Institut für Klassische Archäologie

Studien zu antiker Architektur und Skulptur auf Djerba

Zielsetzung und Forschungsstand
Im Zeitraum vom 22.09.-13.10.2017 haben Archäologen, Bauforscher und Geologen der Universitäten Tübingen, TU Berlin und Würzburg ergänzend zu den Deutsch–Tunesischen Ausgrabungen in Meninx unter Leitung von Sami Ben Tahar und Stefan Ritter einen Architektur- und Skulptursurvey durchgeführt. Ziel der auf zwei Jahre angelegten Arbeiten ist es, anhand der oberirdisch sichtbaren Architekturteile des antiken Stadtareals sowie der aus Meninx und zum Teil aus Bourgou stammenden unpublizierten Bauglieder und Skulpturen im Bordj el Ghazi Mustapha in Houmt Souk Einblicke in die ursprüngliche Bebauung und Statuenausstattung der antiken Städte zu gewinnen. Hierfür kann die Untersuchung auf die umfangreichen Vorarbeiten von Thomas J. Morton zurückgreifen, der hauptsächlich in den Jahren 1998-2000 eine erste Sichtung von etwas mehr als hundert Architekturgliedern im Bereich des mutmaßlichen Forums von Meninx vorgenommen hat. In seiner im Jahr 2003 abgeschlossenen Dissertation „The Impact of Luxurary: the Forum of Meninx. An Architectural Investigation“ wies Morton diese Bauglieder hypothetisch verschiedenen Bauten zu. Davon lassen sich aktuell nur Bauglieder einer zweistöckigen Basilika sicher im Stadtareal verorten. Der städtebauliche Kontext der übrigen Stücke ist hingegen unbekannt. Da Morton weitestgehend auf zeichnerische Dokumentationen der Bauteile verzichtet hatte, sind die Architekturteile für weiterführende Fragestellungen in der Forschung bislang aber nur bedingt verwertbar.

 

Geleistete Arbeiten

Im Jahr 2017 konnten ca. hundert Bauglieder, die aktuell auf dem antiken Stadtareal und im Bordj el Ghazi Mustapha in Houmt Souk liegen, per Fotografie und Structure from Motion dokumentiert werden. Ferner wurden unter Leitung von Katharina Sahm besonders gut erhaltene Bauteile gezeichnet und durch Vilma Ruppiene ca. fünfzig Materialproben ausgewählter Objekte genommen. Im Unterschied zu den Arbeiten von Morton, der auf eine Freilegung der vom Sand oft großflächig bedeckten Stücke verzichtet hatte, wurden dafür alle Bauteile, von denen Überreste oberirdisch anstanden, bis an ihre Unterkannten freigelegt und gereinigt. Dadurch wurden zum einen einige neue Stücke erkannt, die Morton noch nicht aufgenommen hatte, zum anderen konnten zahlreiche Bauglieder (und eine Skulptur) in ihrer ursprünglichen Funktion überhaupt erstmals präzise angesprochen werden. Außerdem war an vielen Stücken die Ornamentik der im Erdreich gelegenen Bereiche besonders gut erhalten, was eine bessere stilistische Beurteilung der Objekte erlaubt. Am Ende der Kampagne wurden diese freigelegten Bereiche aus konservatorischen Gründen wieder zugeschüttet. Die fünfzig Marmorproben wurden ausgeführt, um in Würzburg die Isotopenanalysen durchführen zu lassen.

