Uni-Tübingen

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04.06.2021

Pandemie und subjektives Wohlbefinden: Mädchen und Kinder aus sozial benachteiligten Familien besonders betroffen

Eine internationale Studie unter Beteiligung des Tübinger Erziehungswissenschaftlers Sascha Neumann untersuchte in Brasilien, Deutschland und Luxemburg, wodurch das Wohlbefinden von Jugendlichen in der Coronakrise beeinflusst wird. Die wichtigsten Determinanten sind dabei in allen drei Ländern überraschend ähnlich.

Junge Menschen im Alter zwischen 10 und 16 Jahren in Luxemburg, Deutschland und Brasilien verzeichneten während der ersten Welle der Pandemie einen deutlichen Rückgang der Lebenszufriedenheit. Das haben erste Analysen aus der internationalen Studie COVID KIDS bereits im letzten Jahr gezeigt, über die auch die Universität Tübingen seinerzeit berichtete (https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/forschung/newsfullview-forschung-top-aktuell/article/wie-kinder-und-jugendliche-unter-der-pandemie-leiden-1/). Nun hat das Forschungsteam von den Universitäten Luxemburg, und Tübingen gemeinsam mit Partnern der Universidade Presbiteriana Mackenzie und der Universidade Federal da Bahia in Brasilien auf Basis der Daten aus derer Online-Befragung von 2020 den Zusammenhang zwischen 20 potenziellen Faktoren und dem subjektiven Wohlbefinden von Jugendlichen während der Pandemie untersucht.  Die Ergebnisse der Analysen sind jetzt im Journal of Adolescent Health erschienen.

Ein geringeres Wohlbefinden seit Beginn der Pandemie war in den jeweiligen Ländern damit verbunden ein Mädchen zu sein, einen niedrigeren sozioökonomischen Status zu haben und bereits vor der Pandemie weniger zufrieden gewesen zu sein. Darüber hinaus wurden eine Reihe weiterer Faktoren ermittelt, die mit dem Wohlbefinden der Befragten in Zusammenhang stehen, darunter die Angst wegen des Virus zu erkranken, die Menge an Schularbeiten, die Zufriedenheit mit der eigenen Freiheit sowie die Zufriedenheit mit der Art und Weise, wie Erwachsene zuhören. 

Die Forschenden entwickelten statistische Modelle unter Verwendung einer Reihe von Risiko- und Schutzfaktoren, um die Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden bei den über 1.600 befragten 10-16-Jährigen während der Pandemie einzuschätzen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob bei jungen Menschen mit unterschiedlichem geografischem und kulturellem Hintergrund gemeinsame Prädiktoren für das Wohlbefinden auftreten würden. Zu den wichtigsten Prädiktoren gehörten dabei Geschlecht, sozioökonomischer Status, die Beziehung zu Erwachsenen oder die Angst davor krank zu werden.

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren überrascht über die Ähnlichkeiten in den drei Ländern, die unterschiedliche Infektionskurven und unterschiedliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aufweisen. „Dies deutet darauf hin, dass die Faktoren, die das Wohlbefinden von Jugendlichen beeinflussen, trotz der unterschiedlichen Kontexte, ähnlich sind“, sagt Sascha Neumann. Die Ergebnisse können dazu beitragen, die Entwicklung gezielter Interventionen zur Förderung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der globalen Pandemie voranzutreiben. 

„Wenn sich die Menge und Art der Schulaufgaben eindeutig auch auf das Wohlbefinden auswirkt, dann ist es wichtig, dies bei der Unterrichtsplanung zu berücksichtigen, insbesondere in Situationen von Fernunterricht“ so Erziehungswissenschaftlerin Claudine Kirsch von der Uni Luxemburg. „Ängste und Stress, die durch die Sorge vor einer Erkrankung hervorgerufen werden können, und die Art und Weise, wie Erwachsene Jugendlichen zuhören, sind weitere Faktoren, die möglicherweise Gelegenheitsfenster für pädagogische und psychologische Unterstützung eröffnen“ ergänzt ihre Kollegin Pascale Engel de Abreu. 

Nicht zuletzt zeigt die Studie auch die signifikanten Auswirkungen der Pandemie auf das Wohlbefinden von Mädchen sowie jungen Menschen aus sozial weniger privilegierten Familien. Daher hält Sascha Neumann insbesondere gezielte Interventionen für notwendig, „die auf die besonderen Bedürfnisse dieser vulnerablen Gruppen zugeschnitten sind“.

Publikation: 

Pascale M.J. Engel de Abreu, Sascha Neumann, Cyril Wealer, Neander Abreu, Elizeu Coutinho Macedo und Claudine Kirsch (2021). Subjective well-being of adolescents in Luxembourg, Germany, and Brazil during the COVID-19 pandemic. Journal of Adolescent Health 68 (2021).  https://doi.org/10.1016/j.jadohealth.2021.04.028

Kontakt:

Prof. Dr. Sascha Neumann
Universität Tübingen
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät 
Institut für Erziehungswissenschaft
 +49 7071 29-76750
sascha.neumannspam prevention@uni-tuebingen.de

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