor dem Hintergrund urbaner ‚Anwesenheitsgesellschaften‘. Neben wirtschaftlichen und politischen sollen hierbei auch besonders kulturelle Praktiken der Vertrauenswiederherstellung beachtet werden.

Projektteam

Projektleitung:

Prof. Dr. Renate Dürr

Dr. Daniel Menning

Mitarbeiter/innen:

Marlene Keßler

Rafael Streib

Hilfskräfte

Hannah Staudenmayer

Fachgebiete und Arbeitsrichtung

Neuere Geschichte

Projektbeschreibung

Im Vorfeld der beiden zu untersuchenden Blasen hatten die Regierungen in Frankreich und Großbritannien Besitzer von Staatsanleihen ermutigt, diese in liquidere, aber mit größerem Risiko behaftete Aktien von Handelsgesellschaften, der Mississippi- bzw. der Südseekompanie, umzuwandeln. Es gelang ihnen, eine Euphorie zu entfachen, die die Aktienpreise bis zum Dreißigfachen des Nennwertes steigen ließ. Mit einem zeitlichen Abstand von wenigen Monaten kam es im Laufe des Jahres 1720 in beiden Ländern zum Crash mit rasanten Kurseinbrüchen. In der Forschung besteht Uneinigkeit über die tatsächlichen Auslöser des Einbruchs. Ermöglicht wurde das Entstehen der Spekulationsblasen nur durch das Vertrauen der einzelnen Anleger in die positive Kursentwicklung.
Insbesondere zahllose kleine Anleger, die bis jetzt in der Forschung nur unzureichend Berücksichtigung gefunden haben, beeinflussten durch ihre Aktienkäufe und –Verkäufe die Kursentwicklung mit. Für ihr Handeln war das Vertrauen in ihre Geschäftspartner und in die ‚große Politik‘ zentral, sodass die Kurseinbrüche von ihnen immer auch als Vertrauensbrüche empfunden wurden.

Mit der Mississippiblase in Paris und der Südseeblase in London 1720 untersucht das Teilprojekt E04 die beiden ersten internationalen Aktienspekulationsblasen. Dabei rückt es das lokale Geschehen in den beiden frühneuzeitlichen Metropolen in den Fokus und fragt nach dem Wechselspiel von Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraktiken, das sich angesichts des Scheiterns der Finanzordnung entfaltete. Das Teilprojekt geht dabei von der Annahme aus, dass das Handeln der Akteure von den Strukturen einer Anwesenheitsgesellschaft geprägt war, innerhalb derer dem sozialen Kapital des Einzelnen große Bedeutung zukam. Welche Folgen hatte dieser hohe Stellenwert des personalen Vertrauens für den Umgang der Akteure mit dem Vertrauensverlust und wie fielen demgegenüber die Versuche aus, Vertrauen wiederherzustellen, sei es in wirtschaftlicher, politischer oder kultureller Hinsicht? Diese Frage steht im Zentrum des Teilprojektes.

Projektbezogene Vorträge und Publikationen

  • Daniel Menning/Stefano Condorelli: Wirtschaftspolitik in Zeiten der europäischen Börseneuphorie. Die Gründung der Leyh- und Commercien-Compagnie und die Reform der Tuchproduktion in Hessen-Kassel 1721. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 68 (2018), S. 99-114.
  • Marlene Keßler, Kristin Lee, Daniel Menning (Hgg.): The European Canton Trade 1723. Competition and Cooperation. München 2016.
  • Daniel Menning/Stefano Condorelli: Wirtschaftspolitik in Zeiten der europäischen Börseneuphorie. Die Gründung der Leyh- und Commercien-Compagnie und die Reform der Tuchproduktion in Hessen-Kassel 1721. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte (zur Begutachtung eingereicht).

Vorträge Renate Dürr

  • 07./08.04.2016 – Kommentatorin/Leitung der Abschlussdiskussion Workshop „Nach dem Crash“, Universität Tübingen.
  • 11.-13.04.2018 – Einführung/Panelleitung Internationale Konferenz: Boom, bust, and beyond. Tübingen.  

 

Vorträge Daniel Menning

  • 4.8.2015 – Economic Re-Ordering after the South Sea Bubble: The East India Company 1720-1723, World Economic History Conference Kyoto
  • 16.6.2016 – Börsenkrise und koloniale Ökonomie Pennsylvania und die South Sea Bubble 1720-1723, Kolloquium Göttingen
  • 28.9.2016 – Start-ups or Frauds of the Stock Exchange? Company Promotion during the South Sea Bubble, Kolloquium Weber State University, Ogden/Utah
  • 9.11.2016 – A Possibility for Another Revolution? European Ambassadors Reporting from London during the Crash of the South Sea Bubble 1720, North American Conference on British Studies, Washington D.C.
  • 07./08.04.2016 – Eröffnungsvortrag/Kommentator Workshop „Nach dem Crash“, Universität Tübingen.
  • 30.11.2017 – Launching Joint-Stock Companies During the South Sea Bubble 1720. Politics, Economy and Speculation Across Europe. Vortrag im Kolloquium des Business History Department, University of Glasgow.
  • 11.-13.04.2018 – Einführung/Panelleitung Internationale Konferenz: Boom, bust, and beyond. Tübingen.  
  • 12.04.2018 – Chartering Companies. Governments and the Waves of Speculation during the Bubble Years 1719 to 1721. Internationale Konferenz: Boom, bust, and beyond. Tübingen.  
  • 27.11.2018 – Politik, Ökonomie, Aktienspekulation. South Sea Bubble und Co. 1720. Vortrag im Kolloquium für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Prof. Plumpe). Frankfurt.
  • 04.12.2018 – Lokale Börsencrashs mit globalen Folgen: Die europäische Spekulatonskrise 1720. Vortrag im Kolloquium des Fachbereichs Geschichte. Hagen.

