Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

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02.09.2019

Mehr Risikoteilung in der Eurozone? – Zukunft der Europäischen Währungsunion

Europa, Brexit, Europawahl und die Europäische Währungsunion – Themen die zunehmend in den Medien und der Öffentlichkeit diskutiert werden. So ist es nur folgerichtig, dass spezielle Themen wissenschaftlich erforscht werden. So die Risikoteilung in der Eurozone, ein neuer Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl Geld und Währung von Professor Gernot Müller. Die zukünftige Ausgestaltung der Europäischen Währungsunion wird interdisziplinär von Ökonomen und Juristen diskutiert, so auch auf einem Kongress 2019 in Berlin. Welche Formen der länderübergreifenden Teilung wirtschaftlicher Risiken sind denkbar? Wie könnte deren rechtliche und institutionelle Ausgestaltung aussehen? Wie können die juristische, die ökonomische und die politische Perspektive miteinander in Einklang gebracht werden?

Europäische Währungsunion – ehrgeiziges Projekt, das Risiken birgt

Udo Di Fabio, Universität Bonn und ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, legte seine Gedanken zur Risikoteilung in der Eurozone aus rechtlicher Perspektive dar. Er wies vor allem auf die Grundidee der Europäischen Union hin, eine Wettbewerbsunion für Staaten zu errichten und durch die geschaffenen Grundfreiheiten den Protektionismus unter Staaten zu verhindern. Er betonte jedoch, dass es sich um ein ehrgeiziges Projekt handele, das Risiken mit sich bringe. Auch wenn einige Mechanismen, wie zum Beispiel die No-bail-out-Klausel die Risikoteilung beschränken, wurden nach der Staatsschuldenkrise Reformen auf den Weg gebracht, die die Risikoteilung verbessern, wie der Stabilitätsmechanismus. Er thematisierte auch den viel diskutierten Vorschlag eines gemeinsamen europäischen Budgets, der allerdings eine Änderung des Primärrechts erfordern würde. Abschließend stellte er fest, dass keine rechtlichen Probleme entstehen, sofern Ausgaben- und Einnahmenentscheidungen auf die supranationale Ebene verlagert werden. Wesentlich problematischer dagegen sei aus rechtlicher Sicht, wenn Staaten einander unmittelbar Hilfe leisten.

Vorschläge zur Verbesserung der Risikoteilung in der Eurozone

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, legte die ökonomische Sichtweise dar. Er stellte fest, dass die Eurozone nicht gleich gut für alle Mitgliedstaaten funktioniere. Daher, berichtete er, haben sich einige deutsche und französische Ökonomen zusammengeschlossen und gemeinsam Vorschläge für eine besser funktionierende Eurozone erarbeitet, mit dem Ziel, mehr Wohlstand und Stabilität zu schaffen. Diese betreffen allesamt auch die Risikoteilung. Fratzscher betonte, dass Mechanismen zur Risikoteilung grundsätzlich von Transferzahlungen zu unterscheiden seien. Konkret brachte er sieben Vorschläge, um die Risikoteilung zu verbessern: Schaffung einer Banken- und Kapitalmarktunion, ein Insolvenzregime für Staaten, eine Fiskalregel, ein gemeinsames Eurozonenbudget für den Versicherungsfall sowie den (bereits bestehenden) ESM und die EZB.

Ein gemeinsames Budget für eine starke Eurozone

In der Podiumsdiskussion, moderiert von Michael Burda von der FU Berlin, ging es vor allem um die Frage, wie man die Europäische Währungsunion besonders mit Blick auf eine Versicherungsunion vertraglich fair, aber auch anreizverträglich gestalten könne. Es wurde diskutiert, wie man mit den dadurch entstehenden Kosten umgehen solle. Dabei wurde deutlich, dass ein gemeinsames europäisches Budget beziehungsweise Steuern eine wichtige Rolle spielen können. Am Ende waren sich alle Beteiligten einig: Das europäische Projekt wird zu wenig wertgeschätzt und solle – aller Bedenken zum Trotz – weiter vorangebracht werden.

Professor Gernot Müller, Susanne Wellmann

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