Prof. Dr. Eckart Goebel

Matthias Röck, M.A.

E-Mail: matthias.roeckspam prevention@student.uni-tuebingen.de

ab 03/2018 Stipendiat des Promotionsverbundes "Theorie der Balance – Formen und Figuren des Gleichgewichts in Medien-, Kunst- und Literaturwissenschaft"
10/2013-09/2016   Studium der Medienwissenschaft (M.A.) an der Eberhard Karls Universität Tübingen
02/2013-07/2013  Auslandsstudium der Philosophie an der Université Paris-Sorbonne (Paris, Frankreich)
04/2009-04/2013   Studium der Philosophie und Allgemeinen Rhetorik (B.A.) an der Eberhard Karls Universität Tübingen

Dissertationsprojekt

Out in Control – Strategien der De-Mediatisierung

Die Verheißung konsumorientierter Gesellschaften, seiner Selbstverwirklichung durch den Erwerb von Gütern und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen ein Stück näher zu kommen, ist zu dem großen Versprechen sozialer Medien geworden. Sie verbinden Menschen auf der ganzen Welt, ermöglichen es Eindrücke und Meinungen binnen weniger Sekunden zu teilen und bieten völlig neue Möglichkeiten der Partizipation. Gleichzeitig stehen sie in der Kritik aus den Daten ihrer Nutzer Kapital zu schlagen, während sie letztere in einer oberflächlichen Welt narzisstischer Selbstdarstellung – deren höchstes Gut die Anerkennung der Community ist – einem beständigen Selbstoptimierungsdruck aussetzen. Häufig werden soziale Medien daher als das Paradebeispiel angeführt, wenn es darum geht ein in der Gesellschaft vorherrschendes neoliberales Mindset zu diagnostizieren, welches die Logiken des Finanzmarkts auf zwischenmenschliche Beziehungen überträgt und diese in Wettbewerbsbeziehungen umwandelt. Folgt man dieser Betrachtungsweise, so stellt sich im Umkehrschluss die Frage, ob sich die Verweigerung sozialer Medien dieser Logik komplett entzieht, oder ob ihr gar dieselben Selbstoptimierungstendenzen zugrunde liegen. Ist der bewusste Verzicht auf Facebook, WhatsApp, Twitter und Co. nicht bereits zu einem Statussymbol avanciert, das nicht nur soziale Distinktion, sondern auch eine Steigerung der persönlichen Leistungsbilanz verspricht? Oder bietet die Social-Media-Verweigerung eine echte Alternative – einen Weg zur persönlichen Selbstverwirklichung durch das Dickicht der Selbstoptimierungs-Appelle?

Wer also sind die Social-Media-Verweigerer, was sind ihre Motive und wohin wird optimiert? Das sind die zentralen Fragen meines empirischen Forschungsvorhabens, das die unterschiedlichen Facetten der Social-Media-Verweigerung beleuchten will. Als Konsumentscheidung kann sie sowohl Teil eines gesundheitsbewussten, auf Balance abzielenden Lifestyles sein, als auch eine Form des ‚consumer activism‘ darstellen. In letzterem Fall wird die Verweigerung zum Widerstand, der sich häufig gegen die Geschäftspraktiken der Social-Media-Betreiber richtet, oft aber auch gegen gesellschaftliche Erwartungen und Normen, die im Umgang mit sozialen Medien entstanden sind. Die Untersuchung der Motive und Folgen der Verweigerung lotet somit die Machtverhältnisse aus, die sich aus der Verschmelzung sozialer Medien mit unserem Alltag ergeben, und stellt die Frage nach der Möglichkeit einer kommunikativen Balance, die in Zeiten von ‚Hate Speech‘ und ‚Fakenews‘ sowie durch den drohenden ‚digital overload‘ immer mehr auf dem Spiel steht. Im Hintergrund steht die Frage, was soziale Medien – nicht per definitionem, sondern ihrer Erscheinung nach – sind und wie sie unseren Alltag, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Wahrnehmung und unser Denken prägen.