Theorie
Kulturdefinition
Die Vermarktung von Kultur und darüber hinaus das „Marketing im Kulturbetrieb“ (Gröppel, 2019, S. 127) verläuft über den Kulturbegriff respektiv die hieraus abgeleiteten Merkmale: Kollektiver Wert, Symbolhafte Repräsentation und Medialer Träger (Gröppel, 2019, S. 127). Rokeach beschreibt einen Wert als „enduring belief that a specific mode of conduct or end-state of existence is personally or socially preferable“ (Rokeach, 1973, S. 5). Demnach beschreibt der kollektive Wertbevorzugte Verhaltensweisen beziehungsweise erstrebenswerter Zustände, welche vom Kulturmarketing aufgegriffen oder transportiert und auf die zu vermarktende Marke oder das zu vermarktende Produkt projiziert werden können. Gröppel bezieht sich bei der symbolhaften Repräsentationvor allem auf die (gesprochene) Sprache (Gröppel, 2019, S. 126). Die Sprache ist demnach als symbolhafte Repräsentation zu verstehen. Sie wird in Bezug auf die Vermarktung von Kultur zum einen angewendet, um die Kultur zu vermarkten und ist zum anderen selbst sehr stark von der Kultur geprägt. Der lateinische Begriff Medium wird in der Regel im Sinne von „Mitte“ oder „Mittel“ verwendet. Der Begriff medialer Träger bezieht sich demnach auf das das Marketing transportierende Mittel (Rokeach, 1973, S. 126). Über das Bestehen eines kollektiven Wertes, die symbolhafte Repräsentation durch die Sprache oder kulturell geprägte Symbolik und die Verbreitung durch einen medialen Träger hinaus, muss der Kulturbegriff für die Vermarktung greifbar gemacht werden. Dafür werden Kulturprojekte „mit einem eindeutigen Alleinstellungsmerkmal positioniert, in einem einheitlichen Erscheinungsbild kommuniziert und die individuellen Markenwerte emotional inszeniert“ (Gröppel, 2019, S. 133). Kulturprojekte können sowohl Kulturangebote als auch Medienformate sein, welche kulturelle Eigenheiten transportieren. Sie werden so zu einer Marke umgesetzt. Diese Kulturmarken lassen sich dann im Zuge der Vermarktung auf vielfältige Art und Weise verbreiten (Grieger, 2023).
Modell der Kulturzwiebel
Um die Vielschichtigkeit von Kultur besser zu begreifen, lässt sich das Modell der Kulturzwiebel nach Geert Hofstede zu Hilfe ziehen (Kulturzwiebel Abb. 1). Hierbei werden vor allem vier oder fünf kulturelle Schichten der Kulturzwiebel unterschieden. Die äußerste Schicht stellt Symbole der Kultur in Form von sichtbaren Elementen wie Sprache, Kleidung und ähnliches dar. Darauf folgen nach innen gehend die Helden und die Rituale einer Kultur. Helden können sowohl reale als auch fiktive Personen sein, wobei sie Eigenschaften repräsentieren, die die zugehörige Gesellschaft bewundert. Rituale sind kollektive Aktivitäten wie beispielsweise Begrüßungsrituale, die zwar nicht zwingend notwendig sind, aber als sozial wichtig gelten. Diese Werte kommen und gehen, während der kulturelle Kern, also die Werte, bleiben und unveränderlich sind. Die Untrennbarkeit des Kerns in der metaphorischen Zwiebel von Hofstede ist zudem so dargestellt, dass dieser Kern nicht durchschnitten oder durchdrungen werden kann (Fang, 2009, S. 157). Praktiken sind wie in der Abbildung dargestellt verbunden durch Symbole, Helden und Rituale und greifen gleichzeitig auf die Werte zurück.
