Kath. Institut für berufsorientierte Religionspädagogik

Berufsschulreligionsunterricht und Kompetenzentwicklung

Hermann Stratomeier

Aus: Die berufsbildende Schule 62 (2010), S. 149–153.

Ausgangspunkt des vorliegenden Artikels ist eine religionspädagogische Studie zur Lehrplanentwicklung im Fach Katholische Religionslehre an der Berufsschule seit ca. 1900. Hierbei wurden die katholischen und evangelischen Lehrpläne in ihrem Bedingungsgefüge beurteilt. Die historische Übersicht zur Lehrplanentwicklung zeigte, dass der Religionsunterricht in dieser Schulform schon früh sein rein katechetisches Profil ablegte und sich zu einem adressaten- und berufsbezogenen Unterricht weiterentwickelte. Das Fach, so macht die Studie deutlich, war von seinem Anspruch her bestrebt, genuinen Anteil am Bildungsprozess junger Erwerbstätiger zu haben.

Der Kompetenzbegriff

Seit etwa drei Jahrzehnten hat die Diskussion um neue Formen des Lehrens und Lernens auch das berufsbildende Schulsystem ins Blickfeld der Pädagogik gerückt. Gewinnt man einen Überblick über die seit Mitte der 1970er Jahre geführte Diskussion um den Stellenwert des Erfahrungslernens und die Kritik an der unterrichtlichen Fachsystematik, so ist festzustellen, dass die angestrebten Umstrukturierungen des Unterrichts sowie dessen theoretische Grundlegungen auf eine größere Effektivität desselben zielen. Es gilt, die Frage zu beantworten, wie sich die Lerninhalte optimal vermitteln lassen, sodass Berufsschüler das Gelernte auch in ihrem Alltag außerhalb der Schule, also im Betrieb oder in der Freizeit, im Sinne von umfassender Handlungskompetenz umsetzen können. Seit Mitte der 1990er Jahre wird in diesem Zusammenhang ebenfalls für die Ausbildungsberufe ein neues Konzept der Vermittlung von Lerninhalten diskutiert, erprobt und evaluiert, welches in den Fachklassen des dualen Systems der Berufsausbildung verbindlich geworden ist. Die Einführung des Lernfeldkonzepts sollte den neuen Qualifikationsanforderungen in einem verstärkten (internationalen) Wettbewerb Rechnung tragen. Der Unterricht in den Fachklassen des dualen Systems der Berufsausbildung wird in Lernfeldern organisiert, wobei der durch die Fachsystematik bedingte traditionelle Fächerkanon im berufsbezogenen Lernbereich aufzulösen ist. Andererseits soll verstärkt handlungsorientiert im Unterricht vorgegangen werden, um den Lernerfolg und die praktische Verwendbarkeit des gelernten Stoffs (vor allem im Sinne von ganzheitlicher Handlungskompetenz) deutlich zu erhöhen.

Was ist also mit Handlungskompetenz gemeint und welche Rolle spielt sie im Unterricht in den Fachklassen des dualen Systems der Berufsausbildung? Im "Lexikon für Theologie und Kirche" wird (Handlungs-)Kompetenz als "Befähigung zu einem bestimmten, in spezifischen Situationen erforderlichen Wahrnehmen, Beurteilen, Sprechen oder Handeln" definiert. Theologisch-ethisch bezeichnet sie die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln sowie zum sittlichen Entwurf und zu sittlicher Gestaltung des eigenen Lebens im Kontext der Mit- und Umwelt. Lassen sich diese Bestimmungen von lebensbedeutsamer und bildungsrelevanter Kompetenz auch in schulischen Lernprozessen wiederfinden? Handlungskompetenz gilt heute als Leitziel der Berufsausbildung, sie wird aber auch für alle Schulformen des beruflichen Schulsystems (d. h. alle Vollzeitschulformen) und für die betriebliche Weiterbildung als Zielbestimmung herangezogen. Im Jahr 1974 wurde zum ersten Mal vom Deutschen Bildungsrat, der Reformen im deutschen Bildungssystem maßgeblich mitbestimmt hat, im Zuge der Neuordnung der Sekundarstufe II im Sinne der Gleichwertigkeit von beruflicher und gymnasialer Bildung der Kompetenzbegriff mit Blick auf die Verknüpfung von allgemeiner und beruflicher Bildung als Ziel aller Lernprozesse benannt: "Jeder Bildungsgang muss die über das spezielle Ausbildungsinteresse hinausreichende menschliche Entwicklung des Jugendlichen sichern. Dafür sind integrierte Lernprozesse erforderlich, die mit der Fachkompetenz zugleich humane und gesellschaftlich-politische Kompetenzen vermitteln."

