Uni-Tübingen

23.05.2019

Neue Sonderforschungsbereiche erforschen Antibiotika und nehmen ästhetische Perspektiven der Vormoderne in den Blick

Zwei Sonderforschungsbereiche verlängert

Die Universität Tübingen erhält zwei neue Sonderforschungsbereiche. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mitteilte werden die Forschungsverbünde ab 1. Juli für zunächst vier Jahre mit je acht Millionen Euro gefördert. 

Im Sonderforschungsbereich „Andere Ästhetik“ (SFB 1391) untersuchen Fächer aus den Kultur- und Geisteswissenschaften Akte und Artefakte einer vormodernen, „anderen“ Ästhetik und setzen sich mit Kunstbegriffen, Kunstkonzepten und zugehörigen Praktiken auseinander, die zeitlich in Epochen vor der Begriffsprägung der Ästhetik im 18. Jahrhundert fallen. Sprecherin ist Professorin Annette Gerok-Reiter (Germanistische Mediävistik – Deutsches Seminar), an zwei der insgesamt 18 Forschungsprojekte ist die Universität Stuttgart beteiligt. 

Im SFB/Transregio „Zelluläre Mechanismen der Antibiotikawirkung und -produktion“ (ANTIBIOTIC CellMAP) untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Biologie, Chemie und Pharmazie die biochemischen Produktions- und Wirkungsmechanismen von Antibiotika. Sprecherin ist Professorin Heike Brötz-Oesterhelt (Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin). Partner im Transregio-Verbund ist die Universität Bonn.

„Andere Ästhetik“ (SFB 1391)

Ästhetische Fragen erleben derzeit eine überraschende Konjunktur. Öffentliche, zum Teil heftig geführte Debatten zur Relevanz des Ästhetischen und zur Funktion der Künste lassen aufhorchen. Auch in der Forschung werden diese Fragen mit neuer Intensität diskutiert, sowohl in den Geisteswissenschaften als auch in den Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Dabei bleibt man jedoch oft Autonomiekonzepten des 18. und beginnenden 19. Jh.s verhaftet: Kunst wird als autonom betrachtet, ein Kunstwerk folgte nur eigenen Gesetzen. Gerade damit aber droht die Frage wieder aus dem Blick zu geraten, welche Funktion die Künste in sozialer wie anthropologischer Hinsicht haben. 

Hier setzt der neue Sonderforschungsbereich an: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen ästhetische Praktiken, Manifestationen und Konzepte in den Blick rücken, die nicht von autonomieästhetischen Positionen ausgehen. Eine solche Andere Ästhetik lässt sich – so die These – in hervorragender Weise in der Vormoderne finden, also vor dem Zeitalter der philosophischen Ästhetik. 

Der Tübinger SFB setzt in diesem Sinne bei der Aktualität der Vormoderne an. Sein wissenschaftliches Programm stützt sich auf ein breites Fächerspektrum, das neben den Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaften, der klassischen Archäologie und der Rhetorik auch Fächer wie Linguistik, Theologie, Geschichte und Maschinelle Sprachverarbeitung umfasst. Der SFB verbindet so die moderne Debatte um die sozio-anthropologischen Funktionen des Ästhetischen mit einer neuen Grundlagendiskussion über das Verständnis ästhetischer Prozesse. Im Mittelpunkt wird das Modell einer Ästhetik stehen, die die Relation zwischen der Eigenlogik der Künste (autologische Dimension) und ihre sozialen Praxis (heterologische Dimension) ins Zentrum stellt. Von hier aus lässt sich der Beitrag vormoderner ästhetischer Akte und Artefakte für die Ästhetikforschung neu bewerten. Ziel des Forschungsverbundes ist es, auf dieser Basis die gegenwärtigen Debatten um die Relevanz des Ästhetischen historisch zu fundieren und damit auch und gerade aktuelle Fragen von Kunst und Gesellschaft gewinnbringend weiterzuentwickeln.

