Uni-Tübingen

Katja Lißmann, Dipl.-Päd.

Assoziierte Kollegiatin

Akademischer Werdegang

10/2001 – 05/2007 Studium der Erziehungswissenschaften an der MLU Halle-Wittenberg
09/2004 – 05/2007 Studienstipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung
01/2008 1. Forschungsförderpreis des Instituts für Erziehungswissenschaften der MLU Halle-Wittenberg
seit 10/2007 Doktorandin an der MLU Halle-Wittenberg

Berufliche Stationen

10/2007 – 09/2009 Promotionsstipendiatin der Graduiertenförderung des Landes Sachsen-Anhalt
10/2009 – 11/2011 Pormotionsstipendiatin im Graduiertenkolleg des Landesforschungsschwerpunkts „Aufklärung – Religion – Wissen“ der MLU Halle-Wittenberg
seit 07/2011 Assoziiertes Mitglied im Graduiertenkolleg 1662 „Religiöses Wissen im vormodernen Europa“, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

„Übung wahrer Gottseligkeit“. Das pietistische, weil korrespondierende Subjekt: Frauen des Quedlinburger pietistischen Netzwerks (1692-1704).

Aus der Perspektive historischer Erziehungswissenschaft einerseits, genderorientierter Pietismusforschung andererseits stellt das Promotionsprojekt Briefpraktiken von Frauen im frühen Quedlinburger Pietismus (1692-1704) ins Zentrum. Die Analyse der Korrespondenzen zweier in das Quedlinburger pietistische Netzwerk integrierter Frauen – Anna Magdalena von Wurm (1670-1734) und Sophia Maria von Stammer (1657-1705) – mit dem Theologen, Pädagogen und Stiftungsgründer August Hermann Francke (1663-1727) wird umfassend eingebettet in eine mikrohistorische Untersuchung der Quedlinburger frühpietistischen Bewegung. Das Quedlinburger ‘kulturelle Setting’ der 1690er Jahre, das sich in anhaltenden Konflikten der jungen Reformbewegung mit den lokalen kirchlichen und politischen Akteuren konstituierte, wird dabei analytisch als kulturelle Gesamtkonstellation verstanden, die in ihrer konkreten, charakteristischen Struktur eine spezifische Dynamik entfaltete, in welcher die zu analysierenden Briefe ‘funktionierten’, durch die sie ermöglicht und zugleich bedingt waren und die sie mitgestalteten und mitkonstituierten, indem sie auf sie reagierten und sie interpretierten.

Vermittelt und motiviert durch den pietistischen Anspruch der Ausbildung und Aufrechterhaltung einer individuellen Gottesbeziehung, so die These, wurden Briefpraktiken im Pietismus zum Ort performativer Konstruktion pietistischer Subjektivität. Das Anforderungsprofil des Pietismus verlangte ein gläubiges Ich, das sich zur Wahrheit der Offenbarung in Beziehung setzte, diese Beziehung permanent evaluierte und sich die geoffenbarte Wahrheit durch „lebendige Erfahrung“ (Francke) aneignete. Ich gehe davon aus, dass pietistische Briefe in diesem Kontext als Frömmigkeitspraktiken im Dienste der Aneignung und ‘Inkorporierung von Wahrheit’ (Foucault) analysiert werden können, in deren Vollzug pietistische Subjektpositionen kommunikativ ausgehandelt und erschrieben wurden. Damit eröffneten sich in der Entstehungsphase des Pietismus zeitgenössisch untypische, von Kontrahenten vielfach kritisierte Handlungsspielräume für Frauen mit hochgradig utopischem Potential. Aus bildungshistorischer Perspektive ist das frühe pietistische Milieu mit seinen spezifischen Handlungsdynamiken als Bildungsmilieu zu analysieren.