Mittelalterliche Geschichte

PD Dr. Christoph Mauntel

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Auf Anfrage per zoom

Sprechstunde während der vorlesungsfreien Zeit: Termine

Adresse:
FB Geschichtswissenschaft
Seminar für mittelalterliche Geschichte
Wilhelmstraße 36
72074 Tübingen

E-Mail: christoph.mauntelspam prevention@uni-tuebingen.de

Forschungsschwerpunkte

› Kartographie und geographische Vorstellungen im Mittelalter
› Mobilität und Reisen im Mittelalter
› Gewalt im Mittelalter
› Politische Ideengeschichte: Vorstellungen von Herrschaft und Imperialität
› Kulturgeschichte des Politischen: Kulturen des Protests und Aufstände
› Geschichte Frankreichs, Englands und Burgunds

Veröffentlichungen und Vorträge

Zur Person ∙ Beruflicher Werdegang

WiSe 2023/24
Vertretung der Professur für Mittelalterliche Geschichte, Osnabrück

 

 

Seit April 2023
Heisenberg-Stelle an der LMU München

Projekt: Umwege, Verzögerungen und Wartezeiten – Zu einer wenig beachteten Dimension vormoderner Mobilität

2022-2023
Vertretung der Professur für Geschichte der Religionen, Konstanz

Prof. Dr. Daniel König, Fach Geschichte, Universität Konstanz

2021-2022
Vertretung der Professur für Mittelalterliche Geschichte (50%), Tübingen

Prof. Dr. Steffen Patzold, Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Universität Tübingen

Mai 2021
Habilitation (Eberhard Karls Universität Tübingen)

Venia legendi für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. Thema der Habilitationsschrift: "Asien – Europa – Afrika. Die Erdteile in der Weltordnung des Mittelalters"

Seit Januar 2021
Mitglied im DFG-Netzwerk „Die Absicht der Anderen. Zur sozialen Wirksamkeit von Intentionszuschreibungen im europäischen Mittelalter“
2019-2021
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Universität Tübingen
2015-2019
Postdoc am Graduiertenkolleg "Religiöses Wissen im vormodernen Europa", Universität Tübingen
2015
Forschungsaufenthalte in Paris (März), London (Juni) und Moskau (September)

Gerald D. Feldman-Stipendium der Max Weber Stiftung

2014-2017
Mitglied des WIN-Kollegs „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften

Projekt: Die Vermessung der Welt. Religiöse Deutung und empirische Quantifizierung im mittelalterlichen Europa

2013-2015
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“, Universität Heidelberg

Forschungsprojekt "Weltordnungen in Transkultureller Perspektive"

Juni 2013
Promotion (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)

Thema der Dissertation: "Gewalt in Wort und Tat. Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich"

2011-2015
Mitglied des SFB 933 „Materiale Textkulturen“
Juni 2010
Stipendiat des Deutschen Historischen Instituts Paris
2010-2013
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Heidelberg
2004-2010
Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, Osteuropäischen Geschichte und Slavistik an den Universitäten Göttingen und Heidelberg

Magister Artium (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg). Thema der Magisterarbeit: "Symbole und Rituale in spätmittelalterlichen Aufständen"

Forschungsprojekte

Forschungsprojekt: Neuausgabe des ‚Katalanischen Weltatlasses‘ von 1375 (seit 2023)

Der sog. Katalanische Weltatlas ist von kosmographischen und astronomischen Texten gerahmte Oikumenekarte aus dem Jahr 1375. Geschaffen wurde er vom jüdischen Kartographen Cresques Abraham auf Mallorca, im Auftrag von Peter IV. von Aragón, der den Atlas Karl V. von Frankreich schenkte – ein wahrhaft königliches Geschenk. Verwahrt wird der Atlas bis heute in Paris (BnF, Ms esp. 30).
Zum 600. Geburtstags des Atlasses im Jahr 1975 erschienen gleich mehrere Ausgaben: Eine spanische Edition, eine deutsche Übersetzung von Hans-Christian Freiesleben sowie die bisher maßgebliche Edition von Georges Grosjean, die jedoch auf 790 Exemplare limitiert war. In den Jahren seither hat sich die Forschung intensiv mit dem Atlas beschäftigt und die alten Ausgaben sind auf dem Markt kaum mehr greifbar. Grund genug, den Atlas zum sich nähernden 650. Jubiläum mit einer Neuausgabe zu würdigen, die bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) erscheinen wird.

