Prof. Dr. Hanno Ehrlicher

Forschungsprojekte

Aktuelle Forschungsprojekte

Digitalisierung und Analyse von kulturellen Transfers in kolumbianischen Literaturzeitschriften (1892-1950)

Kurzbeschreibung

Das DFG-finanzierte Forschungsprojekt und das mit ihm verbundene Portal Revistas culturales 2.0 widmet sich der Digitalisierung und Erforschung eines umfangreichen Korpus literarischer Zeitschriften, die im ausgehenden 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts publiziert wurden. Während der inhaltliche Fokus des Forschungsprojekts auf den transnationalen und transkontinentalen Transfers liegt, die durch diese Kulturzeitschriften ermöglicht wurden, dient das Webportal als virtuelle Forschungsumgebung für die Forscher*innen, mit dessen Hilfe die relevanten (Meta)Daten erhoben werden können.

Projektinhalte

Das Projekt stellt eine Kooperation zwischen der Universidad de Antioquia (Kolumbien) und der Universität Tübingen dar. Es wird von Prof. Dr. Ana María Agudelo (Koordinatorin der Forschungsgruppe "Colombia: Tradiciones de la Palabra") und Prof. Dr. Hanno Ehrlicher (Literaturwissenschaftler am Romanischen Seminar der Universität Tübingen) geleitet. Insgesamt werden in Kolumbien über 20 Literaturzeitschriften digitalisiert. Die Datenerhebung erfolgt durch beide Teams in der virtuellen Forschungsumgebung, die Analyse und Interpretation der Ergebnisse werden ebenfalls gemeinsam durchgeführt. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Kulturtransfers zwischen Europa und Lateinamerika, insbesondere zwischen Kolumbien und anderen hispanoamerikanischen Ländern zu untersuchen. Literaturzeitschriften gelten als Schnittstellen, die Kontakte zu anderen literarischen Systemen herstellen. Darüber hinaus bilden sie Hauptelemente literarischer Kommunikationsprozesse, und sie dienen als Plattformen für die Verbreitung und Neuinterpretation von Werken, Ideen und Praktiken aus verschiedenen literarischen Systemen. Die Theorie des Kulturtransfers wird verwendet, um das Netzwerk der Verbreitung von Druckerzeugnissen zu analysieren; darüber hinaus wird auf die Ursachen der Transfers, ihre Modalitäten und die durch sie angeregten Aneignungsprozesse sowie auf die Methodik der Datenanalyse fokussiert. Komputationelle Analysen werden zur Identifizierung von 'cultural brokers', zur Untersuchung der Netzwerkarchäologie und für das Studium der wechselnden Positionsnahmen der Transfermediatoren eingesetzt.

Grundlage für diese Analysen bildet die umfangreiche Metadatensammlung, die im Projektverlauf durchgeführt wird und bei der die Objekte strukturiert Beitrag für Beitrag erfasst werden. Ergänzt wird diese Datenserhebung durch eine Datenpublikation [http://dx.doi.org/10.20375/0000-000D-1CFF-6] aus einem bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt, bei dem etwa 40 spanischsprachige Kulturzeitschriften ausgewertet und 31.500 Datensätze angelegt wurden. Werkzeuge der "digital humanities" werden für die statistischen Auswertungen, die Netzwerkvisualisierungen und die Veranschaulichung von Transfers auf Karten verwendet.

Rahmendaten

Das Projekt läuft von Januar 2022 bis Dezember 2024. Auf Tübinger Seite wird das Team aus Prof. Dr. Ehrlicher, dem Projektkoordinator Dr. Jörg Lehmann und der Kolumbianerin Nancy Vargas Castro bestehen, die im Rahmen des Projekts promoviert. Auf kolumbianischer Seite wird neben Prof. Dr. Agudelo auch Danilo Penagos Jaramillo tätig werden, der aktuell einen Masterstudiengang "digital humanities" abschließt und während der Projektlaufzeit mehrere Monate in Tübingen anwesend sein wird. Während die kolumbianischen Partner tiefe Kenntnisse des eigenen Kulturerbes und der Literaturgeschichte in das Projekt einbringt, steuert das deutsche Team seine Erfahrungen im Hinblick auf die technologischen und methodischen Komponenten bei.

