Bukchon Hanok Village – Zwischen kulturellem Erbe und touristischer Vermarktung

 

Abstrakt

Das Bukchon Hanok Village in Seoul ist ein besonderes Viertel mit über 900 traditionellen Hanok-Häusern, das kulturelles Erbe und touristische Kommerzialisierung miteinander verbindet. Hanok-Häuser werden vielfältig als Hotels, Cafés und Geschäfte, aber auch als Wohnhäuser genutzt. Das Tragen von Hanbok für Fotoshootings ist ein beliebtes Ritual, was die Hanok-Architektur und traditionelle Kleidung zu konsumierbaren Symbolen macht. Der zunehmende Tourismus führt jedoch zu Belastungen für die Anwohner durch Lärm, überfüllte Gassen und steigende Lebenshaltungskosten.

 

Einleitung

Im Herzen von Seoul liegt das Bukchon Hanok Village, ein Stadtviertel mit rund 900 traditionell koreanischen Hanok-Häusern. Einst Wohnort der Oberschicht während der Joseon-Dynastie, ist Bukchon heute ein lebendiges Viertel – kein Museum – das den Spagat zwischen Erhalt kultureller Identität und touristischer Kommerzialisierung wagt (Mat Radzuan, Inho & Ahmad, 2015, S.179).

 

Kulturelle Bedeutung im Wandel

Der Name „Bukchon“ bedeutet „nördliches Dorf“, und „Hanok“ steht für die traditionelle koreanische Bauweise. Ursprünglich lebten hier hohe Beamte und Adlige (Wu et al. 2017, S.469).

In jüngerer Zeit ist Bukchon, obwohl es nach wie vor ein Wohngebiet ist, auch Heimat von über 900 Hanok-Häusern. Die Hanok-Häuser werden dabei auf vielfältige Weise genutzt: Neben ihrer Funktion als Wohnhäuser dienen viele inzwischen als Hotels, Cafés, Galerien, Souvenirshops oder Kulturzentren. Heute zählt es zu den beliebten Touristenzielen (Mat Radzuan, Inho & Ahmad, 2015, S.179).

Hanok-Häuser

Eine der grundlegendsten Eigenschaften traditioneller koreanischer Architektur ist ihr Einklang mit der Natur – ein Prinzip, das auch im Geomantie-System Pungsu verankert ist. Pungsu zielt darauf ab, die Natur zu verstehen, im Einklang mit ihr zu leben und ihren Nutzen optimal zu entfalten (El-Isa, 2020, S70). Die Hanok-Häuser in Bukchon verkörpern auf eindrucksvolle Weise das traditionelle Korea: Sie wurden aus natürlichen Materialien wie Holz, Lehm, Stein und Hanji-Papier erbaut und folgen dem Prinzip einer harmonischen Beziehung zwischen Menschen und Umgebung. Ausgestattet mit dem traditionellen Ondol-Heizsystem, das durch den Fußboden für Wärme sorgt, vereinen sie funktionale Bauweise mit kultureller Symbolik (El-Isa 2020, S. 66).

Hanbok

Das Tragen von Hanbok, der traditionellen koreanischen Kleidung, für Fotoshootings ist heute ein beliebtes Ritual, das sowohl ein Ausdruck kultureller Identifikation als auch ein Element der touristischen Inszenierung ist.

Besonders in Stadtvierteln wie Bukchon fällt auf, dass zahlreiche Geschäfte Hanbok zur Miete oder zum Kauf anbieten – in modernen wie traditionellen Varianten.

Neben der Kleidung selbst findet man dort auch Souvenirläden, in denen Figuren oder Puppen verkauft werden, die Hanbok tragen. Diese Produkte dienen nicht nur als Erinnerungsstücke, sondern auch als Ausdruck eines ästhetisierten und konsumierbaren Koreabildes, das gezielt für Besucher*innen gestaltet wird.

