Institut für Klassische Archäologie

`Litterae Aureae´; Forschungsprojekt zur Entzifferung antiker Weihinschriften im römischen Osten

Bedeutende Bauten der römischen Kaiserzeit tragen bisweilen Weihinschriften aus vergoldeten Bronzebuchstaben, den so genannten litterae aureae. Diese, im Regelfall an der Hauptfront des Gebäudes angebracht, machen es im Idealfall möglich, das genaue Jahr der Fertigstellung bzw. zumindest der Einweihung des Heiligtums, Bogenmonuments oder Hallenbaues zu ermitteln. Sie bieten damit einen noch viel solideren Datierungshinweis als der jeweilige Bauschmuck - vorausgesetzt natürlich, sie sind erhalten. Solche Buchstaben, deren Materialwert nicht gering war, haben nur in den seltensten Fällen die Stürme der nachantiken Zeit überdauert. Zurück blieben an den Architraven lediglich die Stiftlöcher der herausgerissenen Buchstaben, manchmal aber auch ihre Umrisse, wenn schwere, gegossene (im Unterschied zu aus Bronzeblech gesägten) Buchstaben wegen ihres beachtlichen Gewichtes bisweilen zusätzlich in den Stein eingetieft wurden.

Doch auch wenn nur die Befestigungslöcher vorhanden sind, kann eine Kombination aus genauer Beobachtung der Stiftloch-Kombinationen und Wissen um die möglichen Titulaturen zu spektakulären Entzifferungserfolgen führen – wie etwa bei dem Obelisken auf dem Petersplatz in Rom (mit Inschrift aus dem Jahre 30 v. Chr.), der augusteischen Maison Carrée in Nîmes, dem ebenfalls augusteischen Theater in Merida, dem Augustus und Roma-Tempel in Vienne, dem tiberischen Triumphbogen in Orange, dem vespasianischen Colosseum oder dem in trajanischer Zeit eingeweihten Aquädukt in Segovia, die allesamt lateinische Weihinschriften des 1. und frühen 2. Jhs. n. Chr. trugen. Technisch vergleichbare griechische Weihinschriften, von denen sich nur noch die Befestigungslöcher der Metallbuchstaben erhalten haben, konnten in Athen (Ehrung des Nero an den Architravblöcken der Ostfront des Parthenon) und in Argos (Altar(?) zu Ehren des Domitian) entziffert werden. Zuletzt glückte die Entzifferung der Weihinschrift des Zeustempels von Aizanoi, mithilfe derer eine Neudatierung des gesamten Heiligtums in flavische Zeit gesichert werden konnte.

 

Für einige ähnliche Fälle aus dem römischen Osten sind dagegen zwar Lesungen oder partielle Lesungen vorgeschlagen, aber nicht allgemein akzeptiert worden: Dies betrifft vor allem die Widmung (des Caracalla?) an dem auf der Theaterterrasse von Pergamon gelegenen und in seiner Substanz hellenistischen Dionysos-Tempel, aber auch die Inschrift auf den nur in Bruchstücken erhaltenen Architraven des so genannten Korinthischen Tempels im Heraion von Samos (heute Prostylos I; mutmaßlich augusteisch). Einen weiteren bisher ungelösten Fall stellt eine ephesische Weihinschrift dar, bei der verdübelte Buchstaben über eine lediglich eingehauene und farblich hervorgehobene Inschrift gesetzt wurden, doch fehlen hier abermals beträchtliche Teile des gesamten Textes. Ebenso ungesichert ist die Fortsetzung der Inschrift auf dem hadrianischen Stadttor von Attaleia/Antalya, dessen Widmung an Hadrian unzweifelhaft ist: die vergoldeten Bronzebuchstaben auf dem ersten Architravblock waren bis in das spätere 19. Jh. noch an ihrem Platz.

Dank der Erfolge bei der Entzifferung der Weihinschrift des Zeustempels von Aizanoi, wurden in den letzten Jahren die oben erwähnten Objekte noch einmal genauer untersucht und in allen Fällen Indizien gefunden, die eine Entzifferung möglich erscheinen lassen. Die Auswertung dieser Arbeiten ist im Augenblick im Gange und soll in Abschnitten (s. Publikationsliste) demnächst vorgelegt werden.

Mitarbeiter:

K. Opitz (Universität Tübingen)