Entwicklungsgeschichte der koreanischen Kultur
Die Ursprünge der koreanischen Kultur gehen bis ins Goryeo-Reich (918-1392) zurück, wo die Kunst des Celadon-Keramiks ihren Ursprung hat (Cartwright, 2016). Ebenfalls wurde der Konfuzianismus als noch heute gültige Leitkultur mit den traditionellen Werten gefestigt (Kim, et al., 2017, S. 268). Das Hangeul-System aus der Joseon-Dynastie trägt ebenfalls zur kulturellen Einheit heutzutage bei (Ledyard, 1998, S. 31-81). Während der japanischen Kolonialherrschaft fand hingegen eine Unterdrückung der kulturellen Identität statt, welche später zu einer stärkeren Wiederbelebung und Bewahrung der koreanischen Kultur führte (Farkas, 2023, S. 62). Der „Ausschluss der Koreaner von jedweder politischen oder wirtschaftlichen Teilhabe“ (Croissant & Mosler, 2023, S. 402) stärkte damit unfreiwillig den koreanischen Nationalismus und das Nationalbewusstsein (Croissant & Mosler, 2023, S. 402). Erst mit der Aufhebung der japanischen Unterdrückung durch die Amerikaner gab es die erste große Möglichkeit zur Entwicklung und Stabilisierung koreanischer Kultur (Croissant & Mosler, 2023, S. 403). Jedoch erfolgte in den folgenden, südkoreanischen Republiken unter der Präsidentschaft von Park (1961-1979) und Cheon (1980-1988) eine Unterdrückung der Redefreiheit, sowie eine Zensierung und Kontrollierung der Freiheit der Massenmedien. Diese Zensierung der Presse und der Medien ist seit 1987 verfassungsrechtlich verboten (Croissant & Mosler, 2023, S. 460). Die Industrialisierung sowie das Wirtschaftswunder der 1960er Jahre gilt als Grundlage der späteren kulturellen Expansion, wobei durch Park die Kultur zunehmend als Wirtschaftsgut betrachtet wurde. Die zeitgleiche Förderung von traditionellen Künsten und Kulturformen, sowie Museen, Theater und ähnliche Bildungseinrichtungen sollte die nationale Identität fördern. Wirtschaftlich profitierten vor allem die Chaebols von dem Schutz und der Unterstützung des Staates und beeinflussten mit ihren Produkten seit damals zu großen Teilen die Kulturindustrie (Croissant, 1997, S. 15-16). (vgl. Croissant & Mosler, 2023, S. 405) Heutzutage wird die Kultur in Südkorea durch eine Vielzahl an Medien vermarktet. Der genannten Freiheit der Presse als Teil der Kultur sind immer noch zum Teil Grenzen gesetzt. Durch das Nationale Sicherheitsgesetz (NSL) von 1948 ist es der Regierung weiterhin erlaubt „repressiv gegen besonders kritische Teile der Gesellschaft vorzugehen“ (Croissant & Mosler, 2023, S. 460). Das Gesetz an sich sei laut Kritikern nicht problematisch, sondern seine „inhaltliche Unbestimmtheit und [] willkürliche[] Interpretation durch Regierung, Staatsanwaltschaft und [die] Gerichte“ (Croissant & Mosler, 2023, S. 460). Die daraus resultierende Einschränkung der Medien und somit der Kultur spielt bei der Vermarktung und Kommerzialisierung der Kultur eine wichtige Rolle.