Kontakt:

Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter
Universität Tübingen
Deutsches Seminar
+49-(0)7071-29-72403
a.gerok-reiterspam prevention@uni-tuebingen.de

„Zelluläre Mechanismen der Antibiotikawirkung und -produktion“ (ANTIBIOTIC CellMAP) 

Antibiotika haben – mehr als andere Therapeutika – die Lebenserwartung der Menschen verbessert. Nun entwickeln immer mehr Krankheitserreger Mehrfachresistenzen gegen die einstigen Wundermittel. Neue antibiotische Wirkstoffe werden dringend benötigt, und zurzeit sind nur wenige in der Entwicklung. In den vergangenen Jahrzehnten wurde viele Stoffe mit Hochdurchsatzscreenings auf antibakterielle Wirkung getestet ‒ mit einer enttäuschend niedrigen Erfolgsrate für die Entwicklung neuer Medikamente. Es bestehen immer noch Wissenslücken, sowohl in der Wirkungsweise von Antibiotika wie auch in der Biologie der Bakterienzellen, die den Antibiotika ausgesetzt sind. Im neuen SFB wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher tief in die Grundlagenforschung einsteigen. Sie wollen die vielfältigen Wirkungen von Antibiotika auf Krankheitserreger besser verstehen und auch erforschen, welchem Stress Bakterienzellen unterliegen während sie selbst Antibiotika herstellen.

Selbst bei bewährten Antibiotika, die schon seit Jahrzehnten in der Therapie eingesetzt werden, gibt es Forschungsbedarf. Man versteht häufig nicht genau, welche Wirkkaskade ein Antibiotikum in den behandelten Bakterien auslöst und welches spezielle Ereignis den Zelltod bewirkt. Viele erfolgreiche Antibiotika greifen an mehreren Stellen in den Stoffwechsel ein. Diese antibiotische Aktivität in den Zielzellen untersuchen die Wissenschaftler im Projektbereich A des neuen SFB. Ziel ist es hier, aus den molekularen Mechanismen gut wirksamer Antibiotika zu lernen, um in Zukunft neue Wirkstoffe besser auswählen und entwickeln zu können.

Etwa zwei Drittel der erfolgreich in der Antibiotikatherapie eingesetzten Wirkstoffklassen sind Naturstoffe oder chemische Abkömmlinge von solchen. Die meisten dieser Naturstoffe werden von Bakterien hergestellt, die die gleichen Maschinerien in ihren Zellen nutzen wie die „Zielbakterien“, gegen die Antibiotika eingesetzt werden. Im Projektbereich B des SFB wenden sich die Wissenschaftler daher der Antibiotikaherstellung in den produzierenden Zellen zu und wollen klären, wie diese Bakterien die Herstellung ihrer tödlichen Produkte bewältigen und welche Anpassungen im Stoffwechsel mit der Produktion einhergehen müssen.

Eine Besonderheit dieses Forschungsverbundes ist es, dass Auswirkungen auf die „Zielzellen“ und die „produzierenden Zellen“ so eng miteinander verzahnt untersucht werden. Wenn wir mehr über die Physiologie der Produzentenzellen lernen, werden wir sie zukünftig dazu bringen können, im Labor auch solche Stoffe zu produzieren, die sie heute dort nicht bilden, versprechen sich die Forscher. Denn Experten schätzen, dass das Potential, Antibiotika zu bilden, in der Natur viel größer ist, als wir bisher im Labor nachstellen können.

Kontakt:

Prof. Dr. Heike Brötz-Oesterhelt
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
+49 7071 29-74706
heike.broetz-oesterheltspam prevention@uni-tuebingen.de

Zwei Tübinger Sonderforschungsbereiche verlängert

Die DFG hat hat außerdem insgesamt 27 Sonderforschungsbereiche verlängert, darunter einen an der Universität Tübinger sowie einen SFB Transregio mit Tübinger Beteiligung: 

  1. SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ 
    Sprecher: Prof. Dr. Mischa Meier – Seminar für Alte Geschichte
    Zweite Verlängerung; Laufzeit: seit 1. Juli 2011
    Zur Homepage des SFB 923
  2. SFB/TRR 156 „Die Haut als Sensor und Initiator von lokaler und systemischer Immunität“
    In Kooperation mit den Universitäten Heidelberg und Mainz
    Sprecher: Prof. Dr. Alexander Enk, Universität Heidelberg,
    Tübinger Sprecher: Prof. Dr. Martin Röcken – Universitäts-Hautklinik
    1. Verlängerung; Laufzeit: seit 1. Juli 2015 
    Zur Homepage des SFB Transregio 156
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