Institut für Erziehungswissenschaft

Sozialpädagogiktag 2018

23. und 24. November 2018

Who cares? Zur gesellschaftlichen Neubewertung von Sorge

Pflegestreik, Erzieher_innenstreik, Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen in Sozialen Berufen machen deutlich, welche Größenordnung das Problem der Prekarisierung von Care-Arbeit erreicht hat. Nicht selten wird beklagt, dass dies die Würde derer, die betreut werden müssen, verletzt ist und auch die Würde derer, die diese Arbeit leisten. Dies tritt nicht nur im Alter und bei Pflegebedürftigkeit zutage. Schon bei kleineren Erkrankungen von Eltern, Kindern oder Älteren wird die Prekarität von Kinderbetreuung oder Pflegearbeit offenkundig: Care-Arbeit muss im „privaten“ Sektor „nebenbei“ geleistet werden. Care-Arbeit ist dieser Gesellschaft (zu) wenig wert. Sie ist traditionell an Frauen delegiert und mit dieser Feminisierung von Zuständigkeit und zugeschriebener „Kompetenz“ ist sie auch im beruflichen Sektor fast automatisch weniger prestige- und karriereträchtig. Zugleich wird Care-Arbeit auf marginalisierte Gruppen am Arbeitsmarkt ausgelagert – zum Beispiel auf Arbeitsmigrant_innen, die ihren eigenen Fürsorgeverpflichtungen kaum mehr nachkommen können und diese wiederum delegieren müssen. So entstehen Care-Ketten als wenig beachteter Aspekt von Globalisierung.
In der Sozialen Arbeit ist zu fragen, ob nicht auch hier die genannten Delegations-, Feminisierungs-, Entwertungs-, Prekarisierungsprozesse umso mehr greifen, je mehr ein Handlungsfeld durch Care-Arbeit, etwa durch Betreuungsaufgaben und Pflegeleistungen, charakterisiert ist. Bedarf es nicht einer völligen Umbewertung dieses immensen Spektrums gesellschaftlich notwendiger Arbeit? Geht es nicht gerade auch bei Care um eine Neubestimmung dessen, wie wir leben und arbeiten wollen? Hierzu muss sich Soziale Arbeit mit der grundsätzlichen Bedürftigkeit und Angewiesenheit der Menschen aufeinander („Vulnerabilität“) konfrontieren und dazu beitragen, diese ins Zentrum des gesellschaftlichen (Zusammen-)Lebens zu rücken. Wie kann eine Neuverteilung von Verantwortung und eine neue Anerkennung von gesellschaftlich notwendiger Care-Arbeit aussehen? Welche Möglichkeiten der Solidarisierung gibt es mit denen, die diese verrichten?
Für die Soziale Arbeit hat die Fragestellung des diesjährigen Sozialpädagogiktags also ganz grundlegende Bedeutung; Handlungsfelder, Fachkräfte, und die Adressat_innen sind in verschiedenen Hinsichten betroffen, die in den einzelnen Foren genauer diskutiert werden sollen.