Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Aneignung als Widerstand

Dekolonialisierung der digitalen Bildung und Kultur in Argentinien

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Ziel dieses Workshops ist es, Praktiken der Aneignung der Digitalisierung im Globalen Süden zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf Fragen der Bildung und Kultur, wenn sie mit einem von Armut und technologischer Diskriminierung geprägten Umfeld kontrastieren. Aneignung im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Lateinamerika kann als der Prozess definiert werden, durch den ein Objekt (im hier vorliegenden speziellen Fall eine Technologie), das fremd ist oder anderen gehört und zu etwas Eigenem gemacht wird (Delaney, 2010)- Aus diesem Grund hat Aneignung eine wichtige politische Dimension. Darüber hinaus kann der Begriff der Aneignung laut Sandoval (2019) entweder eine instrumentalistische Ausrichtung haben (in Bezug auf die Beherrschung von Werkzeugen/Fähigkeiten) (Morales, 2017, 2018; Subercaseaux, 1988) oder enger mit dem Prozess der Textinterpretation verbunden sein (in Bezug auf die Fähigkeit, die umgebende Welt zu lesen) (Martín-Barbero, 1987, 2003).

In diesem Sinne liegt der Schwerpunkt dieser Initiative auf der Digitalisierung und der Ausbeutung gefährdeter Gruppen im Globalen Süden sowie auf der Frage, inwieweit die Aneignung von Technologie die globale digitale Gerechtigkeit im Bereich der Bildung verbessern kann. Die Förderung der digitalen Bildung und der Einsatz neuer Technologien zu diesem Zweck ist problematisch, weil dabei häufig der Mangel an grundlegenden Ressourcen, einschließlich Lehrer*innen und Schulen, außer Acht gelassen wird. Dieser Workshop vertritt jedoch die Ansicht, dass digitale Bildung und Menschenrechte parallel laufen können und gleichermaßen zeitnah und qualitativ hochwertig behandelt werden können.

Um über dieses Thema nachzudenken, wählen wir Regionen im Globalen Süden aus, um innerhalb ihres geografischen und kulturellen Rahmens zu verstehen, welche Definitionen und Aneignungen von Technologie in der Bildung und im gesellschaftlichen Umfeld bestehen. Im Jahr 2021 fiel die Wahl auf Brasilien. Vertreter*innen aus fünf Bereichen [Regierung, Wissenschaft, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur] wurden zu einem Workshop eingeladen, um ihr Verständnis und ihre Bedenken zum Thema Dekolonisierung der Technologie im Bildungswesen zu äußern. Neben brasilianischen Fachleuten nahmen auch Menschen anderer Nationalitäten an der Diskussion teil - hauptsächlich aus Kolumbien und Kanada.

Der zweite Workshop wird am 7. April 2022 stattfinden und eine argentinische Perspektive der Dekolonisierung von Technologie in kulturellen Praktiken diskutieren (in Anlehnung an die Arbeit von Anibal Quijano (1992) ist es möglich zu begreifen, dass Kolonialität eine Machtstruktur ist, was darauf hindeutet, dass Postkolonialität oder Dekolonisierung auch eine Machtstruktur ist, aber in umgekehrter Reihenfolge, auch bekannt als Emanzipation und Unabhängigkeit). Man kann sagen, dass Kolonialität und Dekolonialität viel mit technologischen oder soziotechnischen Imaginarien zu tun haben. Mit dem Ziel, eine Brücke zwischen einem akademisch-wissenschaftlichen Dialog und der pragmatischen Natur des digitalen Empowerments zu schlagen, werden wir eine zweite Runde von Spezialist*innen aus den fünf oben genannten Bereichen zusammenbringen, von denen wir hoffen, dass sie gemeinsam eine umfassende Lesart des aktuellen Stands der argentinischen Aneignung von Technologie vermitteln werden. Darüber hinaus werden argentinische Fachleute zusammen mit Teilnehmer*innen aus anderen Ländern eingeladen, um die Gruppe der Redner*innen zu bilden.

Als übergreifende Fragen lassen sich die folgenden aufführen:

  1. Was bedeutet es, eine sinnvolle Aneignung digitaler Technologie in Argentinien zu fördern?
  2. Wie wird digitale Technologie von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen/Akteur*innen/Agent*innen in Argentinien genutzt und (kulturell) angeeignet? Was bedeutet digitale Technologie außerdem für die Bewohner*innen der Region? Was sind die spezifischen politischen/gesellschaftlichen/historischen Umstände, die die Entwicklung, Nutzung und Aneignung von Technologie in der Region prägen?
  3. Wie sehen die Modalitäten der Entwicklung und Verbreitung von Technologie in Argentinien aus? Wer entwickelt Technologie für wen? Wie sind die Machtverhältnisse zwischen den verschiedenen Akteur*innen, die an der Entwicklung und Verbreitung der Technologie beteiligt sind?
  4. Welche pädagogischen Hilfsmittel und digitalen Instrumente stehen in argentinischen Schulen und Universitäten zur Verfügung und wie beeinflussen sie die Art und Weise, wie Schüler*innen lernen (nicht nur über die Themen, sondern auch im Sinne der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihrer Einstellung zur Welt)?

Aufgrund der aktuellen Pandemie wird der Workshop in einem hybriden Format stattfinden: Am Vormittag planen wir einen "Warm Up Talk" am IZEW, in der Universität Tübingen für diejenigen, die in Anwesenheit teilnehmen können. Am Nachmittag wird eine Online-Sitzung stattfinden, zu denen diejenigen, die nicht persönlich anwesend sein können dazu kommen werden.