Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2020: Schwerpunkt

Plötzlich digital: Lehre in Zeiten von Corona

Interview mit Professorin Karin Amos, Prorektorin für Studierende, Studium und Lehre der Universität Tübingen

Wie wird die Lehre im Sommersemester 2020 aussehen?

Die Lehre fand an der Universität bisher immer in Präsenzform statt. Nun stellen wir zunächst komplett auf digitale Lehre um. Ein Großteil der Lehre wird asynchron erbracht werden müssen. Aufgrund unserer großen Studierendenzahl und technischer Grenzen können nicht alle Studierende gleichzeitig Vorlesungen, Seminare und Übungen online wahrnehmen. 

Welche Herausforderungen bringt das mit sich?

Diese Situation hat uns plötzlich erwischt. Digitalisierung ist schon länger ein Thema für die gesamte Universität, aber dass wir die gesamte Lehre – bzw. zumindest die Pflichtteile der Lehre – von heute auf morgen umstellen müssen, hätten wir nicht gedacht.

Sorgen bereitet uns die Frage, wie stabil die Netze externer Anbieter sind, wenn Studierende von Zuhause auf Informationen zugreifen möchten. Aktuell sind viele Menschen online – privat, geschäftlich oder für den digitalen Schulunterricht. Wir müssen die Lage in den nächsten Wochen beobachten. 

Wie hat sich die Universität auf die konkrete Umsetzung vorbereitet? 

In der technischen Aufrüstung ist viel passiert. Das ZDV hat zum Beispiel kürzlich viele neue Lizenzen eines Anbieters für Videokonferenzen erworben. Zusätzliche Kameras, Headsets und Laptops wurden angeschafft. Die Möglichkeiten der Lernplattform ILIAS wurden erweitert, dort gibt es jetzt unter anderem eine neue Funktion für Lerngruppen. Es sind auch viele hilfreiche Inhalte für Lehrende aufgebaut worden, wie etwa die Seite „Digitale Lehre Sommersemester 2020“. In den Fakultäten wurden ebenfalls Handreichungen erarbeitet. Alle Informationen sind nutzerfreundlich gestaltet, so dass sich Lehrende schnell orientieren und die Vorschläge umsetzen können.

An wen können sich Lehrende wenden, wenn sie Unterstützung bei der digitalen Umsetzung benötigen?

Wir lassen die Lehrenden in dieser Situation nicht allein. An der Universität ist die Hochschuldidaktik Ansprechpartner für die didaktische Umsetzung. Die Universitätsbibliothek hilft bei technisch-organisatorischen Fragen zur Lernplattform ILIAS und E-Learning und das ZDV unterstützt bei Fragen zur Lernplattform moodle oder zum Videoangebot TIMMS.

Zusätzlich gibt es auf fakultärer Ebene Personen, die sich um das Thema Digitalisierung kümmern. Ich nehme auch einen verstärkten kollegialen Austausch wahr, vielleicht sogar intensiver als in Zeiten der Präsenzlehre, in der viele ihre Lehrveranstaltungen eher selbständig gestalteten.

Wird das Kursangebot in vollem Umfang angeboten werden? 

Das Hauptaugenmerk liegt zunächst auf den Pflichtveranstaltungen, denn unsere Studierenden sollen so wenig Nachteile wie möglich haben. Wir werden erst im Laufe der nächsten Wochen sagen können, ob uns das in allen Bereichen gelingen wird. Dies hängt auch davon ab, wie gut unsere Studierenden die Angebote annehmen und nutzen. Wir entwickeln gerade Ideen, wie wir Studierende unterstützen können, denen die technischen Möglichkeiten fehlen. 

Bei den freiwilligen Lehrveranstaltungen, zum Beispiel dem Studium Professionale, werden wir nicht alle digitalisieren können, auch wenn die Lehrenden bemüht sind, ein breites Angebot zu schaffen. 

Werden digitale Lehrangebote nach der Corona-Krise weitergeführt werden?

Wir werden sicher eine Präsenzuniversität bleiben. Wir haben uns aber schon vor Corona auf den Weg gemacht, digitale Angebote punktuell einzubinden. Zum Beispiel wurden im Rahmen des Projekts „Erfolgreich Studieren in Tübingen“ (ESIT) innovative Lehrformen mit digitalen Werkzeugen entwickelt. Diese Expertise wird sich jetzt in der Krise sicherlich schneller in der gesamten Universität verbreiten. 

Wie bereiten Sie Ihre eigenen Lehrveranstaltungen für das Sommersemester vor?

Ich mache mir viele Gedanken, wie ich alle Studierenden digital erreichen kann. Die Vorlesung werden wir primär, aber nicht ausschließlich, skriptbasiert umsetzen, weil es das niedrigschwelligste Angebot ist und die Studierenden dafür nur wenige technische Voraussetzungen erfüllen müssen. Sie laden den Text dann herunter, wenn bei ihnen das Netz gerade funktioniert. Wir wollen mit den Studierenden aber auch in persönlichem Kontakt bleiben und sie begleiten. Wie das genau aussehen kann und wie wir auch synchrone Elemente integrieren werden, spreche ich mit meinen Kolleginnen gerade ab.

Was möchten Sie den Lehrenden für das Sommersemester mitgeben?

Wir sitzen alle im gleichen Boot. Es ist eine große Herausforderung, aber auch ein großes Abenteuer. Ich wünsche allen, guten Mutes und guter Gesundheit zu bleiben. An dieser Stelle möchte ich meinen ausdrücklichen Dank aussprechen an alle Lehrenden, die Task Force Lehre und alle weiteren Beteiligten in der Zentralen Verwaltung, in den Fakultäten, im ZDV und bei der UB. Ich finde es großartig, was in den letzten Wochen entstanden ist.

Mareike Schlotterbeck