Feldsurvey in Herakleia am Latmos

Herakleia am Latmos liegt etwa 150km südlich der heutigen Großstadt Izmir an der kleinasiatischen Westküste und damit in der antiken Landschaft Karien. Die Stadt wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. am Fuße des Latmos-Gebirges und an der Küste des latmischen Golfes angelegt und hat vor allem aufgrund ihrer hervorragend erhaltenen Befestigungsanlagen überregionale Bekanntheit erlangt.
Noch wesentlich interessanter macht den Platz allerdings die Tatsache, dass hier auch noch die Vorgängersiedlung der lokalen, karischen Urbevölkerung mit Namen Latmos in unmittelbarer Nähe existierte und erforscht werden konnte. Diese wurde aufgelöst, als sich nach dem Tode Alexander des Großen einer seiner Nachfolger (Pleistarch? Asandros? Demetrios Poliorketes?) an dieser Stelle eine Residenzstadt oder einen Truppenstützpunkt schaffen wollte und die Stadt als „Herakleia am Latmos“ neu gründete. Die Bewohner wurden hierfür zwangsweise aus mehreren umliegenden Städtchen (Synoikismos) umgesiedelt und so wie an anderen Stellen im frühen Hellenismus ein völlig neuer Stadtorganismus griechischen Zuschnittes geschaffen.

Die Fortsetzung dieses traditionsreichen deutschen Surveyprojektes (gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung und das Deutsche Archäologische Institut) ist im Augenblick ganz auf die Entwicklung der Besiedlungsgeschichte konzentriert. Hatten die letzten beiden Jahrzehnte unter der Leitung von A. Peschlow (DAI Berlin) hauptsächlich die Erforschung des Umlandes in Chalkolithikum und Bronzezeit (Felsmalereien, Siedlungsplätze, hethitische Inschriften) zum Ziel, so geht es seit der Kampagne 2010 um die dynamischen Prozesse der Eisenzeit, in denen eine Gründung der lokal ansässigen Karer von einer rein griechisch geprägten Nachfolgesiedlung abgelöst wird.
Vieles, das Verhältnis der verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen zueinander betreffend, liegt dabei noch im Dunkeln, zumal die materielle Kultur der Karer erst seit den letzten beiden Jahrzehnten als einigermaßen fassbar bezeichnet werden kann.

Intensive Begehungen (samt Oberflächenfundanalyse) der insgesamt fünf verschiedenen, durch Mauern voneinander getrennten Siedlungsareale, sollen letztlich zum besseren Verständnis der relativ-chronologischen Entwicklung beitragen. In der Kampagne 2010 wurde aus diesem Grund zunächst ein Plan erstellt, der die jeweilige und grundsätzliche Besiedlungsmöglichkeit der einzelnen Areale zum Inhalt hatte.
Umfangreiche Arbeiten an dem bereits 1990 begonnenen, aber aufgrund der schwierigen topographischen Verhältnisse niemals fertiggestellten neuen Stadtplan sind in der Kampagne 2011 angelaufen, wobei der Anfertigung von Luftbildern mithilfe einer unbemannten Flugdrohne (Oktokopter) eine wichtige Rolle zukam. Neben diversen Strukturen, die noch nicht eingemessen worden waren, standen die Klassifizierung und Kategorisierung der bereits verzeichneten architektonischen Reste im Vordergrund des Interesses.
2012 sollen noch die Heiligtümer und die Nekropolen eingehender untersucht werden; in direktem Anschluss ist die Vorlage einer ersten Monographie zur Stadt und ihren Bauten geplant.

Mitarbeiter:
Dr. S. Solovyov (Eremitage St. Petersburg), Dr. O. Hülden (LMU München), D. Krüger MA (DAI Istanbul), A. Galeano, S. Kioukioukali, K. Opitz (Universität Tübingen)