 

Vorträge Marlene Keßler

  • 12.02.2016 – „Vom Kutscher zum Millionär? Zur Aussagekraft der Anekdoten um das Système de Law“. Vortrag am Doktorandentag Neuere Geschichte (Prof. Dürr/Prof. Frie), Universität Tübingen.
  • 07.04.2016 – „‘Celui qui se hâte de s’enrichir, ne sera pas innocent‘ – Die Wahrnehmung der Börsenspekulanten in Paris 1720“. Vortrag beim Workshop „Nach dem Crash“, Universität Tübingen.
  • 21.06.2016 – „‘Mr Law nous fait esperer de grands changements dans le royaume‘– Höhepunkt und Zusammenbruch des Système de Law aus Akteursperspektive“. Vortrag bei der Sommeruniversität „Kulturen und Wissen der Ökonomie (18.-20. Jh.)“, Deutsches Historisches Institut Paris.
  • 15.2.2017 – „Nach dem Börsencrash 1720. Überlegungen zu Vertrauen und Schuldsuche bei der Pariser Mississippi- und der Londoner Südseeblase“. Vortrag zus. mit Rafael Streib beim Doktoranden-Workshop des SFB 923 mit dem SFB/TRR 138 „Dynamiken der Sicherheit“, Universität Marburg.
  • 17.2.2017 - „‘Un negoce si bisare me fait trembler‘ – Überlegungen zur Mississippiblase 1719/20 anhand eines Fallbeispieles.“ Vortrag am Doktorandentag Neuere Geschichte (Prof. Dürr/Prof. Frie), Universität Tübingen.
  • 11.7.2017 – „Nach dem Crash – Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis in Paris 1719/20“. Vortrag im Kolloquium Frühe Neuzeit (Prof. Pečar), Universität Halle.
  • 11.04.2018 – Networks, conflicts, hopes and doubts. A small fry-perspective on
  • 1719/20 share speculation in Paris. Internationale Konferenz: Boom, bust, and beyond, Tübingen.
  • 8.6.2018 – Between Hope, Conflicts and Despair. An Investors’ Perspective on Speculating in the “Mississippi Bubble”. Money, Power and Print: An Interdisciplinary Colloquium on the Financial Revolution, Siegen.
  • 15.06.2018 – "Venir à bout du krach boursier – les expériences des actionnaires dans le Paris de 1719/20", Escuela temática : Estudiar los actores económicos, debates y enfoques. Universidad Internacional Menéndez Pelayo, Sevilla.
  • 10.01.2019 – Bewältigung von Unsicherheit und Entscheidungshandeln von Aktionären während der Mississippiblase 1719/20. Tagung: VerUnSicherungen - Erfahrungen, Mechanismen, Prognosen. Universität Hagen.

 

 

Vorträge Rafael Streib

  • 12.02.2016 – „Debts and Death. Selbstmörder in Folge der South Sea Bubble 1720“. Vortrag am Doktorandentag Neuere Geschichte (Prof. Dürr/Prof. Frie), Universität Tübingen.
  • 07.04.2016 – „Räume der South Sea Bubble (1720)“. Vortrag beim Workshop „Nach dem Crash“, Universität Tübingen.
  • 22.06.2016 – „Räume der South Sea Bubble 1720. Die Auswirkungen einer Finanzmarktkrise aus dem Blickwinkel der Raumforschung“, Vortrag bei der Sommeruniversität „Kulturen und Wissen der Ökonomie (18.-20. Jh.)“, Deutsches Historisches Institut Paris.
  • 15.2.2017 – „Nach dem Börsencrash 1720. Überlegungen zu Vertrauen und Schuldsuche bei der Pariser Mississippi- und der Londoner Südseeblase“. Vortrag zus. mit Marlene Keßler beim Doktoranden-Workshop des SFB 923 mit dem SFB/TRR 138 „Dynamiken der Sicherheit“, Universität Marburg.
  • 17.2.2017 – „Geschlecht und Raum während der South Sea Bubble“. Vortrag am Doktorandentag Neuere Geschichte (Prof. Dürr/Prof. Frie), Universität Tübingen.
  • 08.06.2018 – „The role of imaginary space during the South-Sea-Bubble“, Konferenz: "Money, Power and Print", Universität Siegen.
  • 29.06.2018 - "Vertrauensbruch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive", Workshop zu Operationalisierung und Messung von Vertrauen, Universität Tübingen.
  • 11.09.2018 - "Knowledge as a Resource for Trading", Konferenz: Indigenous Knowledge as a Resource?, Universität Tübingen.
  • 12.04.2018 - "Be Part of the Bubble", Tagung: Boom, Bust, and Beyond: New Perspectives on the 1719-20 Stock Euphoria, Universität Tübingen.

 

Tagungen, Workshops, Konferenzen

  • 07.-09.04.2016: Workshop “Nach dem Crash - Akteure und ihr Umgang mit Börsenblasen (17.-19. Jahrhundert)“
  • 11.-13.04.2018: Internationale Konferenz: Boom, bust, and beyond „Newly     interpreting the South Sea and Mississippi Bubble, rediscovering the other stock     market bubbles of 1719/20”

Presseberichte

  • Mai 2016, attempto!: „Dem Krisenmodus auf der Spur/Underständing Threats to Civic Order“; Artikel über die Arbeit des SFB.
  • 23.03.2016, Kontext:Wochenzeitung (taz, die Tageszeitung): „Bedrohte Ordnungen“, Artikel über die Arbeit des SFB