Schließlich hat im Zuge der Schlüsselqualifikationsdebatte und der Neuorientierung der Berufsausbildung seit Mitte der 1980er Jahre die Präzisierung der Zielbestimmung beruflicher Bildung dazu geführt, verantwortungsbewusstes Arbeiten, Persönlichkeitsbildung und die kontinuierliche Weiterbildung der Auszubildenden in den Mittelpunkt des Lernprozesses zu rücken. Mithin werden berufliche und personale Handlungskompetenz auf drei Dimensionen zurückgeführt: "Fachkompetenz", "Personalkompetenz" und "Sozialkompetenz". Diese drei Dimensionen werden "verstanden als die Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten". Fachkompetenz zielt dabei – als berufsspezifische Kompetenz – auf die Fähigkeit, Aufgabenstellungen selbständig und fachgerecht zu bearbeiten und das Ergebnis zu bewerten. Personalkompetenz meint die Bereitschaft, sich als Individuum in Beruf, Familie und öffentlichem Leben durchdacht und entsprechend moralischen Leitlinien und Normen zu verhalten, gesellschaftliche Entwicklungen zu beurteilen und persönliche Lebenspläne fortzuentwickeln. Ebenso gehört hierzu ein Arbeitsethos, das sich in Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Qualität der Arbeit widerspiegelt. Sozialkompetenz bezieht sich auf ein Leben in sozialen Bezügen, d. h. die Fähigkeit Interessenlagen, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen, zu verstehen und sich mit anderen rational, kooperativ, tolerant und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen. So definiert beziehen sich die beiden letzten Kompetenzen – als berufsbegleitende Kompetenzen verstanden – auf eine entscheidende biographische Phase der Auszubildenden, in der diese nämlich in ein Arbeitsverhältnis eintreten, sich mit ihrem Beruf idealerweise identifizieren und in Arbeitsgruppen einordnen müssen. Die Entwicklung von Handlungskompetenz (d. h. Fach-, Personal- und Sozialkompetenz) ist Leitziel des Unterrichts und als ein lebenslanger Prozess zu verstehen, den die Berufsausbildung zu unterstützen hat und deren Fortführung auch über die Berufsausbildung hinaus grundzulegen ist.

Umfassende Kompetenzbildung mit Berufsschulreligionsunterricht

Ein dem didaktischen Konzept der Handlungskompetenz verpflichteter Unterricht wird versuchen, die an Mündigkeit und Bildung orientierte Persönlichkeitsentwicklung zu verbinden mit dem ökonomisch bestimmten Ziel der Vermittlung von Kenntnissen, die auf dem Arbeitsmarkt hilfreich sind. Dabei ist nicht an eine Zurichtung von Arbeitskräften nach vom Beschäftigungssystem nachgefragten Qualifikationen zu denken, das verbietet sich schon mit Blick auf die "Verfallsgeschwindigkeit spezialisierten Wissens und Könnens". Vielmehr geht es um die Flexibilität beim Reagieren auf veränderte Berufslagen vermittelt durch eine ganzheitliche berufliche Bildung im Sinne der Einübung umfassender beruflicher und außerberuflicher Handlungskompetenz. Eine Balance von Ökonomie und Bildung sowie die Verbindung von berufsbezogenem und berufsübergreifendem Lernen ist also das Ideal jeder beruflichen Ausbildung und Erziehung, wobei das Bedenken gesellschaftlicher Implikationen beruflichen Handelns nicht einfach Verzierung, sondern eine wesentliche Dimension beruflicher Leistungsfähigkeit und Verantwortung ist. Nach Reinhard Bader ist der Religionsunterricht daher ein integraler Bestandteil im Prozess der Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz.

Auch die gemeinsame Erklärung "Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen: Kompetenzbildung mit Religionsunterricht" verweist in diesem Zusammenhang auf die profilbildenden Beiträge des Religionsunterrichts in der Berufsschule, indem "[...] sie einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Persönlichkeit und zur weiteren Herausbildung einer umfassenden Handlungskompetenz [leisten]". Seine Orientierung am Subjekt, sowohl bei den Inhalten als auch beim Zugang zu den Schülern, prädestiniert ihn dafür, die Persönlichkeitsentwicklung im Sinne von ganzheitlicher Bildung mit einer Qualifizierung für den Arbeitsmarkt zu verbinden. Themen wie "Sinnvolle Lebensgestaltung", "Identifikation mit Arbeit und Beruf", "Soziale Gerechtigkeit und Solidarität" sind nur einige von vielen, die sich in diesem Zusammenhang anbieten. Hiermit korrespondieren auch die Lebenssituationen der Schüler, die in die Berufswelt eintreten: Existenzielle Fragen in neuen (beruflichen) Kontexten, verantwortliches Handeln und dessen Konsequenzen, gesellschaftliche und soziale Pflichten und Möglichkeiten des beruflichen Scheiterns verweisen auf berufsspezifische Lebenszusammenhänge und sind vom Religionsunterricht aufzunehmen.

