Juristische Fakultät

07.06.2024

Symposium zu Ehren von Professor Dr. iur. Dr. theol. h.c. Martin Heckel

Zu Ehren des 95. Geburtstages von Martin Heckel lud die Juristische Fakultät zu einem Symposium am 7. Juni 2024 ein.

Heckel, geb. 22. Mai 1929 in Bonn, hatte nach seiner Habilitation in Heidelberg ab 1960 bis zu seiner Emeritierung 1997 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Kirchenrecht und Verfassungsgeschichte an der Eberhard Karls Universität inne. Von 1961-1977 war er Mitglied der Württembergischen Evangelischen Landessynode. Prägende Arbeit leistete er von 1970-1973 auch als Mitglied des Rates und der Synode der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) sowie von 1976-1997 als Präsident deren Schiedsgerichtshofs. Von 1988 bis 1990 war Heckel Vorsitzender der Deutschen Staatsrechtslehrervereinigung. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören unter anderem die Ehrendoktorwürde der Evangelisch-theologischen Fakultät München, die Johannes-Brenz-Medaille der Württembergischen Evangelischen Landeskirche in Silber sowie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Prodekan Prof. Johannes Saurer hieß im Namen der Juristischen Fakultät die zahlreich erschienen Gäste willkommen. Saurer würdigte zunächst Heckels großes wissenschaftliches Werk, das sich durch vier Säulen auszeichne: Staat, Kirche, Recht und Geschichte. Das Miterleben der Entstehung des Grundgesetzes und der ersten Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen habe den Wissenschaftler entscheidend geprägt. Saurer widmete sich im Anschluss Heckels Verbundenheit mit Tübingen, die nach Promotion und Habilitation in Heidelberg mit einem Ruf an die Eberhard Karls Universität mit gerade einmal 31 Jahren begann. Heckel sei trotz Rufen nach Bonn, Erlangen und zweimalig nach München der Fakultät stets treu geblieben. Seine engagierte Verbundenheit mit der Fakultät habe sich zudem in der Wahrnehmung zahlreicher Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung gezeigt.

Auch Prorektorin Prof. Karin Amos würdigte im Namen des Rektorats der Universität neben Heckels intensivem Gelehrtenleben, das sein Rechtsgebiet maßgeblich geprägt habe, sein großes Engagement in der akademischen Selbstverwaltung im Besonderen. Seine Arbeit in zahlreichen Gremien der Universität habe Heckel stets mit großer Vernunft sowie mit viel Humor wahrgenommen. Noch heute sei er als Mitglied des Beirats des Instituts für Recht und Religion für seine Expertise und Weitsicht sehr wertgeschätzt.

Schließlich gratulierte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl Heckel im Namen der Landeskirche. Gohl würdigte zunächst Heckels zahlreiche Publikationen und darunter insbesondere sein 2017 zum Reformationsjubiläum erschienenes Werk „Martin Luthers Reformation und das Recht“. Anschließend bedankte er sich für seinen Einsatz als Mitglied der Landessynode und Vorsitzenden deren Rechtsausschusses. Bei all der Dankbarkeit, mit der man in die Vergangenheit blicke, solle man allerdings nicht den Blick voraus vergessen und sich fragen, welche Aufgaben für Gegenwart und Zukunft Heckel mit seinem Werk auf den Weg gebe. Man solle sich beispielsweise damit beschäftigen, was die Säkularisierung für die Kirche bedeute und wie das Verhältnis von Kirche und Recht ist. Dabei solle man bedenken, dass das kirchliche Recht gegenüber dem Bekenntnis nur dienende Funktion habe und lediglich Auftragsmaßstäbe für kirchliches Handeln verbindlich mache.

