Institut für Soziologie

Soziologie der Gender-Kritik. Ethnografie eines ‚Ladyfests‘

Promotionsprojekt, Dipl.-Soz. Michael Hutzler

Die Fallstudie untersucht, wie beim queer-feministischen Festival „Ladyfest“ Kritik an tradierten Formen der Geschlechterunterscheidung praktiziert wird und wie die Unterscheidung unter diesen Vorzeichen selbst gehandhabt wird. Zu diesem Zweck begleitet die Untersuchung die Planung und Durchführung des „Ladyfests“ in einer deutschen Großstadt in teilnehmender Beobachtung.

Unter der Bezeichnung „Ladyfest“ werden weltweit Veranstaltungen organisiert, die das Anliegen verfolgen, „die patriarchal-männliche Dominanz in Musik und Kultur zu brechen, indem ein öffentlicher Raum für queere, transgender und feministische Kultur geschaffen wird“ (Internetauftritt eines deutschen Ladyfests aus dem Jahr 2008). Mit diesem Anliegen geht im untersuchten Fall eine radikale Hinterfragung von Geschlecht als sozialer Ordnungskategorie einher.

Die Studie fragt nach den praktischen Konstruktionsleistungen des Feldes. Dazu findet eine sozialtheoretische Perspektive Verwendung, in welcher sowohl die (tradierte) Unterscheidung in zwei Geschlechter als auch die kritische Auseinandersetzung mit ihr als kontingente Sinnstiftungsprozesse begriffen werden.

Das Augenmerk richtet sich so einerseits auf die Frage, auf welche Weise gesellschaftliche Ordnung im untersuchten Feld problematisiert wird: Wie werden bestimmte Aspekte sozialer Ordnung als Missstände konzipiert und erscheinen so zugleich als Angriffsfläche für das eigene politische Handeln?

Eine weitere Forschungsfrage bezieht sich auf den Umgang mit der basalen Klassifikation ‚Geschlecht‘ selbst: Unter welchen Umständen wird hier legitimerweise zwischen zwei Geschlechtern unterschieden bzw. vom Einsatz dieser Unterscheidung abgesehen?

Schließlich richtet sich das Interesse der Studie auf die eigenen Modalitäten sozial- und kulturwissenschaftlicher Beobachtung. Die Untersuchung trifft im vorliegenden Fall auf ein stark durch ihre eigenen akademischen Diskurse geprägtes Feld. Dieser Umstand soll als Gelegenheit wahrgenommen werden, die eigene disziplinäre Wissenspraxis zu reflektieren: Inwiefern bringen die kulturalistischen Deutungen des Feldes und der wissenschaftlichen Forschung jene sozialen Phänomene, an denen sie sich abarbeiten, mit hervor? Welche blinden Flecken teilen Forschung und Feld dabei womöglich?

Das Promotionsprojekt wird betreut von Prof. Dr. Stefan Hirschauer an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und von Prof. Dr. Boris Nieswand an der Eberhard Karls Universität Tübingen.