Forschungsgegenstand
In den vergangenen Jahren ist die steigende Popularität der koreanischen Kultur bis hin zur koreanischen Popkultur, als Weltsensation (global sensation), zu beobachten (Jin, 2023, S. 24). Diese „koreanische Welle“ oder auch Hallyu sorgt für ein gestiegenes Interesse an Produkten aus dem südkoreanischen Raum, wie beispielsweise Korean Pop (K-Pop) oder Korean Drama (K-Drama). Aber auch andere Bereiche der südkoreanischen Kultur finden auf dem internationalen Markt immer größeren Anklang. Koreanische Mode, Kulinarik und Literatur haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen (Bae et al., 2017, S. 1-3). Zeitgleich transportieren sie nicht nur das Endprodukt in den internationalen Raum, sondern auch das Interesse an der Kultur an sich, mit ihren Werten, Traditionen und Innovationen (Bekaan & Moutchnik, 2023, S. 107). Dieser Vorstoß der südkoreanischen Kultur gelang dabei primär durch das Internet und die enge Vernetzung der Länder in der globalisierten Welt (Kohout, 2023b, S.26-28). Ein interessanter Aspekt in der steigenden Popularität der südkoreanischen Kultur ist die Frage nach der Vermarktung und der Kommerzialisierung koreanischer Kultur (Parc, 2021, S. 28). Der Einfluss dieser auf den internationalen Markt ist inzwischen deutlich geworden, doch stellt sich die Frage, inwiefern dieser Prozess im regionalen, südkoreanischen Markt abläuft. Wie werden die Träger der südkoreanischen Welle (K-Pop, K-Drama) und andere kulturelle Aspekte wie Architektur und Essen vermarktet? Spannend macht diese Frage vor allem die Komplexität des Kulturbegriffs. Ziel dieses Forschungsprojektes wird der Blick auf die Vermarktung und Kommerzialisierung südkoreanischer Kultur in Südkorea sein.
Testimonialwerbung
In Korea fällt vor allem im Hinblick auf K-Pop und K-Drama auf, dass die Stars der Szene neben den Werbeauftritten für ihre eigenen Werke beziehungsweise Filme und Serien in denen sie zu sehen sind auch für verschiedene Produkte anderer Marken werben. Generell fallen Popstars, Sportler oder auch andere Personen des öffentlichen Lebens immer wieder mit Werbeauftritten auf. Ein prominentes Beispiel aus Deutschland wäre unter anderen Jürgen Klopp mit seinem langjährigen Werbeengagement für die deutsche Vermögensberatung. Solche Auftritte prominenter Persönlichkeiten werden Testimonialwerbung genannt. Die Erfolgsfaktoren und Funktionsmechanismen von Testimonialwerbung lassen sich mit Hilfe von drei konzeptionellen Ansätzen erklären (Kilian, 2014, S. 201).
Sogenannte „Source-Modelle“ dienen als Ausgangspunkte und arbeiten relevante Eigenschaften für den Werbeerfolg mit Testimonials heraus (Kilian, 2014, S. 201). Darauf aufbauend betont einerseits die Match-Up-Hypothese, dass zwischen Testimonial und Produkt eine sachlogische Verbindung (Kongruenz) vorhanden sein sollte, um werbewirksam zu sein (Kilian, 2014, S. 201). Andererseits geht die Selbst-Kongruenz-Hypothese davon aus, dass mit zunehmender Übereinstimmung zwischen Marken- und Konsumentenpersönlichkeiten die Präferenz für ein Produkt zunimmt (Kilian, 2014, S.201). Um werbewirksam zu sein, muss also entweder eine sachlogische Verbindung zwischen Testimonial und Produkt bestehen oder die durch die Werbung transportierte Markenpersönlichkeit der Konsumentenpersönlichkeit möglichst nahe sein. Darauf aufbauend unterstellt das Meaning-Transfer-Modell von McCracken kulturell geprägte Bedeutungsinhalte, die zunächst auf das Produkt bzw. die Marke übertragen werden und dann im zweiten Schritt auf den Kunden (McCracken, 1989, S. 313). Das Meaning-Transfer-Modell baut auf den beiden Kongruenzmodellen auf, klärt aber zusätzlich noch, warum und wie sich Kunden mit Testimonials identifizieren. Das bedeutet die Effektivität des Testimonials hängt von den Bedeutungsinhaltenab, die das Testimonial in die Werbepartnerschaft einbringt. Zu diesen Bedeutungsinhalten zählen unter anderemAlter, Geschlecht, soziale Klasse und Status sowie Typisierungen nach der Persönlichkeit oder dem Lebensstil des Testimonials (Kilian, 2014, S. 201). Diese Bedeutungsinhalte können Prominente zum Beispiel durch öffentliche Auftritte auf sich übertragen. Daraufhin kann das Testimonial die Bedeutungsinhalte durch einen werblichen Auftritt zusammen mit einem Produkt auf das Produkt übertragen. Sind die Bedeutungsinhalte auf das Produkt übertragen so kann der Kunde durch Konsum des Produkts die Bedeutungsinhalte auf sich übertragen (McCracken, 1989, S. 313-318). Der Kunde kann also durch Konsum des Produkts die stereotypischen Eigenschaften des Testimonials auf sich übertragen, da das Testimonial sie zuvor mit Hilfe der Werbung auf das Produkt übertragen hatte.
