Uni-Tübingen

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09.04.2019

Gute Führung lehren und lernen

Neues Verbundprojekt mit Tübinger Beteiligung will „Führungsethik“ in der Lehre verankern

Kick-off-Meeting für das Verbundprojekt Führungsethik

Die meisten Führungskräfte in Deutschland haben studiert. Auf Fragen der Führung, insbesondere Führungsverantwortung und -ethik wurden sie im Studium jedoch nicht vorbereitet. Das von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderte Verbundprojekt „Führungsethik als Ethik in den Wissenschaften – Von der Theorie zur Praxis in Hochschule und Unternehmen“ will solche Inhalte nun auch in der Lehre verankern. Das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen und das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik, das Zentrum für Qualitätssicherung der Universität Mainz und die Arbeitsgruppe Chemiedidaktik der Universität Jena entwickeln gemeinsam ein Lehrangebot zum Thema „Führungsethik“ für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Projekt für drei Jahre mit insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Skandale wie der Betrug mit illegalen Motor-Manipulationen bei VW oder das fragwürdige Umgehen von Steuerzahlungen bei Banken im internationalen Finanzhandel haben auch damit zu tun, dass Führungskräfte ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind ‒ dies wird kaum bestritten. Auf der Führungsebene eines Unternehmens oder einer Institution haben Personen andere Aufgaben oder Pflichten als auf anderen Ebenen: Sie haben als Führungskräfte spezifische Handlungsmöglichkeiten, die allerdings auch besondere normative Fragestellungen – von der Forderung nach nachhaltigem Wirtschaften bis zur Verantwortung für weit reichende Entscheidungen – aufwerfen und sie vor besondere Herausforderungen stellen.

Obwohl laut DIW Führungskräftemonitor (2017) über zwei Drittel der Führungskräfte in Deutschland einen Hochschulabschluss haben, viele davon in den MINT-Fächern, werden Fragen der Führungsethik im Studium sehr selten thematisiert. Dies zeigte eine Studie des IZEW, die ebenfalls von der Carl-Zeiss-Stiftung gefördert wurde. Viele der Studierenden in den MINT-Fächern werden wahrscheinlich im Laufe ihres Berufslebens in Führungspositionen arbeiten. Wie empirisch bestätigt, spiegelt sich diese Berufsperspektive jedoch nicht in der akademischen Ausbildung wider: Führungskompetenzen und die damit verbundenen ethischen Fragen werden im Lehrangebot kaum thematisiert. Die Folge ist, dass Studierende ohne methodische und ethische Führungskompetenzen die Universität verlassen.

Diese Lücke möchte das von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderte Forschungsprojekt füllen. „Unsere Förderung adressiert ein wichtiges Anliegen, das bisher in den Curricula kaum verankert ist. Verantwortungsvolle Führung ist kein Selbstläufer, wie zahlreiche negative Beispiele der Vergangenheit zeigen. Daher sollten spätere Führungskräfte sich schon im Studium damit auseinandersetzen“, so die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Vorsitzende der Stiftungsverwaltung der Carl-Zeiss-Stiftung.

Im Verbund entwickeln die beteiligten Wissenschaftler*innen Lehrangebote, die Studierende befähigen, gute Führungskräfte zu werden. Es werden mit Bezug auf die aktuelle Forschungslage Lehreinheiten entwickelt, die die Studierenden in ihrem eigenen fachlichen Kontext ansprechen und auch die zukünftigen Berufsfelder der Studierenden berücksichtigen.

Die Studierenden sollen lernen, wie eine verantwortliche Führungskraft die Moralvorstellungen, Werte und Ziele reflektieren kann, mit denen sie im Arbeitsumfeld konfrontiert wird. Zukünftige Führungskräfte müssen Formen der Führung hinterfragen können, und dürfen sich in ihren Entscheidungen und Handlungen nicht allein auf Effektivität und Effizienz von Arbeitsabläufen fokussieren.

Ob die Studierenden wirklich lernen, welche Führungskompetenzen wichtig sind und wie sie eingesetzt werden, soll eine wissenschaftliche Evaluation der Lehrangebote zeigen. Dies ist gerade im Bereich „weicher“ Kompetenzen eine Herausforderung. Daher werden im Projekt ein fundiertes und praxisorientiertes Kompetenzmodell sowie korrespondierende Messinstrumente entwickelt, mit denen sich die Wirksamkeit nachvollziehen lässt.

Das Verbundprojekt wird einen ersten Testlauf mit verschiedenen Gruppen von MINT-Studierenden durchführen und evaluieren – das langfristige Ziel ist allerdings, ein entsprechend erprobtes Lehrangebot dauerhaft in die MINT-Studiengänge zu implementieren.

Cordula Brand

Verbundkoordination: 

Universität Tübingen
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) 

Kontakt: 

Dr. Cordula Brand 
 +49 7071 29-77969
E-Mail: cordula.brandspam prevention@uni-tuebingen.de

Dr. Uta Müller 
+49 7071 29-77986
E-Mail: uta.muellerspam prevention@uni-tuebingen.de

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