Forschungsprojekt: Umwege, Verzögerungen und Wartezeiten – Zu einer wenig beachteten Dimension vormoderner Mobilität (seit 2023)

Gefördert durch das Heisenberg-Programm der DFG

 

Mobilität und Reisen bedingen Bewegung, ja sind geradezu durch eine Bewegung im Raum auf ein spezifisches Ziel hin definiert. Gleichzeitig stößt jede menschliche Mobilität unweigerlich auf Hindernisse und Probleme, die durch politische Grenzen, fehlende Geldmittel, beschränkte Transportkapazitäten oder vieles mehr bedingt sein können. Der Blick in vormoderne Reisebeschreibungen offenbart ähnliche Probleme, deren Beschreibung mitunter breiten Raum in den entsprechenden Quellen der Reisenden einnehmen: Wartezeiten, Verzögerungen und Umwege waren elementarer Bestandteil des Reisens.

Der analytische Blick auf Umwege und Wartezeiten zeigt uns Akteurinnen und Akteure, die an die Grenze ihrer eigenen Handlungsmöglichkeiten gerieten und mit zeitlichen Verzögerungen und emotionalem Frust umgehen mussten – Phänomene, die in unserem Bild vormoderner Mobilität bisher fehlen, dieses jedoch auf mehreren Ebenen vervollständigen können: Die Erkenntnispotentiale betreffen dabei sowohl strukturelle Merkmale des Reisens als auch individuelle, v.a. emotionale Erfahrungen Reisender. Darüber hinaus verspricht das Projekt Einblicke in die narrative Anlage der entsprechenden Quellen und eine Reflektionsmöglichkeit über Bedingtheiten vormodernen Wartens.
Das Projekt zielt darauf, Verzögerungen und Wartezeiten als Phänomene eigener Wertigkeit für eine Analyse vormoderner Mobilität fruchtbar zu machen. Konkretes Ergebnis soll eine deutschsprachige Monographie sein, die in breiterem zeitlichem Zugriff ein repräsentatives Sample von Reisebeschreibungen auf entsprechende Fundstellen analysiert und diese auswertet. Inhaltlich geht es dabei nicht vorrangig um eine Zusammenstellung derjenigen Phänomene, die Verzögerungen für die Reisenden bedingten, sondern um die dahinterstehenden Mechanismen der narrativen Darstellung und (auch emotionalen) Verarbeitung seitens der Akteurinnen und Akteure.

Auf einer zweiten Analyseebene soll zudem gefragt werden, ob es Spezifika des vormodernen Wartens gegenüber heutigen Formen gibt, die schon intensiver von der soziologischen Forschung untersucht wurden. Auch mit Blick auf das Mittelalter soll ein möglicher zeitlicher Wandel von Darstellungs- und Deutungsstrategien im Blick behalten werden. Die Professionalisierung v.a. des Pilgerwesens im späteren Mittelalter lässt erwarten, dass bezahlende ‚Kundinnen und Kunden‘ anders auf Verzögerungen reagierten, als selbständig und auf eigene Verantwortung Reisende. Mit einer verstärkten Organisation des Reisens könnte – so eine Arbeitshypothese – auch eine sich wandelnde Einstellung zu Wartezeiten einhergehen.
 

Habilitationsprojekt: Die Erdteile in der Weltordnung des Mittelalters (2015-2021)

Die Arbeit wird für den Druck in den "Monographien zur Geschichte des Mittelalters" (Hiersemann) vorbereitet.

