Kath. Institut für berufsorientierte Religionspädagogik

Entwicklung beruflicher Kompetenz im RU. Perspektiven eines Berufspädagogen

Reinhard Bader

Aus: Warum berufliche Bildung Religion braucht, hrsg. von Albert Biesinger / Josef Jakobi / Joachim Schmidt (gott-leben-beruf, Bd. 9), Norderstedt 2008, S. 96-98.

Vorbemerkungen

Dieser Beitrag stellt die Dokumentation eines Workshops dar, an dem ca. 20 Personen teilgenommen haben. Im Sinne eines Impulsreferates wurden einleitend die für das Thema zentralen Begriffe Beruf und Kompetenz erläutert und differenzierend reflektiert. Hieran anschließend wurden Thesen zur Entwicklung beruflicher Kompetenz im Religionsunterricht vorgetragen und diskutiert.

Zentrale Begriffe

Beruf bezeichnet die strukturierte Gesamtheit von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Erfüllung von Aufgaben sowie zur Lösung von Problemen, die einander ähnlich sind. Vor dem Hintergrund historischen Gewachsenseins werden mit dem Begriff Beruf - in unterschiedlicher Ausprägung - Merkmale verbunden wie: Erwerb, Sozialisierung, Identifizierung, Ganzheitlichkeit, Kontinuität, Selektion, Allokation.

Berufliche Handlungskompetenz ist bezogen auf den Beruf, in der Ausbildung auf den Ausbildungsberuf. Dementsprechend meint berufliche Handlungskompetenz die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Verantwortung zu handeln sowie seine Handlungsmöglichkeiten ständig weiterzuentwickeln. Konstituierende Dimensionen beruflicher Handlungskompetenz sind Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz, jeweils mit den Akzentuierungen Methodenkompetenz, Lernkompetenz und Kommunikationskompetenz.

Thesen

  • Die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz ist auf den Bildungsauftrag der berufsbildenden Schulen bezogen - und somit auf Bildung.
  • RU an berufsbildenden Schulen steht unter deren Bildungsauftrag und ist somit gefordert, an der Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz mitzuwirken.
  • Die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz wird durch handlungsorientierten Unterricht gefördert, der in sehr unterschiedlichen Ausprägungen gestaltet werden kann. Für den RU haben folgende Ausprägungen besondere Relevanz:
    • Handlungsorientierung als Lernen an konkreten Handlungen, deren Ergebnis nicht aufgrund gesicherter Erkenntnisse (zum Beispiel der Naturwissenschaften) feststeht, sondern offen ist.
    • Handlungsorientierung als Planung und Gestaltung von Lernprozessen mit dem Ziel der Fähigkeit, aus gewonnenen Erkenntnissen (im weitesten Sinne) gesellschaftliche Konsequenzen zu ziehen, d. h. der Einsicht die Tat folgen zu lassen, um vorgefundene Situationen in Richtung auf Ziele, die als erstrebenswert erkannt wurden, mit den geplanten Methoden zu verändern.
    • Handlungsorientierung als Merkmal unternehmerischer Selbstständigkeit.
  • Die Fächer des allgemein bildenden Lernbereichs haben einen eigenständigen Bildungsauftrag. Durch eine Verknüpfung der Lernbereiche wird der Bildungsauftrag der allgemein bildenden Fächer unterstützt.

Konkretisierung: eine Anregung für den RU am Beispiel der Berufsschule

Themenbereiche des Grundlagenplans (Lebenssituationen) Beschreibung der Stufe
Jesus Christus: Zwischen Begeisterung und Ablehnung
  • Engagement für Gerechtigkeit
  • Der Mensch als Produktionsfaktor
Rechte u. Pflichten als Auszubildende (Lf. 1)
Personalrechtliche Regelungen für Umsetzungen und Entlassungen (Lf. 7)
Leistungsschwerpunkte und Arbeitsgebiete von Industrieunternehmen (Lf. 1)
Arbeitsbewertung und Entgeltsysteme (Lf. 7)
Leid, Tod und Auferstehung: Zwischen Verzweiflung und christlicher Hoffnung
  • Ärger am Arbeitsplatz
  • Drogenabhängigkeit z.B. Nikotin, Alkohol
  • Erfahrungen von gelebter Solidarität
Mitbestimmungsrechte am betrieblichen Geschehen (Lf. 1)
Einbeziehung von Mitbestimmungsorganen bei der Einstellung von Personal (Lf. 7)
Schule und Versöhnung: Zwischen Scheitern / Versagen und Neubeginn
  • Schädigung anderer [...]
  • Egoistisches Verhalten
  • Mein Arbeitskollege macht einen Fehler: Helfen oder [...]
  • Strukturelle Schuld: Mein Arbeitsplatz trägt zur Zerstörung der Umwelt bei
 
Mensch und Welt als Gottes Schöpfung: Zwischen geschenkter und gemachter Welt
  • Erlebnisse, Erfahrungen von Begrenzungen…z. B. Rationalisierungsprozesse
  • Umgang mit Materialien, Gesundheitsschutz, Produktionsweisen, Verschwendung, Nachhaltigkeit
  • Im Betriebsleben: [...] Erfahrung von Betriebshierarchien
  • Einsatz für das Gleichgewicht von "bebauen" und "bewahren" in der Region, z. B. Industriegebiete, Naturparks
Betriebliche Ziele und Personalbedarf (Lf. 7)
Personalentwicklung im Unternehmen (Lf. 7)

Arbeitsschutz (Lf. 7)

Unternehmenskultur, Führungsstile und –methoden (Lf. 7)
Religion und Kirche: Zwischen persönlicher Religiosität und kirchlichem Glauben
  • Feste [...]
  • Zeichen der Zugehörigkeit… (Betriebsfest)
 
Gottes- und Nächstenliebe: Zwischen individuellem Freiheitsstreben und solidarischer Verantwortung
  • Solidarität am Arbeitsplatz
  • Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kunden, Mitarbeitern
Ausbildung im Spannungsfeld unterschiedlicher Rollenerwartungen (Lf. 1)
Auftretende Konflikte (Lf. 1)
Schutz personenbezogener Daten (Lf. 7)

Zusammenfassende Einschätzung

In der Diskussion verbanden die Teilnehmer theoretische Kenntnisstände und didaktische Konzepte mit eigenen Erfahrungen und Wertungen. Kontroversen zu den Thesen ergaben sich nicht, wohl aber Konkretisierungen und Anreicherungen bei weitgehendem Konsens.

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