Institut für Erziehungswissenschaft

Bildungstheorie und Schule. Historisch-systematische Analysen zu einer nicht-affirmativ ausgerichteten bildungstheoretischen Grundlegung von Schulpädagogik und Schultheorie

Beteiligte Personen/Institutionen

PD Dr. Dr. Martin Harant


Zusammenfassung

Die kumulativ angelegte Habilitationsschrift Harants verfolgt die Fragestellung, inwiefern sich der neuzeitliche Bildungsbegriff gegenwärtig noch als zentrierende Kategorie von Schulpädagogik und Schultheorie begründet bestimmen lässt. So werden derzeit in der wissenschaftlich-pädagogischen Community gewichtige Einwände gegen den Bildungsbegriff vorgetragen: Als Einwand gegen den Bildungsbegriff wird zum einen seine ungeklärte Normativität (Zielvorstellungen von Bildungsprozessen, die auf anthropologischen bzw. weltanschaulichen Voraussetzungen beruhen) vorgebracht. Zum anderen wird die Abständigkeit des Bildungsbegriffs zu Grundbegriffen sozialwissenschaftlicher Theoriebildung problematisiert, die wie der Sozialisationsbegriff zur Beschreibung und Erklärung gesellschaftlicher Prozesse Verwendung finden. Schließlich sehe, so die weitere Kritik, der Bildungsbegriff von Macht- und Herrschaftsprozessen des Gesellschaftlichen ab, wie sie beispielsweise Foucault in seiner machtanalytischen Dekonstruktion des schulischen Anspruches einer Bildung zur mündigen Subjektivität herausgearbeitet hat.

Diese Einwände bilden die Hintergrundfolie für die vorliegende Arbeit, die auf der einen Seite die gegen den Bildungsbegriff erhobenen Einwände anhand der Analyse exemplarischer Theoriebeiträge systematisch rekonstruiert und kritisch-analytisch beleuchtet. Im Fokus stehen dabei der Einspruch der Tatsachengesinnung im Gefolge Bernfelds, ferner der kapitaltheoretische Einspruch Bourdieus, der negativ-dialektische Einspruch gegen neuzeitliches Bildungsdenken im Gefolge Adornos, der strukturfunktionale Einspruch im Gefolge Parsons, sowie schließlich die machtanalytischen Einsprüche im Rückgriff auf Foucault. Auf der anderen Seite werden für die Schultheorie relevant gewordene bildungstheoretische Beiträge daraufhin untersucht, inwiefern sie Beiträge dazu zu leisten vermögen, den erhobenen Vorwürfen ungeklärter Normativität sowie der unterstellten Abständigkeit zur sozialwissenschaftlichen Betrachtungen begegnen zu können. Im Zentrum dieser Analyse stehen Beiträge von Comenius, Rousseau, Herbart, Hegel und Spranger.

Die Möglichkeit der Zusammenschau von sozialwissenschaftlicher Theorie und pädagogischer Bildungstheorie, so das Ergebnis der Analysen, lässt sich im Gefolge Benners im rekonstruierten Gedanken der ›unbestimmten Bildsamkeit‹ ausmachen. Gemeint ist, dass sich durch den pädagogischen Grundgedanken der wesentlichen Unbestimmtheit von Bildungsprozessen ein reflexiver Distanzgewinn sowohl gegenüber normativen Ansprüchen von Bildungszielen als auch gegenüber den in sozialwissenschaftlichen Analysen herausgearbeiteten gesellschaftlichen Ansprüchen politischer, ökonomischer, religiöser, sittlicher oder auch szientifischer Natur einstellt. Diese Ansprüche normativer und gesellschaftlicher Art, so das Fazit, kreuzen sich in der Schule und lassen diese als funktionale gesellschaftliche Sozialisationsinstanz (z.B. Parsons) erscheinen bzw. reduzieren Schule auf ein »Dispositiv der Macht« (Foucault) nur dann, wenn man von der Möglichkeit der reflexiven Brechung dieser Ansprüche absieht, die letztlich, wie gezeigt wird, auch das sozialwissenschaftliche Arbeiten dort verfolgt, wo es nicht in instrumenteller Absicht (etwa im Sinne versuchter Einflussnahme eines social engineering) vorgetragen wird.

In der Bündelung weiterer Publikationen wird anschließend exemplarisch gezeigt, welche analytischen Perspektiven sich durch den Ansatz einer nicht-affirmativ ausgerichteten Grundlegung von Schulpädagogik und Schultheorie für gegenwärtig relevante Diskursfelder, wie die disziplinäre Selbstverortung von Schulpädagogik im Horizont von Bildungswissenschaften, die Frage nach schulischer Inklusion und schließlich dem zu problematisierenden kompetenzorientiert gedachten Zugriff auf Einstellungen von Schüler/-innen in der Bildungsplanarbeit ergeben.

Laufzeit

2013 - 2016


Finanzierung

Eigenfinanzierung