Baden-Württemberg Center for Brazil and Latin America

Projekt 4

“The Making of Cheap Nature”: German Colonists in Brazilian Commodity Frontiers

Ziel

1) die langfristigen Prozesse der Umgestaltung der Umwelt, der Umweltzerstörung und der sozialen Konflikte in der lateinamerikanischen und insbesondere in der brasilianischen Geschichte zu beleuchten und damit einen wichtigen Beitrag zur kritischen Ökologie zu leisten.

2) die Modernisierungstheorie kritisch zu hinterfragen, die in Bezug auf die Auswirkungen/Einflüsse der europäischen und insbesondere der deutschen Siedlermigration nach Brasilien tendenziell wie ein allumfassendes Erklärungsparadigma funktioniert

3) den Fall der deutschen Siedlermigration nach Brasilien zu nutzen, um den Horizont der Siedlerkolonialforschung zu erweitern 

4) Nutzung historischer Zeitungen und Zeitschriften als Quelle für die Erforschung der sozio-ökologischen Veränderungen im atlantischen Regenwald Ökoregion in Südbrasilien.


Beschreibung

Unsere Forschungsinitiative wertet die deutschsprachige Presse in Brasilien aus der Zeit zwischen ca. 1850 und ca. 1940 aus, um die Erfahrungen deutscher Kolonisten im Kontext einer globalen Arbeits- und Umweltgeschichte neu zu denken. Während Wissenschaftler die deutsche Migration nach Brasilien oft als Faktor nationaler wirtschaftlicher Modernisierung interpretieren oder sich auf die Herausforderungen konzentrieren, die Deutsche bei der kulturellen und politischen Integration in ihr neues Land bewältigen mussten – und das Phänomen damit auf nationalstaatliche Analysen reduzieren –, verortet diese Initiative die deutsche Migration in einem wahrhaft ‚globalen‘ Rahmen. Wir argumentieren, dass die deutsche Migration nach Brasilien durch miteinander verflochtene Prozesse von Wohlstandsproduktion, Machtakkumulation und Umweltwandel entstand, die durch die Krisen der Sklaverei in den Amerikas, den Siedlerkolonialismus und den Imperialismus in Afrika und Südosteuropa hervorgerufen wurden.

Als Teil des Forschungsplattform „Digitalisierung und Erforschung deutschsprachiger Printmedien in Brasilien, 1852–1941“ bietet diese Initiative eine umfassende Analyse vorausgewählter deutschsprachiger Zeitungen in Brasilien, die Aufschluss über die Entstehung von commodity frontiers im Süden Brasiliens während des Übergangs von einer sklavenbasierten zu einer Siedlerwirtschaft geben. Die gängige Erzählung stellt diese Geschichte als Gegensatz zwischen Freiheit und Sklaverei, materiellem Fortschritt und wirtschaftlicher Ineffizienz sowie rationaler Produktivität und zerstörerischen Produktionsmethoden dar. Vor diesem Hintergrund wird „The Making of Cheap Nature“ die Entstehung von Warenketten in Brasilien als Laboratorium geschlechterdiskriminierender, rassistisch geprägter und ökologisch räuberischer Formen der Landschaftsbewirtschaftung untersuchen – einer historischen Erfahrung, die weitere Landnahmen, ökologische Verwüstungen und die Zerstörung indigener Bevölkerungen begünstigte, wie sie heute in Brasiliens größten Biomen, dem Amazonas und dem Cerrado, stattfinden.

Wir haben uns entschieden, die deutschsprachige Presse durch eine Aufteilung unseres Gesamtprojekts in drei spezifische Ansätze zu erschließen, die wir als „Arbeitspaket 1“, „2“ und „3“ bezeichnet haben. Diese APs sind thematisch fokussiert, doch ihre jeweiligen Erkenntnisse beleuchten sich gegenseitig:

AP1: Commodity Frontiers in Südbrasilien: Eine Umweltgeschichte

AP2: Der brasilianische Schmelztiegel: Konflikte zwischen Indigenen und deutschen Siedlern in den Anfängen der brasilianischen Indigenenpolitik

AP3: Südbrasilien als Siedlergesellschaft neu denken: Deutsche Migration in globaler Perspektive


Forschende:

Dr. Eduardo Relly (Friedrich-Schiller-Universität Jena) 

Prof. Dr. Méri Frotscher (Unicentro Universität, Irati, Brasilien)

Prof. Dr. Tamis Peixoto Parron (Bundesuniversität Fluminense, Rio de Janeiro)

Dr. Cristian Cercel (Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen)