Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2011: Schwerpunkt

Bologna-Prozess an der Universität Tübingen: „Bachelor 3 plus“ und „Y-Master“

Leitfaden zur Reform von Studiengängen verabschiedet

Ein zentrales Anliegen der Universität Tübingen ist es, die Studienbedingungen der Studierenden zu verbessern. Deshalb wurde am 27. Januar 2011 im Senat der Universität der „Leitfaden zur Entwicklung neuer und Veränderung bestehender Bachelor- und Masterstudiengänge an der Universität Tübingen“ verabschiedet. Damit reagiert die Universität mit einem spezifischen Tübinger Modell auf das vielfach beklagte Problem, dass in der Zeit eines sechssemestrigen Studiums kein Spielraum für eine individuelle Ausgestaltung des Curriculums oder individuelle Schwerpunktsetzungen bleibt. Mit dem Leitfaden werden eine einheitliche und transparente Studienstruktur und ein so genanntes Flexibilitätsfenster eingeführt. „Wir versuchen, aus den bisher gemachten Erfahrungen zu lernen“, erklärt Prorektorin Professor Dr. Stefanie Gropper. „Vorher wurden einfach die Inhalte der Magister- und Diplom-Studiengänge in die Bachelor- und Masterstudiengänge übertragen, jetzt werden wir die Curricula überarbeiten und echte modularisierte Studiengänge konzipieren. Bisher sehr heterogene Studiengänge werden in eine einheitliche Struktur gebracht.“ Der Leitfaden ist für die Fächer der Universität Tübingen eine verbindliche Handreichung bei der Entwicklung und Weiterentwicklung ihrer Studiengänge.

Das Tübinger Modell des „Bachelor 3 plus“ wird den Studierenden ein individuelleres Studium ermöglichen, in dem sie ein Jahr nach ihren eigenen Interessen gestalten können. Grundsätzlich umfassen Bachelorstudiengänge eine Regelstudienzeit von sechs Fachsemestern; jetzt können die Studierenden darüber hinaus ein optionales Flexibilitätsfenster in Anspruch nehmen. Dieses Flexibilitätsfenster hat einen Umfang von 60 Credit-Punkten, die wahlweise als eingeschobene Semester oder studienbegleitend erbracht werden. Je nach persönlichen Interessen und Vorstellungen lässt sich das Flexibilitätsfenster individuell nutzen: für längere, bis zu halbjährige Industriepraktika, zur Vertiefung spezieller Studieninhalte, für Lehrveranstaltungen in benachbarten Fächern oder für von Mentoren begleitete Forschungsprojekte. Alle diese zusätzlich erbrachten Leistungen werden in einem Anhang zum Abschlusszeugnis, einem Diploma Supplement, dokumentiert und sind daher bei Bewerbungen nach dem Studium nachweisbar. Die Studierenden können sich bis zum Abschluss des vierten Fachsemesters entscheiden, ob sie das Flexibilitätsfenster in Anspruch nehmen wollen. Das Flexibilitätsfenster muss nicht als Block in einem Jahr absolviert werden, sondern kann auch kontinuierlich studienbegleitend durchgeführt werden. In begründeten Ausnahmefällen können auch Bachelorstudiengänge mit einer Regelstudienzeit von acht Semestern eingeführt werden. „Mit unserem Leitfaden wollen wir den Fächern eine Struktur vorgeben“, sagt Prorektorin Stefanie Gropper, „so dass sich die Fächer vor allem auf die inhaltliche Konzeption konzentrieren können.“ Mit dem neuen Leitfaden werden auch die Kombinationsmöglichkeiten von Fächern erleichtert. Jedes Hauptfach wird bis zu fünf bevorzugte Nebenfachkombinationen festlegen, die ohne Überschneidungen im Stundenplan studiert werden können.

Noch weiter ausdifferenziert ist das Tübinger „Y-Master“-Modell, das den Studierenden zwei Alternativen eröffnet: Eine klassische Master-These mit stärkerem Anwendungsbezug, begleitet von externen Praktika, die den Übertritt ins Berufsleben erleichtern. Oder als zweite Möglichkeit eine Master-These in Form eines ausgearbeiteten Projektexposés als Vorgriff auf die weiterführende Promotionsarbeit: Diese Variante bietet einen schnellen Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn. Eine weitere Flexibilität wird auch dadurch gewonnen, dass viele Masterstudiengänge jetzt ebenfalls im Sommersemester begonnen werden können.

Ein erster Bachelor 3 plus-Studiengang „Interdisziplinäre Amerikastudien“ mit optionalem Flexibilitätsfenster liegt dem Ministerium zur Prüfung vor. Ein achtsemestriger Bachelorstudiengang mit obligatorischem Flexibilitätsfenster (Auslandsstudium) wird in „Molekulare Medizin“ vorbereitet. Achtsemestrige Bachelorstudiengänge in Psychologie und Physik wurden bereits 2010 eingerichtet. Bis zum Wintersemester 2014/15 soll eine stufenweise Anpassung aller Bachelorstudiengänge an diese neue Struktur erfolgen. Zugleich wird eine Musterprüfungsordnung für Masterstudiengänge erarbeitet werden.

Für den Übergang vom Bachelor zum Master an der Universität Tübingen bedeutet dies konkret: An einen achtsemestrigen Bachelor kann sich nur ein zweisemestriger Master anschließen. Für Studierende mit einem sechssemestrigen Bachelor – von einer anderen Universität – wird es parallel auch viersemestrige Masterstudiengänge geben. Der Bachelor 3 plus ermöglicht ebenfalls – anders als der achtsemestrige Bachelor – einen sich anschließenden viersemestrigen Master.

Michael Seifert


Interview mit Prorektorin Professor Dr. Stefanie Gropper (Audio-Podcast Uniradio Tübingen)