Ebenso ergeben sich existenzielle Fragen des persönlichen Horizonts, z. B. durch die Annahme und Wertschätzung durch bzw. Erwartungen an den eigenen Partner, die Ausrichtung des eigenen Lebensplans nach einem individuellen Wertesystem, aber auch durch die Frage nach Gott und dem Sinn des Lebens. So heißt es diesbezüglich im neuen Lehrplan für das Fach Katholische Religionslehre in den Fachklassen des dualen Systems der Berufsausbildung: "Der Religionsunterricht versteht seine Bildungsarbeit als Beitrag zur umfassenden Handlungskompetenz, wie sie in den Fachklassen des dualen Systems angestrebt wird. Die im Rahmen des katholischen Religionsunterrichts verbindlich zu entwickelnden Kompetenzen zeigen ein Spektrum an Fähigkeiten, die Entwicklungen persönlicher Art anstoßen, begleiten und offen halten hin auf eine tragende Lebensperspektive. Sie ermöglichen, sinnhafte Deutungen von Lebenssituationen auf der Basis des kirchlichen Glaubens zu entwerfen und daraus abgeleitet Motive für eigenes Handeln zu gewinnen."

Der Auftrag des Berufsschulreligionsunterrichts

Welcher Auftrag kommt dem Religionsunterricht in der Berufsschule im Rahmen von Kompetenzentwicklung zu; was vermag das Fach also zu leisten? Im Zusammenhang mit dem didaktischen Konzept der Handlungskompetenz wird vor allem Verantwortungsbereitschaft als eine Ausprägung von Sozial- und Personalkompetenz immer wieder genannt. Verantwortliches Handeln ist aber in einer metaphysisch nicht mehr abgesicherten Welt unbestimmt und revidierbar. Wo Traditionen wegbrechen, an denen sich früher noch selbstverständlich religiöse Identität und gesellschaftliche Lebensformen ausrichten konnten, sind personale und soziale Kompetenzen ganz besondere Grundvoraussetzungen für das (Über-)Leben in einer pluralisierten Gesellschaft. Günter Pätzold fordert in diesem Zusammenhang, dass die berufliche Bildung wettmachen muss, was komplexe gesellschaftliche Verhältnisse an Durchschaubarkeit schuldig bleiben; die berufliche Tätigkeit sollte im Gesamtgefüge ihrer Wirkungen gesehen und auch ethisch bewertet werden.

Was berufliche Bildung ohne Frage leisten muss, ist die Orientierung der Schüler an planendes und begründet abschätzendes Handeln, welches auch für die voraussehbaren Folgen einzustehen hat und sich nicht auf eine bloße Funktionstüchtigkeit reduziert. So gesehen besteht hier für den Religionsunterricht die Möglichkeit der Kompensation und Vertiefung des berufsbezogenen Unterrichts, indem er Sinnangebote und moralisch begründete Sichtweisen thematisiert. Dass der Religionsunterricht das berufsbezogene Lernfeld komplettiert, ist eine Idealvorstellung, welche sich dann verwirklicht, wenn seine (Bildungs-)Angebote auch angenommen oder zumindest wahrgenommen werden. "Einfallstore und Öffnungen für Religion und Glauben bilden gerade in der Jugendzeit erlebte Unterbrechungen, Unerwartetes, Grenzerfahrungen, Lebensübergänge und auch Abbrüche. Sie treten auf in verschiedenen Teilbereichen des privaten, sozialen und beruflichen Lebens."

Religiöse Gespräche und weiterfragende Dialoge verknüpfen die Suche nach Identität in der Jugendphase mit der Suche nach Persönlichkeitsentfaltung im Beruf, indem die "subjektbezogenen Ansprüche an Arbeit sowohl als Lebensperspektive als auch gegenüber der betrieblichen Arbeitsumwelt" nicht allein nach ihrer beruflichen Verwertbarkeit befragt werden, sondern in einen theologisch-anthropologischen Kontext gestellt werden. Die Berufsorientierung im Religionsunterricht kann somit als berufsdurchdringendes, berufsreflektierendes und berufsbegleitendes Lernen charakterisiert werden.

