Neuere Geschichte

Der Shah von Persien als Gast.

Staatsbesuche als Produkte transkultureller Aushandlungsprozesse

Das Projekt nimmt den Shah von Persien im Kontext der Staatsbesuche verschiedener Herrscher in europäischen Hauptstädten zwischen 1873 und 1967 in den Blick. Untersucht werden in dieser Transfergeschichte die wenig veränderten politischen Bewertungen einerseits und die sich rapide wandelnden Zeremonien andererseits. Öffentlich gezeigte Ironie und medialer Spott sollen zeigen, dass die Ehre weniger dem Shah aus einer fremden Welt als vielmehr dem Gastgeber galt. Analysiert werden die Diskurse und Praktiken in Tageszeitungen, Parlamentsdebatten, Unterhaltungsliteratur und Radiosendungen, sowie die Interessen führender Politiker und Unternehmer. Die im Zuge der Staatsbesuche kommunizierten Bilder des Orients zeigten mithin eine Synopse aus Vorwissen, eigener kultureller Prägung, projizierten politischen Sehnsüchten und den angebotenen visuellen Eindrücken. In dem Maße, in dem in unterschiedlichen politischen Systemen und zu unterschiedlichen Zeiten persische Monarchen öffentlich ähnlich bewertet wurden, avancierten diese Staatsbesuche zu Präsentationen distinktiver Gesellschaftsordnungen. Statt die vermeintlich positive Seite des Exotischen, das heißt, den Luxus oder die Natürlichkeit, entspannt zu genießen, galt es, gerade die negative Seite, das heißt, das Irrationale oder das Despotische, zu domestizieren. Nicht die Objekte selbst bestimmten den Kulturtransfer, sondern die den fremden Welten und exotischen Ländern zugeschriebenen Bedeutungen. Durch Abgrenzung erhöhten diese Inszenierungen die Bindekraft in der eigenen Gesellschaft.

Das Projekt verfolgt vor allem drei Fragen: 1. wie die Diplomatie in die kommunikativen Strukturen europäischer und persischen Regierungen und Höfe integriert wurde; 2. wie das durch den Kontakt generierte Wissen die diplomatischen Beziehungen strukturierte; 3. welche spezifischen Anforderungsprofile diese transkulturelle Diplomatie erforderte und wie diese erreicht werden konnten. Die Begegnungen zwischen dem reisenden persischen Herrschern und den europäischen Repräsentanten sollten nicht nur abstrakt als Ergebnis eines Abgrenzungsvorgangs gegenüber dem zunehmend als das „Andere“ begriffenen nahen oder auch weiter entfernten Nachbarn begriffen werden. Vielmehr geht es um einen Vorgang des wechselseitigen Lernens, der Übernahmen und Verflechtungen. Das Ziel ist es daher nicht, wie schon oft geschehen, allein von Europa nach Persien zu blicken.