Das Projekt nimmt mit dem Konzept der ‚Kontinente‘ eine grundlegende geographische Ordnungskategorie in den Blick und analysiert ihre Bedeutung für das mittelalterliche Weltbild.

Die Idee, die Erde in mehrere Teile zu gliedern, entstammt der griechischen Antike und wurde über römische Autoren an das Mittelalter überliefert. In der Spätantike bzw. dem Frühmittelalter wurde das Konzept christlich überprägt und in neue Weltentwürfe übernommen: Der Osten wurde zur bestimmenden Himmelsrichtung, der östliche Erdteil, Asien, zum vornehmsten, reichsten und heilsgeschichtlich bedeutendsten Kontinent stilisiert. Geographische Kenntnisse und Erfassungskategorien können damit für das Mittelalter als religiös geprägtes Wissen verstanden werden. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich das Wissen um die drei Erdteile Afrika, Asien und Europa zum geographischen Grundlagenwissen, das jedoch weit über geographische Kontexte hinaus Anwendung fand.

Das Forschungsprojektes analysiert sowohl die christliche Fundierung des Konzepts als auch Kontexte, Formen und Funktionen seines Gebrauchs im Mittelalter. Neben der frühmittelalterlichen Bedeutungsaufladung stehen dabei die zunehmenden transkulturellen Kontakte im Fokus, in die die lateinische Christenheit seit dem 12. Jahrhundert eingebunden war (Kreuzzüge, Expansion der Mongolen, Asienreisen). Die damit einhergehenden Austauschprozesse führten zu einer intensivierten Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdbildern. Vor diesem Hintergrund analysiert das Projekt, wie Traditionswissen und individuelle Erfahrung gegeneinander abgewogen wurden sowie welche Rolle die Erdteile für die Erfassung und Deutung der Welt durch christlich-lateinische Autoren und Kartographen spielten. Die Bedeutung des Konzepts liegt dabei darin, dass es Individuen oder Gruppen ermöglichte, die Welt in globalem Maßstab zu erfassen und sowohl sich selbst als auch fremde Regionen in einem einheitlichen System zu verorten und zueinander in Bezug zu setzen.

Sammelband: Geography and Religious Knowledge in the Medieval World (2019-2021)

Der Band entstand aus einer Tagung heraus, die am 11.-12. April 2019 in Tübingen stattfand.

Zum Sammelband (OpenAccess)

In the medieval world, geographical knowledge was influenced by religious ideas and beliefs. Whereas this point is well analysed for the Latin-Christian world, the religious character of the Arabic-Islamic geographic tradition has not yet been scrutinised in detail.

This volume addresses this desideratum and combines case studies from both traditions of geographic thinking. The contributions comprise in-depth analyses of individual geographical works as for example those of al-Idrisi or Lambert of Saint-Omer, different forms of presenting geographical knowledge such as TO-diagrams or globes as well as performative aspects of studying and meditating geographical knowledge.

Focussing on texts as well as on maps, the contributions open up a comparative perspective on how religious knowledge influenced the way the world and its geography were perceived and described int the medieval world.

Forschungsprojekt: World Orders in Transcultural Perspective (2013-2015)

The project was based at the Cluster of Excellence "Asia and Europe in a Global Context" (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)

World Orders in Transcultural Perspective: Pre-modern Concepts of Continents and Empire

