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Projektbeschreibung
Utopisches Erzählen in der Frühen Neuzeit
Für die Gattung der Utopie ist die Frühe Neuzeit eine überaus prägende Phase der Literaturgeschichte. Nicht nur aufgrund der namensgebenden und als ‚Prototyp‘ fungierenden Utopia (1516) von Thomas Morus, sondern schlicht auch in Hinblick auf die buchmarktliche Präsenz der literarischen Utopie, die später mehr und mehr von dystopischen Denk- und Schreibformen abgelöst wird.
Mein Projekt greift deshalb auf ein reichhaltiges frühneuzeitliches Korpus zurück. Die Publikation der ausgewählten Werke erstreckt sich über eine Zeitspanne vom Anfang des 16. Jahrhunderts (Utopia, 1516) bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Insel Felsenburg, 1731, Niels Klims unterirdische Reise, 1741). Der Gegenstand der literarischen Utopie wurde in der Forschung bislang meist aus einer juristisch-politischen oder ideengeschichtlichen Perspektive betrachtet, vor allem mit Blick auf die Gründung eines (Ideal)Staates. Gerade da es sich bei der Utopie um einen vielbeforschten Betrachtungsgegenstand handelt und die ausgewählten Texte zumindest zum Teil als kanonisch gelten können, wähle ich für mein Dissertationsprojekt einen dezidiert narratologischen Zugang, um ein weiteres Erkenntnisinteresse bezüglich des utopischen Erzählens abbilden zu können – ich beziehe deshalb auch Texte mit ein, die nicht klassischerweise als Utopie eingeordnet werden wie Insel Pines (1668) und Insel Felsenburg (1731).
Der erste Hauptteil der Arbeit ist dabei dem Akt des Erzählens und der Form des Utopischen gewidmet. Als zu betrachtende Aspekte bieten sich dabei die Rolle und Ausgestaltung der Erzählerfigur(en), Authentifizierungsstrategien und die Herausgeberfiktion sowie Raum- und Zeitkonstellationen in der Utopie an. Darauf aufbauend möchte ich einzelne Werke in der Form von ‚Fallstudien‘ näher in den Blick nehmen. Der Fokus liegt dabei auf unterschiedlichen Legitimierungsstrategien, die in den Texten mit der Darstellung eines (Ideal-)Staates verbunden werden. So ist zum einen zu untersuchen, inwiefern sich die Konzeption der Erzählinstanz auf die Gestaltung der Legitimierung auswirkt. Zum anderen ist zu prüfen, inwiefern die jeweilige Erzählstrategie mit Formen der Authentifizierung oder der Herausgeberfiktion verbunden wird. Weiterhin können durch den Akt des Erzählens selbst Ambivalenzen entstehen: Geschildert werden in der Regel keine tatsächlichen Idealstaaten und darauf basierende Reformideale, es handelt sich stattdessen um Texte, die von inhärenter Ambivalenz geprägt sind und somit das Urteil über die jeweiligen vorgebrachten Aspekte des Gedankenexperiments dem Leser überlassen (Vgl. bspw. Utopia).