Institut für Klassische Archäologie

Antike und Bürgertum – Rezeption von Antike(n) in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts

In der deutschen Literatur des 18. Jhs. sind antike Kunstwerke – vorwiegend die namhaften Skulpturen der stadtrömischen Sammlungen – allgegenwärtig. Sie sind den Autoren zumeist in Stichen und Teilabgüssen bekannt, sie werden zum Gegenstand ausführlicher Beschreibungen, erfreuen sich allgemeiner Hochschätzung oder werden gar zum zeitlosen Ideal der Kunst erklärt. Im Unterschied zu den vorwiegend theoretischen Schriften des 18. Jhs., in denen Antiken Verwendung fanden, um erkenntnistheoretische Positionen oder Thesen zur Entwicklung der Kunst zu untermauern, finden antike Skulpturen in der deutschen Literatur des 19. Jhs. zunehmend eine quasi unreflektierte Verwendung.
Ohne ihre Geschichte zu kennen, das dargestellte Thema oder Handlungsmotiv detailliert zu beschreiben, werden Skulpturen als gelehrte Verweise, zur Erzeugung einer bestimmten Stimmung oder zur Charakteri-sierung des Helden und des Handlungsmilieus eingesetzt. In auffälliger Weise treten in der Erzählliteratur des 19. Jhs. "originale", also bekannte und in Stichen und (Teil-)Abgüssen verbreitete Skulpturen wie der Laokoon, der Apoll vom Belvedere oder der Dornauszieher, neben "fiktive" Antiken, d.h. solche, hinter denen keine überlieferte Skulptur steht, sondern die eigens für den entsprechenden Text entworfen wurden. Diese sind allein aus der Textstruktur heraus zu erklären und zeichnen ein klares und detailreiches Bild von der Antikenwahrnehmung der Zeit. Nur wenige Quellen offenbaren ebenso deutlich, was im 19. Jh. als "antik" galt, was in den Skulpturen gesehen wurde und warum Antiken – in Original und Abguss – eigentlich gesammelt und geschätzt wurden.

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