Kommerzialisierung und Nutzungskonflikte

Viele Hanok-Häuser wurden in den letzten Jahren gezielt restauriert und in Pensionen, Cafés, Galerien oder Geschäfte umgewandelt, um touristisch attraktiv zu sein. Dabei wird der Begriff Hanok häufig aktiv als Markenzeichen genutzt – etwa in Hotelnamen wie „The Exclusive Hanok Hotel“ oder bei Kunstausstellungen, die gezielt mit dem authentischen Flair eines Hanok-Hauses werben. Auch Cafés und Boutiquen heben die traditionelle Bauweise in ihrer Außendarstellung hervor, um Besucher*innen ein kulturell aufgeladenes, gleichzeitig aber konsumierbares Erlebnis zu bieten. Der Begriff Hanok steht so nicht nur für eine Bauweise, sondern wird zunehmend als Symbol für kulturelle Authentizität vermarktet

Probleme

Die starke touristische Prägung hat nicht nur positive Folgen. Zwar entstehen durch die gezielte Vermarktung traditioneller Kultur und die damit verbundene Anziehung großer Besuchergruppen neue wirtschaftliche Chancen, doch gleichzeitig bringt der zunehmende Tourismus auch Belastungen für die Anwohner mit sich. Hohe Lärmbelastung, überfüllte Gassen, steigende Lebenshaltungskosten und der Verlust vertrauter Alltagsstrukturen sorgen zunehmend für Unmut unter der lokalen Bevölkerung (Goodwin, 2017, S. 7).

Einige Bewohner nutzen die touristische Nachfrage für eigene Angebote wie Souvenir-shops oder Hanbok-Verleih. Die kulturelle Kulisse wird vermarktet, während der Alltag der Menschen im Viertel in den Hintergrund tritt. Um soziale Spannungen zu mindern und den Lebensraum der Anwohnenden zu schützen, wurden mittlerweile zeitliche Besuchsbeschränkungen und Ruhezeiten eingeführt.

Die Situation zeigt, wie sensibel das Gleichgewicht zwischen kultureller Präsentation und Lebensqualität der ansässigen Bevölkerung ist – und wie wichtig es ist, Tourismus nachhaltig zu gestalten.

Analyse über die Kulturzwiebel: Vermarktung kultureller Tiefe

Das Bukchon Hanok Village lässt sich hervorragend mit dem Modell der Kulturzwiebel analysieren, das Kultur in verschiedene Schichten unterteilt – von sichtbaren Symbolen bis hin zu unsichtbaren Werten und Grundannahmen. Die touristische Vermarktung konzentriert sich vor allem auf die äußeren Schichten, also auf Symbole, Rituale und sichtbare Praktiken.

Beispielsweise zählen Hanbok-Kleidung, Hanok-Architektur oder traditionelle Handwerksprodukte zu den sichtbaren Symbolen, die in Shops, Galerien und Fotospots kommerziell inszeniert werden. Rituale wie das Tragen von Hanbok für Fotos oder das Teetrinken in einem Hanok-Café werden gezielt touristisch aufbereitet.

Während die oberflächlichen Aspekte der Kultur leicht zu erleben sind, geraten tiefere Werte wie der respektvolle Umgang mit Natur und Gemeinschaft oft in den Hintergrund. Dieser Einklang mit der Natur ist eigentlich besonders stark in den Hanok-Häusern verankert, die traditionell eine enge Verbindung zwischen Architektur und natürlichen Elementen widerspiegeln. Solche Werte werden jedoch selten erklärt oder vermittelt und dienen meist nur als Hintergrundatmosphäre.

 

Literaturverzeichnis

El-Isa, Y. (2020). Architektur und Identität : Über den Einfluss von Kultur, Religion und Tradition auf die Architektur Südkoreas [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2020.76629

Goodwin, H. (2017). The challenge of overtourism. Responsible tourism partnership, 4(2017), 1-19.

Mat Radzuan, I.S., Inho, S. and Ahmad, Y. (2015), "A rethink of the incentives programme in the conservation of South Korea’s historic villages", Journal of Cultural Heritage Management and Sustainable Development, Vol. 5 No. 2, pp. 176-201. https://doi.org/10.1108/JCHMSD-02-2014-0006

Wu, J., Lee, S. Y., Lee, J. Y., & Lee, E. Y. (2017). An Exploration of Tourist’s Subjectivity Toward Destination Image Using Q method: focused on Samcheongdong-gil Road and Bukchon Hanok Village in Seoul. WCBM 2017, 468.