Uni-Tübingen

Andrea Hauff

Assoziierte Kollegiatin, Wiss. Mitarbeiterin

Anschrift Büro

Justus-Liebig-Universität Gießen
Kommission zur. Bearb. d. Regesta Imperii

Historisches Institut – Mittelalter
Otto-Behaghel-Str. 10 C
35394 Gießen

E-Mail

andrea.c.hauff(at)geschichte.uni-giessen.de

   

Akademischer Werdegang

10/2000 – 11/2006 Studium von Latein und Geschichte (Staatsexamen)
Eberhard Karls Universität Tübingen
seit 02/2007 Promotionsprojekt „Weibliche Heilige im Mittelalter.
Förderkreise und Netzwerke“
betreut durch Prof. Dr. Ellen Widder

Berufliche Stationen

06/2007 – 01/2008 Wissenschaftliche Hilfskraft
Eberhard Karls Universität Tübingen, Seminar für mittelalterliche Geschichte
10/2008 – 03/2009 Wissenschaftliche Hilfskraft
Eberhard Karls Universität Tübingen, Seminar für mittelalterliche Geschichte
04/2009 – 03/2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Eberhard Karls Universität Tübingen, Seminar für mittelalterliche Geschichte, DFG- Projekt „Prosopo-graphie des gallischen Episkopats, 400-700“
seit 03/2012 Assoziiertes Mitglied im Graduiertenkolleg „Religiöses
Wissen im vormodernen Europa (800-1800)“

Weibliche Heilige im Mittelalter. Förderkreise und Netzwerke

Am Bereich der Kanonisationen zeigt sich exemplarisch die Wechselwirkung zwischen päpstlich geprägten Prozessen und vor Ort bestehenden Strukturen im Spätmittelalter. Insbesondere die Normierung und Kontrolle von Heiligkeit im Allgemeinen sowie von spezifischen im 13. Jahrhundert neu formierten Heiligkeitskonzepten, welche als religiöses Wissen zu fassen sind, müssen dabei vor dem Hintergrund der Institutionalisierung des Heiligsprechungsverfahrens in den Blick genommen werden. Daraus ergibt sich die spannende Frage, ob und wie sich bei weiblichen Heiligen, deren Kanonisation abgeschlossen oder aber auch nur angestoßen wurde, Förderkreise bzw. Fördernetzwerke als soziale Gruppen ausbildeten, wie die Beteiligten untereinander agierten und wie sie nach außen wirkten, um religiöses Wissen zu transferieren und die angestrebte Heiligsprechung zu erreichen.

Für eine solche Analyse bietet sich als Fallbeispiel ein Kreis von untereinander verwandten, im Ruf der Heiligkeit stehenden Frauen des 13. Jahrhunderts aus den Dynastien der Přemysliden, Piasten, Arpaden und Andechs-Meranier als vielversprechender Untersuchungsgegenstand an. Einige dieser Frauen wurden relativ zeitnah nach ihrem Tod heiliggesprochen, während bei anderen erst in der Frühen Neuzeit die Seligsprechung vorgenommen oder erst zu Ende des 20. Jahrhunderts der Kanonisationsprozess abgeschlossen wurde. Die heute im deutschsprachigen Raum bekanntesten unter ihnen sind Elisabeth von Thüringen, deren Tochter Gertrud von Altenberg, Hedwig von Schlesien, deren Schwiegertochter Anna von Schlesien und Agnes von Böhmen, eine Nichte Hedwigs von Schlesien, die wiederum eine Tante Elisabeths von Thüringen war. Aus dem ungarischen Königsgeschlecht der Arpaden werden außerdem die heilige Kinga (Kunigunde), die heilige Margareta von Ungarn und die selige Jolenta (Helena) verehrt, welche als Töchter König Belas IV. Nichten Elisabeths von Thüringen waren. Ferner ist die selige Salomea, eine gebürtige Piastin und Schwägerin Elisabeths von Thüringen, hinzuzuzählen. In einem vergleichbaren Maße lässt sich eine solche Häufung von Heiligsprechungen, insbesondere von Frauen, innerhalb einer Verwandtschaftsgruppe für das Mittelalter nicht konstatieren. Schon deshalb lohnt eine eingehende Untersuchung, die bisher nicht stattgefunden hat.

Bereits zu Lebzeiten bildete sich häufig ein Kreis aus männlichen Förderern, die als Beichtväter, Sekretäre oder Klosterstifter die später heiliggesprochenen Frauen unterstützten. Die Bedeutung dieser sozialen Gruppen für die Kanonisationsprozesse sowie die durch diese Gruppen angestoßenen und getragenen Transferprozesse religiösen Wissens wurden in der Forschung bisher nur unzureichend untersucht. Daher ist unabhängig von familiären und
kirchlichen Beziehungen nach Förderern zu suchen, die aufgrund von lokaler oder anderweitiger Verbundenheit mit der einzelnen Heiligen ihre Beziehungen spielen ließen. In diesem Kontext sind die Handlungsmotive von Bedeutung, da potentielle Förderer mit einer Heiligsprechung durchaus auch eigene Interessen (mit)verfolgen konnten. Die Frage, wie solche Förderkreise und Netzwerke sich als soziale Gruppen etablierten, sich weiter entwickelten und in der Formierung, Kontrolle und Verbreitung religiösen Wissens zusammenwirkten, ist der Gegenstand meiner Dissertation.

Die Vorgehensweise besteht aus einer eingehenden Untersuchung der einzelnen Kanonisationsprozesse mit der Zielsetzung, die Förderer der jeweiligen Heiligsprechung bzw. die Zusammensetzung der Förderkreise zu eruieren. Kanonisationsakten, welche u.a. Suppliken zur Einleitung eines Kanonisationsverfahrens, Zeugenaussagen zu Leben und Wundertätigkeit und in Auftrag gegebene Viten enthalten, dokumentieren den Ablauf eines Heiligsprechungsverfahrens und geben Aufschluss über die vielfältige Aktivität der Förderer, der ich zusätzlich durch die Untersuchung der jeweiligen Kulttradition nachgehe. Anhand des Vergleichs der Verläufe der Kanonisationsprozesse und der Struktur der Förderkreise zeichnen sich erste noch näher zu analysierende Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten bezüglich der Wirksamkeit der Förderkreise ab. Dies wirkt sich auch auf die Frage aus, wie die einzelnen Förderkreise, zum Beispiel über die Höfe, miteinander verbunden waren und wie der Transfer religiösen Wissens zum einen in einem komplexen internen Interaktionsprozess und zum anderen in der Außenwirkung von statten ging.

Abschließend werde ich die gewonnenen Informationen über Förderkreise und Netzwerke der als heilig verehrten Frauen zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Ich erwarte dadurch Aufschluss über die Generierung, den Transfer und Transformation religiösen Wissens, die Funktionsweise von verwandtschaftlichen und anderen Netzwerken und über die bei der Normierung und Kontrolle von Heiligkeit wirksamen Institutionalisierungsprozesse zu erhalten. Im noch vergleichsweise quellenarmen 13. Jahrhundert bilden die Förderkreise um Heilige durch ihre Quellenproduktivität im Rahmen der Kanonisationsbemühungen eine Ausnahme und eignen sich daher vorzüglich, um im Rahmen der historischen Mediävistik neue Erkenntnisse über Netzwerke als Träger von religiösem Wissen zu gewinnen.