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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2023: Uni intern

Nachhaltiges Forschungsdatenmanagement für die Geisteswissenschaften

Das Digital Humanities Center der Universität Tübingen

Seit 2022 nennt sich das ehemalige, im Jahr 2013 gegründete eScience-Center der Universität Tübingen Digital Humanities Center. Als Core Facility der Universität Tübingen bietet es Forschungsprojekten in den Geistes- und Sozialwissenschaften Unterstützung in den Bereichen Datenmanagement, Archivierung und Publikation von digitalen Daten. Das Center ist somit für viele Doktorandinnen und Doktoranden oder Arbeitsgruppenleiter/innen erster Ansprechpartner, wenn diese in der Antragsphase für ein Projekt angeben müssen, wie mit den generierten digitalen Daten umgegangen wird. Das Digital Humanities Center wird unter anderem durch Mittel aus der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder finanziert. Aktuell besteht das Team aus sieben festen Mitarbeitern und mehreren Hilfskräften.

„Wenn Sie einen DFG-Antrag einreichen, gibt es mittlerweile ein verpflichtendes Unterkapitel zum Umgang mit den Forschungsdaten. Wie werden diese erfasst? Wie werden sie gespeichert? Wie arbeitet das Forschungsteam damit? Was passiert nach dem Projekt mit diesen Daten?“, erklärt Dr. Michael Derntl, Leiter des Digital Humanities Center. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) möchte so die Zugänglichkeit der generierten Forschungsdaten auch nach Abschluss des Projekts sicherstellen. Bei einer Archivierung durch das Digital Humanities Center werden die Daten für mindestens zehn Jahre gespeichert und mit einem Digital Object Identifier (DOI) versehen, so dass sie über Repositorienverbünde für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auffindbar und zitierbar sind. 

Michael Derntl ist promovierter Wirtschaftsinformatiker und kam 2015 an das damalige eScience-Center der Universität Tübingen. Er entwickelte zunächst Datenbanken und Softwareanwendungen bis er 2022 die Leitung übernahm. Im Sommer 2022 kam der Namenswechsel zu Digital Humanities Center. „Jetzt wird besser sichtbar, dass wir primär eine Serviceeinrichtung für die Geistes- und Sozialwissenschaften sind“, sagt Derntl.

Bilder, Videos, Messdaten und Textdokumente werden archiviert

„Ein Datenpaket, das bei uns archiviert ist, kann zum Beispiel aus Tausenden von Bildern eines ägyptischen Tempels bestehen. Die Fotos wurden über Jahre bei der Grabung vor Ort aufgenommen. Da wird im Grunde jeder Millimeter mehrfach fotografiert, auch weil man ja bei einer Grabung das Gelände zwangsläufig zerstört“, erläutert Michael Derntl. Datenpakete können beispielsweise aber auch aus Videos mit Interviews, aus Messdaten oder aus Textdokumenten mit Studien zur Literatur des 17. Jahrhunderts bestehen. 

„Eine wichtige Frage ist auch immer, ob die Daten nicht nur inhaltlich archivwürdig sind, sondern ob sie auch technisch archivfähig sind. Oft wurden die Daten mit einem bestimmten Programm generiert. Sie müssen aber so konserviert werden, dass sie auch noch in zehn Jahren unabhängig von der ursprünglich verwendeten Software genutzt werden können“, sagt Derntl.

Gerätepark für vielfältige Forschungsprojekte

Als Core Facility betreibt das Digital Humanities Center einen Gerätepark mit Drohnen, verschiedenen Vermessungsgeräten, 3-D-Scanner, hochqualitativen Digitalkameras und Objektiven sowie Rechnerstationen, auf denen Lizenzen für Spezialsoftware installiert sind. Das ganze Angebotsspektrum des Digital Humanities Center nutzen vor allem die archäologischen Fächer, mit denen das Center langjährige Kooperationen unterhält. Diese befassen sich mit Projekten, die alle Services von der Gerätenutzung über die Forschungsumgebungen zum Erfassen der Daten bis hin zur Archivierung ausschöpfen.

„Wir sind Ansprechpartner bei allen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studien, bei denen digitale Daten generiert werden. Das kann beispielsweise auch in den Sprachwissenschaften der Fall sein. Wenn etwa mittelalterliche Texte auf bestimmte Personen oder Namen untersucht werden“, fasst Michael Derntl die Services des Digital Humanities Centers zusammen. Bei einer Zusammenarbeit mit den Islamwissenschaften befasste sich ein Forschungsteam mit den Zensusdaten des Osmanischen Reiches von 1905, die digital erfasst werden mussten. Aufgrund der Daten ließen sich die Gesellschaftsstrukturen abbilden, etwa welche Berufsgruppen in welchen Teilen einer Stadt gewohnt haben.

Masterprofil „Digital Humanities“ für 14 geisteswissenschaftliche Masterstudiengänge

„In der Lehre bieten wir mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg das Masterprofil „Digital Humanities“ an, das sich an Studierende von 14 beteiligten geisteswissenschaftlichen Masterstudiengängen wie Ägyptologie, Geschichtswissenschaft oder Deutsche Literatur richtet“, erklärt Michael Derntl. Die Studierenden können sich mit dem Profil innerhalb ihres Studiengangs für digitale Forschungsarbeit spezialisieren.  

Mit dem Digital Humanities Center kooperiert auch das Dr. Eberle Zentrum für digitale Kompetenzen, das sich vor allem an Studierende richtet, bei denen digitale Arbeitsmethoden nicht explizit Teil des Studiengangs sind. „Selbst wenn Sie später in einem Museum arbeiten, müssen Sie heute mit digitalen Medien und digitaler Datenverarbeitung umgehen können. Dazu gehört beispielsweise auch, zu lernen, sich im Web ethisch korrekt zu verhalten.“ Die Angebote des Dr. Eberle Zentrums für digitale Kompetenzen nutzen pro Semester rund 500 Studierende.

Johannes Baral