Im Anschluss referierte Prof. Heinrich de Wall, Direktor des Hans-Liermann-Instituts der FAU Erlangen-Nürnberg zum Thema „Staat und Kirche am Wendepunkt? Die Krise der Kirchen, das Kirchenrecht und die Religionsverfassung“. Nicht nur der Mitgliederverlust und die sinkende Finanzkraft der Kirchen, sondern auch die zunehmende Politisierung ihrer Willensbildungsprozesse seien Anlass zur Besorgnis. Aufgabe des Rechts sei, in diesen Veränderungsprozessen Instrumente zu schaffen, die diese Krisen bewältigen. Dabei sei juristische Kreativität statt Limitierung durch das Recht gefragt. Die komplexe kirchliche Organisationsgestalt und die bedrückende Vielfalt der Aufgaben seien große Herausforderungen, die sich auf verschiedene Ebenen der Kirche wiederfinden würden. Auf Ebene der Gemeinde bestehe die Aufgabe die Identität der einzelnen Gemeinde zu wahren, aber gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu stärken, um gemeinsame Lösungen zu finden. Lösungsvorschläge für den Pfarrermangel wie die Eröffnung des Pfarrerberufs für Menschen ohne Theologiestudium seien zumindest zu diskutieren. Die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Landeskirchen, wo sich die Unübersichtlichkeit in der Regel kumuliere, seien dabei sehr beachtlich, so de Wall. Für die Landeskirchen bestehe die Aufgabe, einen transparenten Organisationsrahmen zu schaffen und die lebenspraktische Bindung an die Mitglieder vor Ort zu wahren. Das Problem der hohen Komplexität der kirchlichen Organisationsstrukturen spiegele sich auch im Verhältnis zwischen den Landeskirchen und dem EKD wider und sei sogar ein globales Problem, jedenfalls im Protestantismus. Hohe Bürokratie und die staatsanaloge Zuspitzung grotesk detaillierter Regelungen würden zu Ineffizienz führen. Man solle sich fragen, welche Regelungen wirklich notwendig seien und die Gefahr von Regelungslücken durch ein stärkeres Vertrauen in die Kirchenämter und Amtsträger kompensieren. Um Lösungen zu finden und die Weiterentwicklung der Kirche zu gewährleisten, sei es notwendig, die gesammelten Erfahrungen zu analysieren und in zentralen Austauschforen zu diskutieren. Kommunikation sei hier der Schlüssel. Angesichts der sinkenden Finanzkraft der Kirche sei zu überlegen, ob es ein alternatives Kirchensteuermodell gebe, denn nicht nur die Finanzierung der kirchlichen Ämter, sondern auch der Instandhaltung von Gebäuden oder der kirchlichen KITAs sei in Gefahr. Auch die immer strengeren bürokratischen Auflagen und Datenschutzvorgaben seien für viele Gemeinden eine große Herausforderung. Die verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmung drohe erstickt zu werden, so de Wall. Zusammenfassend stellte de Wall fest, dass vielfältige Probleme in den Details stecken und zitierte hierzu Heckel: „Die Zucht des Konkreten führt in die Tiefe des Prinzips und lehrt das Maß der Dinge.“

Zum Abschluss des Symposiums übernahm Heckel selbst das Podium und meinte, auf die lobenden Worte nur mit Bescheidenheit und Demut antworten zu können. Angesichts der Krisen sei es wichtig, die Freude am Evangelium und die Hoffnung zu bewahren. Der 1929 geborene Referent blickte zurück in seine Jugendzeit, die zu Zeiten einer schweren wirtschaftlichen Krise begann und später durch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs geprägt war. Nach dem Krieg galt es dann, den Schäden aus der NS-Zeit zu begegnen, schilderte Heckel. Das Grundgesetz sei aus einem Meer aus Not, Leid und Verwüstung erwachsen. Die Vergegenwärtigung dieses Umstands unterstreiche die Bedeutung und den Wert dessen, was es zu verteidigen gelte. Es sei auch zu hinterfragen, ob das damals geschaffene System den heutigen Zeiten politischer Polarisierung noch standhalten kann. Die Verfassung müsse lebendig bleiben. Bei der Betrachtung der heutigen Krise der Kirche mahnt Heckel zur Gelassenheit. Er regte einen Blick in die Kirchenrechtsgeschichte an, die beweise, dass die Kirche bereits größere Krisen überstanden habe. Die Kirche solle sich auf ihren Kern fokussieren und der Selbstsäkularisierung widerstehen. Die Welt brauche die Botschaft des Evangeliums. Abschließend äußerte Heckel nochmals seine Dankbarkeit gegenüber seiner Familie, der Kirche sowie der Universität und betonte die große Freude, die er immer an seiner Arbeit gehabt habe.

Text & Fotos: Laura Anger

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