Pressemitteilungen
15.05.2024
Eisen-Schwefel-Minerale zeugen vom frühesten Leben auf der Erde
Kugelförmiger Pyrit aus heißen Quellen der Tiefsee führt Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Göttingen auf die Spur mikrobiellen Lebens vor mehreren Milliarden Jahren.
Bestimmte Minerale mit charakteristischen Formen könnten auf die Aktivität von Bakterien in heißen Quellen der Tiefsee vor mehreren Milliarden Jahren hinweisen. Sie tragen entscheidend zum Verständnis der Entstehung des Lebens bei. Das hat die Studie eines Forschungsteams um Eric Runge und Professor Jan-Peter Duda, die mittlerweile an der Universität Göttingen tätig sind, sowie Professor Andreas Kappler und Dr. Muammar Mansor aus der Geomikrobiologie der Universität Tübingen ergeben. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Geologischen Berichten zufolge gibt es heiße Quellen auf unserem Planeten seit mindestens 3,77 Milliarden Jahren. Ähnliche Systeme werden auch auf anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems vermutet, auf denen Leben existieren könnte. Aufgrund der extrem dynamischen physikalischen und chemischen Bedingungen gelten solche Systeme als möglicher Entstehungsort der ersten organischen Stoffe auf der Erde – und auch der ersten Lebewesen.
Die Evolution zurückverfolgen
„Um zu verstehen, wie das Leben entstanden ist, wollen wir die Evolution von Mikroorganismen über Jahrmilliarden zurückverfolgen. Dazu suchen wir in den ältesten Gesteinen der Erde nach Spuren von Leben, sogenannten Biosignaturen“, erklärt Eric Runge, der an der Universität Tübingen in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Emmy Noether-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Jan-Peter Duda geforscht hat, bevor beide an die Universität Göttingen wechselten. Allerdings ließe sich nicht immer eindeutig klären, so Runge, ob Minerale in Gesteinen durch Einwirkung von Lebewesen wie Mikroorganismen entstanden sind oder allein durch chemische und physikalische Prozesse. „Wir schärfen unser Suchbild für Biosignaturen und verstehen immer besser, wie sich biologisch entstandene Gesteine über lange geologische Zeiträume verändern“, sagt er.
Eine besonders verheißungsvolle Biosignatur ist das in heißen Quellen der Tiefsee vorkommende Eisen-Schwefel-Mineral Pyrit – besser bekannt als Katzengold. Pyrit kann entweder direkt gebildet werden, oder aber sekundär aus dem Mineral Magnetit, wenn dieses mit dort vorkommenden schwefelreichen Fluiden reagiert. Entscheidend ist, dass es dabei in verschiedenen Formen auftritt. „In unseren Analysen erwies sich Pyrit in charakteristischer Kugelform als besonders interessant, die Struktur ähnelt der einer Himbeere“, berichtet Andreas Kappler. „In dieser Form entstand er nur, wenn der Ausgangsstoff Magnetit durch Eisen reduzierende Bakterien gebildet worden war.“
Im Experiment nachgestellt
Unter Luftabschluss können bestimmte Bakterien wachsen und Energie gewinnen, indem sie die Elektronen aus ihrer Nahrung nicht – wie Mensch und Tier – auf Sauerstoff übertragen, sondern auf oxidiertes Eisen. Dieses wird dabei reduziert, und es kann Magnetit entstehen; ein Prozess, der an heutigen heißen Quellen der Tiefsee weit verbreitet ist. Im Experiment hat das Forschungsteam nun nachgestellt, wie Magnetit mit den schwefelreichen Fluiden der heißen Quellen chemisch reagiert. Hierzu setzte es parallel nicht biologisch entstandenen Magnetit und biologisch in Bakterienkulturen gebildeten Magnetit Bedingungen aus, wie sie in den extremen Lebensräumen heutiger Magnetit bildender Bakterien um heiße Quellen herrschen.
„Wir beobachteten, dass sowohl der nicht-biologische als auch der biologische Magnetit innerhalb von Stunden weitgehend aufgelöst wurden. Unsere Untersuchungen am Rasterelektronenmikroskop, die in der Tübingen Structural Microscopy Core Facility (TSM) durchgeführt wurden, zeigten jedoch, dass sich die Kristallformen der Umwandlungsprodukte nach einigen Wochen deutlich unterschieden“, berichtet Runge. „Während sich in den Experimenten mit nicht-biologischem Magnetit verzweigte, ‚tannenbaumförmige‘ Pyritkristalle bildeten, war der Pyrit in den Experimenten mit biologischem Magnetit eher kugelförmig.“ Solche kugelförmigen Pyrite können als fossiler Nachweis für frühes bakterielles Leben dienen, fasst Kappler zusammen, „insbesondere in den ältesten, durch heiße Quellen gebildeten Gesteinen auf unserem Planeten.“
„Die Erforschung von Biosignaturen ist aber nicht nur relevant, um die Geschichte des Lebens auf der Erde zu entschlüsseln“ sagt Jan-Peter Duda. „Heiße Quellen, ähnlich denen in unserer Tiefsee, könnten zum Beispiel auch auf dem Saturnmond Enceladus vorkommen. Sollte es dort Leben geben, handelt es sich höchstwahrscheinlich um Mikroorganismen. Studien wie unsere liefern die Grundlagen, um deren Spuren zu erkennen.“
‘Schwarze Raucher‘, heiße Quellen in der Tiefsee, stoßen vulkanisch erhitzte Fluide aus, die reich an gelösten Metallen und Schwefel sind. Diese Umgebungen sind Oasen mikrobieller Aktivität in der Tiefsee.
Bei den Feldstudien an Schwarzen Rauchern kommen Tauchroboter in bis zu 3000 Meter Wassertiefe zum Einsatz, welche mit umfangreicher Sensorik ausgestattet sind und Proben der Fluide und Gesteine bergen.
Publikation:
Eric Runge, Muammar Mansor, Tsz Ho Chiu, Jeremiah Shuster, Stefan Fischer, Andreas Kappler & Jan-Peter Duda: Hydrothermal sulfidation of biogenic magnetite produces framboid-like pyrite. Communications Earth & Environment, https://doi.org/10.1038/s43247-024-01400-z
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Kappler
Universität Tübingen
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften – Geomikrobiologie
Telefon +49 7071 29-74992
andreas.kapplerspam prevention@uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Jan-Peter Duda
Universität Göttingen
Geowissenschaftliches Zentrum – Abt. Geobiologie
Telefon +49 551 39 27922
jan-peter.dudaspam prevention@uni-goettingen.de
Eric Runge
Universität Göttingen
Geowissenschaftliches Zentrum – Abt. Geobiologie
eric.runge1spam prevention@uni-goettingen.de
Pressekontakt:
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Oliver Häußler
Kommissarische Leitung
Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardtspam prevention@uni-tuebingen.de
Alle Pressemitteilungen der Universität Tübingen