Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2020: Alumni Tübingen

So interessant ein Beruf auch sein mag – der Berufsalltag besteht immer sowohl aus Pflicht wie aus Kür

Interview mit Alumnus Stefan Krawielicki, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Neuseeland

In Luxemburg geboren und aufgewachsen, legte Stefan Krawielicki 1974 das Europäische Abitur an der Europäischen Schule in Luxemburg ab. Anschließend studierte er in Tübingen Rechtswissenschaften. Nach dem Referendariat in Lübeck und einer kurzzeitigen Tätigkeit als Rechtsanwalt in Paris trat Krawielicki 1987 in den Diplomatischen Dienst ein. Es folgten Stationen unter anderem an den Botschaften in Lissabon, Riad, Paris und Wien. Von 2016 bis 2019 war er Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei der UNESCO in Paris, seit August 2019 ist er deutscher Botschafter in Neuseeland. Maximilian von Platen hat Stefan Krawielicki für Uni Tübingen aktuell interviewt.

Sie sind in Luxemburg geboren und aufgewachsen. Wie sind Sie zum Jura-Studium nach Tübingen gekommen?

Ich hatte damals noch keine rechte Vorstellung von meinem späteren Berufsweg und wollte mir daher mit Jura viele Optionen offenhalten. Tübingen ist etwa so groß wie Luxemburg und nicht zu weit weg von zu Hause, deswegen erschien es mir als Studienort geeignet.

Hatten Sie schon zu Beginn Ihres Studiums den Plan, eine Laufbahn im Diplomatischen Dienst einzuschlagen oder hat sich das erst später ergeben?

Das kam ganz unerwartet während der Wahlstation meines juristischen Referendariats bei einem thailändischen Rechtsanwalt in Bangkok. Dort bekam ich Kontakt zur deutschen Botschaft und konnte an einigen Veranstaltungen der Botschaft teilnehmen. Auf einmal wußte ich: Das sollte es sein!

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem Studium haben Ihnen in Ihrem Berufsleben besonders genutzt?

Nützlich waren beispielsweise das von Juristen verinnerlichte strukturierte Herangehen an Sachverhalte, die reflexartige Trennung von wesentlich und unwesentlich/unerheblich, bestimmte rechtliche Herangehensweisen und Metaphern wie die Beachtung des „Empfängerhorizonts“ oder die „Abwägung des Fehlentscheidungsrisikos“ und vieles andere mehr. Konkrete Kenntnisse aus meinem Studium, etwa aus dem Verfassungsrecht, habe ich eher selten genutzt.

Wie sieht der Alltag eines Botschafters aus?

Genau so wie ich es haben wollte: Der Kernjurisprudenz entflohen und nicht an immer demselben Ort mit immer den gleichen Sachverhalten befasst. Als Botschafter bin ich für die Pflege der Beziehungen zum Gastland in allen Bereichen der Politik, Wirtschaft und Kultur zuständig, lerne die Akteure und Entscheidungsträger des Gastlandes kennen, betreue Delegationen aus Deutschland. Ich bin aber auch Behördenleiter, eben der Behörde Deutsche Botschaft. 

Was gefällt Ihnen an Ihrem aktuellen Arbeitsort Neuseeland besonders gut?

Mir gefällt besonders der mit der Versetzung hierher „ans Ende der Welt“ einhergehende Perspektivwechsel. Von der Atlantik-zentrierten ging es zu einer völlig neuen Weltkarte: Neuseeland, Australien und der Pazifische Ozean in der Mitte und der Rest der Welt drum herum. Meine Zuständigkeit auch für die sechs pazifischen Inselstaaten Fidschi, Samoa, Tonga, Tuvalu, Cook Islands und Kiribati bringen Reisen mit sich, die meine Frau und ich sonst nie gemacht hätten. 

Woran erinnern Sie sich besonders gerne, wenn Sie an Ihre Studienzeit in Tübingen denken? Welches war ihr Lieblingsort in Tübingen?

Ich erinnere mich an das Leben in einer freundlichen und so stark von Studierenden geprägten kleinen Stadt, den Radius, in dem ich alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen konnte. Gerne denke ich auch zurück an die sich dadurch immer wieder ergebenden spontanen Begegnungen und Freundschaften. Und an die Autoreisen mit Studienfreunden oder alleine per Anhalter durch ganz Europa. Mein Lieblingsort in Tübingen war der Blick aus dem Fenster meiner siebten und letzten Bude in der Payerstraße, in der ich auch am längsten gewohnt habe.

Was möchten Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?

So viel wie möglich von Europa und der Welt sehen, bevor man sich beruflich bindet. Aber man muss aufpassen, dabei nicht den Absprung zu verpassen – um kein heimatloser Globetrotter zu werden.

So interessant ein Beruf auch sein mag – der Berufsalltag besteht immer sowohl aus Pflicht wie aus Kür. Man kann sich nicht jeden Tag die Sinnfrage stellen. 

„Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.“ (Bertrand Russell)