Broad meta-categories like ‘Continent’ and ‘Empire’, which serve to order the social or physical world, play an important role in the self-perception and self-description of societies: They contribute to the construction of a specific world-view and enable social actors (individuals and institutions alike) to position themselves in this larger framework, but also to orientate their actions accordingly. The project ‘World Orders in Transcultural Perspective’ focused on the mutual relations, changes, and influences between such meta-categories in the pre-modern period. This chronological focus allowed us to analyse a period, which was profoundly marked by the growing contacts and exchanges between the European and Asian societies and cultures; we could thus analyse divergent developments as well as processes of mutual perception and influence.
The chosen approach might be illustrated with some of the central findings on the category of ‘Empire’: In the Latin-European Middle Ages, the notions of imperium resp. imperator developments were commonly used to designate the superior authority of a ruler, which exceeded the position of a ‘mere’ king. In this sense, it was applied in different contexts, which can roughly be divided into two main strands: On the one hand, imperial titles could be used as self-designations—e.g. by the ‘Roman Emperor’ (imperator Romanorum), but also by a number of Anglo-Saxon or Iberian kings (imperator Anglorum, imperator Hispaniae). On the other hand, the title imperator could also be used by a number of authors to seize and describe the power and authority of ‘foreign’, non-European rulers with a terminology that the authors themselves, but also their audience were familiar with. These effects became particularly relevant from the 12th century onwards, when Latin Christians were increasingly implied in ever more dense transcultural contacts and exchanges. As a consequence, in Crusade chronicles the Seljuk Sultan could be called the imperator Persidis, while a number of later-medieval travelogues called the Mongol Khan the imperator Tartarorum. Based on this tradition, and seen in a global perspective, empires became ‘countable’ and constituted a category that was employed to order the entire world: Writing around 1420, the chronicler Ulrich Richental from Constance, for example, listed no less than nine empires, explicitly underlining that seven of them were to be found in Asia.
The tripartite order of the known world, which was usually subdivided into three continents, constituted one of the central features of the world-view in the Christian World as well as in Islam. Especially in the Latin-Christian perspective, Asia was perceived to have precedence before Europe and Africa: it was described as being not only the largest continent, but also the home of immense riches, miraculous creatures and, not least, particularly powerful rulers. To the ecumene’s extreme east, far away from the Christian kingdoms’ they were familiar with, many authors located earthly paradise. The tripartite order, but also the topical attributions to the continents prove to be astonishingly stable throughout the Middle Ages in the Latin-Christian tradition: even though numerous travels entailed an enormous growth of empirical knowledge from the 13th century on, Asia (or the ‘Orient’ in general) continued to be widely perceived as a space of wonder and superlatives.
An inclusive approach to structures and categories of ‘world-order’ that includes phenomena from the Islamic or Chinese tradition cannot only show that the choice of categories and their parameters were culturally determined. In addition, it also enables us to identify the existence of alternative categories and structures, as well as their intimate relation with further cultural features. This can, e.g. be demonstrated with the tripartite structure of the geographic world-view that became particularly prominent in the Christian tradition, where it resonates with further features from the realms of religion, politics, and culture. On the level of political order, European cultures were increasingly characterized, towards the later Middle Ages, by a plurality of kingdoms—a phenomenon that was already deliberated by contemporary authors. Asia, on the other hand, became a ‘space of imagination’ for Latin-Christian authors, which was characterized by the existence of mighty empires.
Our own work in the context of this project, which focused on the categories of ‘continent’ and ‘empire’, culminated in an inter-disciplinary conference under the title “Order into Action” (Heidelberg, 10-12 November 2016). Not least in order to inspire future research in transcultural perspective, the contributions to this conference seek to explore if and in how far the structure of political, geographical, or religious categories of order influenced the actions of individuals or groups.

Related Publications

Books
Oschema, Klaus/Mauntel, christoph, (eds.), Order into Action. How large-scale concepts of world-order determine practices in the premodern world, hg. von Christoph Mauntel und Klaus Oschema (Cursor Mundi 40), Turnhout [in prepartion].

Jones, Chris/Mauntel, Christoph/Oschema, Klaus (eds.), A World of Empires. Claiming and Assigning Imperial Authority in the Middle Ages (thematic issue of The Medieval History Journal 20/2 (2017)), Los Angeles et al. 2017.

Articles
Mauntel. Christoph/Oschema, Klaus/Ducène, Jean-Charles/Hofmann, Martin, Mapping Continents, Inhabited Quarters and The Four Seas. Divisions of the World and the Ordering of Spaces in Latin-Christian, Arabic-Islamic and Chinese Cartography in the Twelfth to Sixteenth Centuries. A Critical Survey and Analysis, in: Journal of Transcultural Medieval Studies 5/2, 2018, S. 295–367. 

