Dissertationsprojekt
Theorien der Balance in der Literatur der Augusteischen Zeit [Arbeitstitel]
Das Augusteische Zeitalter ist geprägt von einem umfassenden Programm der Erneuerung (renovatio) als unmittelbare Reaktion auf den hundertjährigen Bürgerkrieg der ausgehenden römischen Republik. Die Neuordnungsstrategien zielen darauf ab, nach Jahren der Instabilität in Politik und Gesellschaft eine neue stabile Ordnung zu etablieren. Das Streben nach Balancen, so könnte man sagen, gehört zum Grundtenor der Augusteischen Zeit und hat seinen vielleicht sinnfälligsten Ausdruck im Ausgleich zwischen Einzelherrschaft und Senatsaristokratie im sogenannten ‚Prinzipatsystem‘ gefunden. In den Texten dieser Nachkriegsliteratur ist einerseits ein Reflex der auf institutioneller Ebene angestrebten Neuordnungstendenzen zu erkennen, der sich in einem gemeinsamen ‚Wertekanon‘ und einem gemäßigten sprachlichen Stil der zeitgenössischen Schriftsteller niederschlägt. Andererseits findet in dieser Zeit auch eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den als modellhaft empfundenen Vorbildern der griechisch-hellenistischen Zeit statt. Die mustergültigen Modelle von Angemessenheit und Balance fließen durch die Dynamik des Kulturtransfers auch in die im Augusteischen Kontext idealtypischen Vorstellungen von Dichter, Kunstwerk, Kommunikation und gelingender Lebensführung ein. Die Quantität, vor allem aber die hohe Qualität der in dieser Zeit entstandenen Textzeugnisse, die in einer teilweise normativ geführten (und kritisch zu hinterfragenden) Rezeption als ‚Klassik‘ ihren Reflex findet, bieten den Untersuchungsgegenstand für das hier vorgestellte Dissertationsprojekt zur Balance. Ziel des Projektes ist es, das literarische, historische und soziokulturelle Verständnis der Augusteischen Literatur zu vertiefen und zugleich einen Baustein für ein interdisziplinäres und diachrones Verständnis der Denkfigur der Balance zu erarbeiten.