Erste Ergebnisse

Das Hauptaugenmerk der ersten Kampagne lag auf dreizehn besonders großformatigen Baugliedern, die von Morton aufgrund ihrer enormen Größe zurecht demselben Gebäude, dem sog. Südtempel, zugewiesen und in das 2. Jh. n. Chr. datiert worden waren. Bei dem mit diesen Bauteilen verbundenen Gebäude handelt es sich um den größten bislang bekannten Bau des antiken Meninx. Mangels der fehlenden Freilegung war es anhand der wenigen und stark verwitterten oberirdischen Oberflächen bislang jedoch nicht möglich gewesen, die Gebälkteile genauer zuzuordnen und eine Rekonstruktion des Baus zu anzubieten. Neben einer Basis und zwei Kapitellfragmenten konnten 2017 vier Architravblöcke, drei Horizontalgeise sowie zwei Stücke des Schräggeisons sicher identifiziert und gezeichnet werden, wobei insbesondere ihr Dekor detailliert erfasst wurde. Insbesondere ein Geisonblock mit Dachschräge wird neben dem über eine gefundene Soffitte nun errechenbaren Interkolumnium eine hypothetische Rekonstruktion der Tempelfassade erlauben. Daneben wurden 2017 bereits zahlreiche Bauglieder der Basilica sowie der mutmaßlichen Forumsportiken dokumentiert.

Die Arbeiten im Magazin der Insel im Bordj el Ghazi Mustapha in Houmt Souk galten hingegen zum einen einer Reihe an hellenistischen Bauteilen, die Sami Ben Tahar im Frühjahr 2017 in Bourgou gefunden hat und deren wissenschaftliche Erschließung gerade im Kontrast zu den aus Meninx bekannten, großteils deutlich späteren Bauteilen von Bedeutung ist. Zum anderen wurden in Houmt Souk fünf lebensgroße Marmorstatuen via SfM dokumentiert, die ursprünglich aus Meninx stammen und einen ersten Eindruck von der Qualität und den genutzten Schemata der städtischen Skulptur geben.

Angestrebte Arbeiten für 2018

Für das Jahr 2018 stehen zunächst die Zeichnung der Überreste der sog. Orientalenpfeiler und die komplette Dokumentation einer aus rotem Stein gehauenen verkröpften Gebälkordnung an. Daneben soll insbesondere der Basilica das Augenmerk gelten. Zwar ist die Rekonstruktion der über fünfzig hier gefundenen Bauglieder weitestgehend unstrittig (s.o.), doch sind der Grundriss des Gebäudes und seine Einbindung in den städtischen Raum bis heute nicht bekannt. Durch eine Reinigung und Dokumentation des wenige cm unter dem heutigen Bodenniveau anstehenden, früher großteils ergrabenen Baus soll diesem Desiderat 2018 Abhilfe geschaffen werden.

Langfristige Ziele

Eines der Hauptziele der Arbeiten besteht darin, die verschiedenen Bauglieder langfristig auch mit baulichen Strukturen im Befund verbinden zu können. Dabei geht es insbesondere um das Forum von Meninx, zu dem die meisten der bekannten Bauglieder gehören. Die geplante Reinigung der Basilica soll daher möglicherweise auch in Richtung Forum bis zur vermuteten Forumsportikus ausgedehnt werden. Gemeinsam mit Schnitt 4 der Meninxgrabung, der 2018 noch in Richtung Forum erweitert werden soll, wären dadurch zwei Platzecken bekannt und vielleicht auch die Verortung der Portiken geklärt.

Kooperationspartner

Die Arbeiten werden in Kooperation mit den Deutsch –Tunesischen Ausgrabungen in Meninx unter Leitung von Sami Ben Tahar und Stefan Ritter (LMU München) sowie mit der Bauforscherin Katharina Sahm (TU Berlin) und der Geologin Vilma Ruppiene (Uni Würzburg) durchgeführt.

Finanzierung

Finanziert werden die Arbeiten durch den in Tübingen ansässigen Sonderforschungsbereich 1070 „RessourcenKulturen“ im Rahmen der Arbeiten des Teilprojektes B04. Mitarbeitende Elisabeth Kammerer, Daniel Richter und Julien Vogel (Tübingen), Katharina Sahm (Berlin) sowie Vilma Ruppiene (Würzburg).

Ansprechpartner für die Projektleitung

Prof. Dr. Johannes Lipps Juniorprofessor
Institut für Klassische Archäologie
Schloss Hohentübingen
Burgsteige 11
72070 Tübingen
Tel.: 07071-29-74368
Fax: 07071-29 5778
E-Mail: johannes.lippsspam prevention@uni-tuebingen.de