Programmatische Erklärungen zum Religionsunterricht

In der gemeinsamen Erklärung der katholischen und evangelischen Kirche Nordrhein-Westfalens sowie der nordrhein-westfälischen Berufsverbände zur Kompetenzbildung mit Religionsunterricht aus dem Jahr 1998 wird – von diesem theologisch-anthropologischen Kontext ausgehend – festgestellt, dass heute "soziale und religiös-ethische Bruchstellen" aufgrund der vielfältigen kulturellen und religiösen Lebensmuster in unserer offenen Gesellschaft ständig tiefer werden. Besonders in Übergangszeiten (von der Schule zum Betrieb, vom Jugendlichen zum selbstverantwortlichen Erwachsenen, vom Elternhaus zum selbstbestimmten Privatleben), d. h. während des Prozesses des Mündigwerdens und der Herausbildung von Berufsfähigkeit, benötigen Jugendliche einer Förderung ihrer Urteilsbildung im Sinne der freien Entscheidung für ethische Werte. Diese Erklärung wurde konsensfähig und hat, da sie die inhaltliche Bestimmung des Berufsschulreligionsunterrichts zwischen Berufsbezug und Lebensbezug ansiedelt, Eingang in die Schulvorschriften gefunden und wurde von den katholischen Bischöfen, den Präsides der Evangelischen Kirchen sowie von Vorsitzenden und Präsidenten des DGB, der IHK, der Arbeitgeberverbände, des Handwerkskammertags sowie des Handwerkstags unterzeichnet. Damit hat der berufsschulische Religionsunterricht – zumindest auf dem Papier – einen breiten Konsens im dualen System der Berufsausbildung gefunden. Die Unterzeichner sind sich über die Wichtigkeit religiöser Unterrichtsinhalte und die zu vermittelnden Rahmenkompetenzen einig.

Zudem erfordern die gravierenden Veränderungen in der Gesellschaft und des Beschäftigungssystems eine umfassende und ganzheitliche Bildung losgelöst von zweckrationalen Erwägungen hinsichtlich des wirtschaftlichen Profitdenkens bzw. der oftmals utilitaristischen Haltung der Ausbildungsbetriebe gegenüber der Berufsausbildung. Der allgemeinbildende Lernbereich darf daher nicht zum Vehikel der Wirtschaft umfunktioniert werden, er muss seine z. T. provokative Funktionalität gegenüber den anderen Fächern beibehalten. Zur gleichen Einschätzung der Rolle des Religionsunterrichts an der Berufsschule kommt die Erklärung "Bildung in Freiheit und Verantwortung" der Kommission für Erziehung und Schule bei der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1993. Berufs- und Praxisorientierung haben Vorrang bei der Berufsausbildung, doch müssen berufsethische Fragestellungen angesichts neuer Herausforderungen in Beruf und Gesellschaft zunehmend herangezogen werden, um ein breites Verständnis von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhängen zu fördern. Der Religionsunterricht erfüllt im Rahmen der Qualifizierung junger Menschen in der Berufsschule somit einen auf die Gesellschaft bezogenen, umfassenden Bildungsauftrag, der sich der Beschränkung auf eine Vermittlung rein berufsbezogener Kompetenzen verwehrt.

Diese Erklärung steht damit in der Tradition des Beschlusses "Schwerpunkte kirchlicher Verantwortung im Bildungsbereich" der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland von 1975, welcher fordert, "die berufliche Bildung aus einer rein zweckbestimmten Engführung zu befreien und so zu gestalten, dass sie die Lebenschancen des Einzelnen sichert, jungen Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Anlagen und Fähigkeiten zu entfalten und die Erfordernisse von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft berücksichtigt."

Diese Forderung nimmt die Kommission für Erziehung und Schule im Jahr 1983 auf, indem sie feststellt, dass die Allgemeinbildung nach dem 9./10. Schuljahr nicht als abgeschlossen betrachtet werden darf und dass über die fachspezifische Ausbildung, ihrem Pragmatismus und allem Nützlichkeitsdenken hinaus die neuen beruflichen Erfahrungen und das persönliche Leben der Auszubildenden einer entsprechenden Deutung als Lebensperspektive bedürfen. Die Stellungnahme verortet den Religionsunterricht zwar im Horizont von Pragmatismus und Nützlichkeitsdenken seitens der Wirtschaft, will aber gegen solch eine Einstellung als Maßstab für alle Situationen des menschlichen Lebens die christliche Tradition und den kirchlichen Glauben als Perspektive für eine verantwortete Lebensgestaltung aufzeigen.