Mauntel. Christoph,  Ideas of Empire. A Comparative Study in Anglo-Saxon and Spanish Political Thought (from the Eighth to the Twelfth Century), in: Viator 48/3, 2018, S. 1–25. 

Mauntel, Christoph, Beyond Rome. The polyvalent usage and levels of meaning of imperator and imperium in medieval Europe in: Renovatio, inventio, absentia imperii. From the Roman Empire to contemporary imperialism, hg. von Wouter Bracke, Jan Nelis und Jan de Maeyer (Études (Institut Historique belge de Rome)), Turnhout 2018, S. 69-92. 

Mauntel, Christoph, The ‘Emperor of Persia’. ‘Empire’ as a Means of Describing and Structuring the World, in: The Medieval History Journal 20/2, 2017 [thematic issue: A World of Empires, hg. von Chris Jones, Christoph Mauntel und Klaus Oschema], S. 354-384. 

Jones, Chris/Mauntel, Christoph/Oschema, Klaus, Controversial Terminology. Medieval Perspectives on Claiming and Assigning Imperial Status, in: The Medieval History Journal 20/2, 2017 [thematic issue: A World of Empires, hg. von Chris Jones, Christoph Mauntel und Klaus Oschema], S. 233-247. 

Mauntel, Christoph, Vom Ozean umfasst. Gewässer als konstitutives Element mittelalterlicher Weltordnungen, in: Ozeane. Mythen, Interaktionen und Konflikte, hg. von Friedrich Edelmayer und Gerhard Pfeisinger (Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder 16), Münster 2017, S. 57–74.  

Mauntel, Christoph/Oesterle, Jenny Rahel, Wasserwelten. Ozeane und Meere in der mittelalterlichen christlichen und arabischen Kosmographie, in: Wasser in der mittelalterlichen Kultur/Water in Medieval Culture. Gebrauch – Wahrnehmung – Symbolik/Uses, Perceptions, and Symbolism, hg. von Gerlinde Huber-Rebenich/Christian Rohr/Michael Stolz (Das Mittelalter, Beihefte 4), Berlin/Boston 2017, S. 59-77.

Promotionsprojekt: Gewalt im spätmittelalterlichen Frankreich (2010-2013)

Im Druck erschienen im April 2014 und online verfügbar (seit 2017)

Die Geschichte der Gewalt kann im 20. Jahrhundert nur als Problemgeschichte gedacht werden: Gewalt ist unerwünscht und generell negativ, wird sie dennoch ausgeübt, bedarf sie der besonderen Legitimierung. Das Mittelalter dient uns aus dieser Sicht heraus als Gegenwelt, als "ferner Spiegel", dessen oft beschworene "Finsternis" im populären Geschichtsbild vor allem mit exzessiver Gewaltausübung verknüpft ist. Auch der wissenschaftliche Blick kann sich diesem modernen Problembewusstsein nicht entziehen - so wird häufig unbewusst ein moderner Maßstab zugrunde gelegt, wenn mittelalterliche Kriege oder Hinrichtungen als "grausam" beschrieben werden.

Vor diesem Hintergrund wurde das mittelalterliche Verständnis von Gewalt in seiner kulturellen Alterität untersucht. Dabei stand nicht die Rekonstruktion und Analyse von Handlungen im Vordergrund, sondern deren zeitgenössische Interpretation und Verarbeitung und damit ein besseres Verständnis der Bedeutung, die Gewalt für die mittelalterliche Welt hatte. Als Untersuchungsobjekt bietet sich das spätmittelalterliche Frankreich an, da diese Zeit von vielfältigen, auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelten Konflikten geprägt war, die mit Gewalt ausgetragen wurden. Als Quellen wurden hauptsächlich Chroniken, Traktate und Rechtsquellen ausgewertet