Institut für Kriminologie

„Gleiches Recht für alle – auch für Sexualstraftäter?“ Sonderregelungen für Sexualstraftäter im Strafrecht und ihre kriminologische Berechtigung.

Dissertation Dr. Lara Steiger

Keine Form der Delinquenz ist in der Bevölkerung so emotional besetzt wie diejenige der Sexualkriminalität. So bildet der angemessene Umgang der Gesellschaft mit Sexualstraftätern immer wieder einen Schwerpunkt der kriminalpolitischen Diskussion in Deutschland, die durch die selektive Wahrnehmung aufsehenerregender Sexualverbrechen zusätzlich angeheizt wird. Dabei beziehen sich die Sorgen und Befürchtungen der Bevölkerung vor allem auf subjektiv besonders bedrohlich erscheinende Delikte, und das unabhängig von der eigenen Betroffenheit, dem tatsächlichen Auftreten und den realen Viktimisierungsrisiken. Gerade Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gelten allgemeinhin als besonders schwerwiegend, da sie tief in die Persönlichkeitssphäre eingreifen. Die emotionale Bewertung der Taten kann als „janusköpfig“ bezeichnet werden. So herrscht zum einen großes Unverständnis, zumeist begleitet von Empörung und Abscheu. Zum anderen lösen Sexualstraftaten eine ungewöhnliche Faszination aus. Insgesamt scheint die gesellschaftliche Toleranz gegenüber Sexualstraftätern aber mehr und mehr abzunehmen. Anstelle des Wunsches nach Resozialisierung der Täter werden immer wieder Rufe nach schärferen Gesetzen und härterem Umgang mit Sexualverbrechern laut. In diesem Zusammenhang wird zumeist die vielzitierte Aussage des damaligen Bundeskanzlers Schröder genannt, der bereits im Jahr 2001 in der Boulevardpresse ein „Wegschließen- und zwar für immer!“ forderte.

Unter dem Eindruck dieser medial geschürten Verbrechensfurcht kam es in der jüngeren Vergangenheit mehrfach zu Erweiterungen der auf Sexualstraftäter abzielenden strafrechtlichen Regelungen. Dies gibt Anlass, sich mit der Frage auseinander zu setzen, inwieweit der Stand der kriminologischen Forschung Sonderregelungen für Sexualstraftäter rechtfertigt, die auf ein besonderes Sicherungsbedürfnis der Gesellschaft gegenüber dieser Gruppe von Straftätern gestützt werden. Zu eruieren ist, ob dem subjektiv empfundenen Sicherungsbedürfnis der Gesellschaft eine reale von Sexualstraftätern ausgehende Gefahr gegenübersteht, die über das anderen Straftätern innewohnende Gefahrenpotential hinausreicht, oder ob der Gesetzgeber weniger den wissenschaftlichen Forschungsstand berücksichtigt als vielmehr gesellschaftliche Bedürfnisse bedient. Vor allem im Vergleich zu Gewaltstraftätern erscheint die Berechtigung einer differenzierten Behandlung von Sexualstraftätern durch einzelne strafrechtliche Normen auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. So sind auch dort die immateriellen Schäden bei den Opfern gravierend, da es sich ebenfalls größtenteils um Delikte im sozialen Nahbereich handelt. Besondere Berücksichtigung findet daher die Frage, warum einige der Vorschriften nur auf Sexualstraftäter, nicht aber gleichermaßen auf Gewaltstraftäter abzielen.

Ziel der Arbeit ist es, einen Überblick über die für Sexualstraftäter bestehenden Sonderbestimmungen zu geben. Mit dem Versuch einer Systematisierung soll die Frage beantwortet werden, ob der Gesetzgeber bei Schaffung der Normen ein durchdachtes Konzept oder gar einen Masterplan hatte oder es sich nur um ein Sammelsurium einzelner Bestimmungen in allen möglichen Gesetzen handelt. Zugleich soll überprüft werden, ob sich die bei der Einführung der jeweiligen Norm angeführten Begründungen empirisch belegen lassen. Zugespitzt könnte man fragen: Handelt es sich insgesamt um eine rationale Gesetzgebung oder lediglich um „Balsam für die Volksseele“? Anhand einer Gesamtschau sämtlicher auf diese Weise untersuchten Regelungen wird abschließend der Frage nachgegangen, ob sich hieraus eine Art Sonderrecht für Sexualstraftäter ableiten lässt und welcher Natur dieses ist.

 

Erstgutachten: Prof. Dr. Jörg Kinzig

Zweitgutachten: Prof. Dr. Jörg Eisele

Disputation: 17. November 2015

 

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