Acht Jahre später werden die genannten Forderungen erneut von der Kommission für Erziehung und Schule aufgenommen, jetzt aber soll der Religionsunterricht vor allem den ganzheitlichen Bildungsauftrag der Berufsschulen stützen und auch die übergreifenden Erziehungs- und Bildungsziele, zu denen jetzt die Schlüsselqualifikationen gehören, stärken. Das Profil des berufsschulischen Religionsunterrichts soll dabei "berufsausbildungsorientiert" sein und sich an der individuellen, sozialen und religiösen Lebenswelt der Schüler ausrichten.

Der Bildungsauftrag des Fachs Katholische Religionslehre an der Berufsschule wird in Erklärungen der katholischen Kirche demnach verstanden als Deutung des Lebens aus dem christlichen Glauben heraus. Junge Menschen qualifizieren meint in diesem Sinne, dass das zu vermittelnde christliche Erbe von den Schülern als Bewährungshilfe und Auslegung der beruflichen und privaten Lebenswirklichkeit erkannt und angenommen werden kann.

Der Religionsunterricht thematisiert folglich auch die Ziele des Arbeits- und Wirtschaftslebens und reflektiert diese vor dem Hintergrund der biblischen Botschaft sowie der kirchlichen Lebenspraxis. Josef Jakobi, damaliger Referent für Berufskollegs in der Schulabteilung des Bischöflichen Generalvikariats Münster, schreibt dazu: "Von Berufsorientierung im Religionsunterricht kann dann gesprochen werden, wenn Lernende und Unterrichtende Erfahrungen und Fragen, die berufliches Denken, berufliches Verhalten und berufliches Handeln prägen, ins Gespräch einbringen und diese Fragen in einen kritischen Dialog mit dem in Schrift und Tradition bewahrten Erfahrungswissen bringen."

Fazit und Ausblick

Das didaktische Prinzip der Berufsorientierung im Religionsunterricht trägt, indem die Arbeitswelt der Auszubildenden sowie ihre dort gemachten Erfahrungen zur Sprache kommen, zu einer Persönlichkeitsbildung bei, wobei die Schüler seine Identifikationsangebote erkennen und annehmen. Werte und Normen – von Religionen transportiert – können zu gut begründeten Entscheidungen in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen befähigen. Die Leistung des berufsschulischen Religionsunterrichts ist es, dass er gerade weniger Wert auf den Erwerb umfassenden theologischen Wissens legt, sondern vielmehr Orientierungshilfe für das Leben sein will.

Das soziale Lernen – wie die Förderung zwischenmenschlicher Problemlösungen und das Erkennen eines Zusammenhangs von in der Ausbildung erworbener Lebenserfahrungen und christlich motivierter Handlungsoptionen – steht hier vornehmlich im Mittelpunkt des unterrichtlichen Interesses. Dem, wie Pätzold es formuliert, "moralpädagogischen Auftrag der Berufsschule" muss sich der Religionsunterricht angesichts der verschärften Orientierungslosigkeit vieler junger Menschen stellen. Wo moralisches Desinteresse und Analphabetismus weiter in unserer Gesellschaft Platz greifen, da müssen Jugendliche einen Raum haben, die persönlichen und sozialen Folgen ihres Tuns zu reflektieren.

Der berufsschulische Religionsunterricht kann diese Forderung im handlungsorientierten Unterricht umsetzen, da hier einerseits Besprochenes und Erfahrenes sowohl im Betrieb als auch in der Freizeit eingeübt, andererseits aber auch außerschulische Lebens- und Handlungszusammenhänge im Unterricht aufgegriffen und reflektiert werden. Seine zentrale Aufgabe ist die personale Glaubens- und Gewissensbildung, die eben nicht nur die individuelle Lebensgestaltung des jungen Menschen in privaten Lebenssituationen in den Blick nehmen will, sondern auch dessen Verantwortung für die Aufgaben des beruflichen und öffentlichen Lebens aufweist.

Dabei geht der Religionsunterricht jedoch nicht im Berufsbezug auf, da Fachlichkeit und überfachliches Lernen, individuelle und soziale Erfahrungen, Praxisbezug und die Einbeziehung in das gesellschaftliche Umfeld miteinander zu verknüpfen sind. Religionsunterricht in der Berufsschule kann seine Lebensrelevanz einbringen, indem er Kenntnisse vermittelt, Zusammenhänge erschließt und christliche Deutungen eröffnet, "die für außerunterrichtliches Leben funktional sind und eine Partizipation an politischen, ökonomischen, kulturellen und natürlich religiösen Strukturen und Institutionen erleichtern oder gar erst ermöglichen."

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