 

Calderón de la Barca: TEI-Edition und quantitative Analysen seines Dramenwerks

Ein weiterer aktueller Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl liegt in der Erforschung des umfangreichen Dramenwerks des spanischen Barockautors Calderón de la Barca. Seit 2014 leitet Prof. Ehrlicher hier zusammen mit Prof. Grünnagel (Universität Bochum) die Koordination des internationalen Colloquio anglo-germano sobre Calderón, das zuletzt 2021 in Wien ausgetragen wurde.
Neben der kontinuierlichen Fortführung der Colloquiumsreihe, deren Ergebnisse in der Schriftenreihe Archivium Calderonianum im Reichenberger-Verlag erscheinen, zielen die Forschungsaktivitäten darauf ab, die bisher fast ausschließlich philologische Beschäftigung mit dem Dramenwerk Calderóns um datenbasierte quantitative Forschungsmethoden aus dem Bereich der Digital Humanties zu erweitern. In dieser Hinsicht wurde ein Großteil des dramatischen Werkes Calderóns (201 Stücke, sowohl Comedias als auch Autos Sacramentales) TEI-konform ausgezeichnet und im Rahmen des Drama-Corpora Projekts veröffentlicht. Dieses TEI-Corpus soll in nächster Zukunft mit systematischen computergestützten Analysemethoden ausgewertet werden.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Literarische Modernisierungsprozesse und transnationale Netzwerkbildung im Medium der Kulturzeitschrift: vom "Modernismo" zur Avantgarde
DFG Sachbeihilfe, Laufzeit 04/2017-06/2020

Das Forschungsprojekt widmet sich der Erforschung eines umfangreichen Korpus von Kulturzeitschriften der spanischsprachigen Moderne. Dabei sind zwei Teilprojekte vorgesehen, die sich jeweils dem Schwerpunkt des Modernismo (1890-1914) und der Avantgarde (1920-1936) widmen und einen gemeinsamen zeitlichen Schnittpunkt in der Übergangsphase des sog. posmodernismo (ca. 1910-1920). Beide Teilprojekte sind eng aufeinander abgestimmt und auf folgende Zielsetzungen hin konzipiert:
1. Mit Hilfe einer konsequent kulturvergleichend Untersuchung werden Prozesse der Entstehung der modernen Literatur in ihrer transnationalen Dimension untersucht und die Kulturzeitschrift dabei als ein entscheidendes Medium dieser Modernisierungsdynamik erkennbar. Die Modernisierungsdynamik der spanischsprachigen Literaturen, die in den epochenzentrierten Studien zu Modernismo und Avantgarde notwendig nur partiell in den Blick gerieten, wird in diesem Ansatz auf ihre Kontinuitäten und Brüche hin befragt. Der hohe Grad an transnationaler Vernetzung, den sowohl der kosmopolitische Modernismo als auch die international agierenden Avantgarden aufwiesen, soll damit nach einer Phase nationalphilologischer Ausdifferenzierung der Zeitschriftenforschung wieder neu fokussiert werden.
2. Dabei werden etablierte Methoden zur Erforschung literarischer Felder der Moderne jenseits nationaler Grenzen Theoriemodelle des Kulturtransfers eingesetzt, um sie mit Blick auf die Kulturzeitschriften medienspezifisch zu erweitern. Insbesondere formorientierte Ansätze wie z.B. die Polysystemtheorie Itamar Zohars oder Morettis Konzeptionen eines distant reading werden genutzt, um sie mit Bezug auf die Spezifika des Zeitschriftenmediums in seiner Zwischenstellung zwischen Buch und flüchtigeren Publikationsformen (Zeitung) weiterzuentwickeln.
3. Das Medium der Kulturzeitschrift wird als ein Netzwerk aus Textformen verstanden, das nicht nur Akteure in Relation setzt sondern auch unterschiedliche Gattungen und Texttypen. Zur Erforschung dieses Netzwerkaspektes werden sowohl qualitativ-analytische Parameter eingesetzt, die intensive Lektüre ausgewählter Passagen der Zeitschriften notwendig machen, als auch quantitative Methoden, die auf der Erfassung von (Meta)Daten und deren Visualisierung basieren.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sind in einer umfangreichen Datenpublikation auf dem DARAIAH-Repositorium einsehbar, die mehrere erläuternde Texte, Visualisierungen und Datasheets mit insgesamt über 31.500 Datensätzen. Die englischsprachige ARtikelserie ist außerdem auf der Virtuellen Forschungsumgebung  Revistas Culturales 2.0. publiziert.