Literaturverzeichnis
Bae, E., Chang, M., Park, E., & Kim, D. (2017). The effect of Hallyu on tourism in Korea. Journal of Open Innovation: Technology, Market, and Complexity, 3(4), 1–12.
Bekaan, I., & Moutchnik, A. (2023). K-Pop „Made in South Korea“: Der Country-of-Origin-Effekt und das Musikmanagement. In C. Kochhan & A. Moutchnik (Hrsg.), Handlungsraum Media Management(S. 79–114). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41520-4_4
Cartwright, M. (2016). Korean celadon pottery. World History Encyclopedia. https://www.worldhistory.org/article/945/korean-celadon-pottery/
Croissant, A. (1997). Demokratisierung in Südkorea: Die Rolle der Gewerkschaften und Unternehmerverbände. ASIEN, 65, 5–22.
Croissant, A., & Mosler, H. (2023). Das politische System Südkoreas. In C. Derichs, T. Heberer & G. Schubert (Hrsg.), Die politischen Systeme Ostasiens(S. 401–483). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39485-1_8
Fang, T. (2009). Asian management research needs more self-confidence: Reflection on Hofstede (2007) and beyond. Asia Pacific Journal of Management, 27(1), 155–170. https://doi.org/10.1007/s10490-009-9134-7
Farkas, B. (2023). Südkoreas politische und strategische Kultur. Schriftreihe der Landesverteidigungsakademie "Unser Heer" (Bd. 10/2023). Landesverteidigungsakademie.
Grieger, F. (2023). Kulturmarken und was sie ausmachen. Interview mit Hans-Conrad Walter. Wir lieben Werbung. https://funkemediasales.de/wirliebenwerbung/archiv/kulturmarke/#herr_walter__wie_definieren_sie_eine__kulturmarke___0
Gröppel,N. H. (2019). Marketing im Kulturbetrieb: Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität.Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3
Jin, D. Y. (2023). Understanding the Korean Wave: Transnational Korean pop culture and digital technologies.Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003393016
Kilian, K. (2014). Prominente Sportler als Testimonials in der Werbung. In H. Preuß et al. (Hrsg.), Marken und Sport.Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3695-0
Kohout, A. (2023b). Hallyu und die Globalisierung von K-Pop. In A. Kohout (Hrsg.), K-Pop. Lokale Volkskultur, globale Alternativkultur?Essays zur Gegenwartsästhetik(S. 17–38). J.B. Metzler. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67577-9_2
Ledyard, G. K. (1998). The Korean language reform of 1446.Academy of the Korean Language, Special Publications (Vol. 2). Sin’gu Munhwasa.
McCracken, G. (1989). Who is the celebrity endorser? Cultural foundations of the endorsement process. Journal of Consumer Research, 16(3), 310–321.
Parc, J. (2021). Measuring the impact of Hallyu on Korea’s economy: Setting off on the wrong foot. Korea’s Economy, 32, 27–36.
Rokeach, M. (1973). The nature of human values.The Free Press.