Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Wie fair ist die Schokolade auf der Tübinger ChocolArt?

Studierende im Studium Oecologicum befragten 51 Aussteller*innen

Wer verdient wie viel an einer Tafel Schokolade? Wie groß ist der ökologische Fußabdruck im konventionellen Kakao-Anbau? Und, wie können faire Alternativen aussehen? Im Rahmen eines Seminars im Studium Oecologicum befragten 21 Studierende Aussteller*innen und Besucher*innen über die Relevanz fairer Schokolade auf dem Internationalen Schokoladenfestival ChocolArt. Ihre Ergebnisse präsentierten sie anschließend in lokalen und überregionalen Medien.

Alljährlich zur Vorweihnachtszeit strömen Hunderttausende an Besucher*innen in die Tübinger Altstadt zum Schokoladen(konsum)rausch auf der ChocolArt. Dies hat das Studium Oecologicum zum Anlass genommen, um einen kritischen Blick hinter die Verpackung der süßen Tafeln zu werfen. Im Kurs „Faire Schokolade – selbst herstellen und medial sichtbar machen“ beschäftigten sich die Studierenden an zwei Wochenenden mit den globalen Handelsstrukturen im Kakaosektor und den verschiedenen Ansatzpunkten des Fairen Handels als nachhaltige Alternative. Bei einem Besuch der eigens organisierten Inkota-Ausstellung „Süß & Bitter“ in der Stadtbücherei lernten sie mit Bildern, Videos und Audioschnitten die koloniale Geschichte der Kakaoproduktion und heutige Situation der Kakaobäuer*innen kennen. Im Tübinger Weltladen erfuhren sie von Christine Newrzella mehr über die Geschichte der lokalen Fairhandelsinitiative und darüber, wie die direkten Partnerschaften mit Kooperativen im Globalen Süden (u.a. Kallari) aufgebaut wurden.

Das transdisziplinär angelegte Seminar lebte von der engen Verknüpfung zwischen Universität, Medien und ehrenamtlichen Initiativen: Sowohl Praxisakteur*innen als auch Medienpartner*innen waren am Seminar beteiligt. Die Dozent*innen, Raquel Cayapa und Birgit Hoinle, sind beide auch selbst im Bildungs-Arbeitskreis des Weltladen aktiv. Für die Begleitung der Studierenden bei der redaktionellen Arbeit und öffentlichkeitswirksamen Aufbereitung der Ergebnisse war die Kooperation mit Medienpartner*innen ein wichtiger Baustein. Dazu zählten das Schwäbische Tagblatt, das Studierendenmagazin Kupferblau und das Freie Radio Wüste Welle. Als überregionale Plattform zum Thema nachhaltige Ernährung konnte zudem eine Zusammenarbeit mit der Online-Plattform Ernährungswandel aufgebaut werden. Um die Studierenden auf ihre Rolle als Reporter*innen vorzubereiten gab der Tagblatt-Journalist Volker Rekittke im Seminar einen Input zum Einmaleins des Artikelschreibens sowie Tipps zum Umgang mit kniffligen Situationen bei öffentlichen Befragungen.

Mit diesem inhaltlichen wie journalistischen Handwerkszeug ausgerüstet, starteten die Studierenden die Umfragen auf der ChocolArt. In Gruppen hakten sie sowohl bei Händler*innen als auch bei Besucher*innen nach, welche Relevanz faire Schokolade für sie habe. So konnte u.a. aufgedeckt werden, dass die ChocolArt-eigene ‚Fair‘-Kennzeichnung nicht notwendigerweise das hält, was sie verspricht: An machen Ständen, die mit der Tübinger Kennzeichnung versehen waren, gab es lediglich fairen Kaffee oder nur einen gewissen Anteil an fairen Produkten im Sortiment. Von den insgesamt 51 befragten Aussteller*innen konnten lediglich zehn angeben, dass sie einen Überblick über die gesamte Lieferkette haben und die Kakaobäuer*innen existenzsichernde Löhne für ihre Arbeit erhalten. 37 Aussteller*innen vermerkten jedoch, dass sie von den Kund*innen gar nicht bzw. selten nach fairer Schokolade gefragt werden. Die Resonanz der Besucher*innen erörterte eine Kleingruppe genauer in dem Kupferblau-Artikel zu „Warum ist Fairtrade (k)ein Thema für sie.“

Zum Abschluss des Seminars nahm Raquel Cayapa die Studierenden mit Bildern und Videos auf eine Reise in den ecuadorianischen Amazonas mit, wo sie selbst aufgewachsen ist und an der Gründung der Kooperative Kallari beteiligt war. Die Kooperative Kallari wurde vor fünfzehn Jahren von indigenen Gemeinschaften aufgebaut und zählt weltweit zu den einzigen Projekten, die nicht nur den Rohstoff Kakao exportieren, sondern auch den Prozess der Verarbeitung – die Schokoladenherstellung an sich – eigenständig durchführen. Die Schokolade von Kallari ist inzwischen als Tübinger Stadtschokolade ausgezeichnet worden. Zu guter Letzt durften die Teilnehmenden diese faire Schokolade nicht nur probieren, sondern in einer Schokoladenwerkstatt auch selbst zubereiten. Abschließend wurde diskutiert, was Tübingen tun kann, damit auf der ChocolArt aber auch in der Stadt und der Universität fairer Konsum eine wichtigere Rolle spielt. Ein erster Hinweis wurde bereits in einem rückblickenden Bericht im Tagblatt gegeben, demnach sehen die ChocolArt-Organisator*innen auch selbst „Verbesserungsbedarf“ bei der künftigen Kennzeichnung ihrer Stände. 

Birgit Hoinle