Ende März 2025 besuchte eine interdisziplinäre Delegation verschiedener Fachbereiche der Universität Tübingen die University of North Carolina at Chapel Hill (UNC-Chapel Hill), um im Rahmen der Konferenz „Towards a Transatlantic Roadmap for AI Regulation“ an aktuellen und wichtigen Fragen der Überschneidung von Künstlicher Intelligenz und Regulierung zu arbeiten.
Die Konferenz wurde von Prof. Tori Ekstrand und Prof. Amanda Reid der University of North Carolina sowie von Jana Hecktor und Lisa Koeritz des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen mit Mitteln des joint seed for research and emerging technologies organisiert.
Die Delegation der Universität Tübingen bestand aus Jessica Heesen und Andreas Baur vom IZEW sowie Prof. Tanja Thomas vom Institut für Medienwissenschaft, Prof. Bernd Heinrich sowie Tommaso Fia von der Juristischen Fakultät und dem Gastwissenschaftler Hüseyin Ates von der Social Sciences University of Ankara.
Von Beginn an wurde nicht nur darüber diskutiert, wie diese beiden weit gefassten Begriffe (KI und Regulierung) zu definieren und zu konkretisieren sind, sondern auch, welche positiven und negativen Auswirkungen beide Phänomene haben (können): Kann KI eingesetzt werden, um die Gesellschaft zu verbessern? Und was ändert sich, wenn es strenge Regulierungen gibt? Helfen diese, die richtigen Weichen zu stellen, oder behindern wir auf diese Weise produktive Prozesse und verringern den Nutzen, den KI mit sich bringen kann? Wichtig war auch darüber zu sprechen, welche Unterschiede es zwischen den USA und der Europäischen Union in Bezug auf die Anwendung aber auch die Regulierung von KI gibt.
Dies sind nur einige der Fragen, über die die heterogene Gruppe von Forschenden aus Bereichen wie Medienwissenschaft, Gender Studies, Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Informatik gemeinsam diskutiert hat.
Pre-Event
Wir begannen die Konferenz mit einer interessanten Diskussion mit Studierenden des Masterseminars "Digital Media & Society: AI Law and Data Privacy" von Prof. Tori Ekstrand aus dem „Transatlantic Masters“ Programm der UNC. Diese begegneten der Expertise der Forschenden mit neugierigen, engagierten und frischen Perspektiven und Rückfragen. Im Laufe der Seminarsitzung wurde darüber gesprochen, wie wir sicherstellen können, dass KI der Gesellschaft nützt, welche Rolle Daten im aktuellen Diskurs um KI spielen und wie wichtig der Schutz von Privatsphäre ist und sein kann, für jeden von uns, aber insbesondere auch für vulnerable Gruppen.
Einige der Diskussionen wurden in der daran anschließenden informellen Abendveranstaltung fortgesetzt. Der als Pre-Event angedachte Abend in der Eventlocation „Top of the Hill“, war offen für all jene, die an der Veranstaltung beteiligt waren und ermöglichte uns nicht nur, bereits einige allgemeine Verbindungen und Themen in den jeweiligen Forschungsinteressen zu identifizieren, die auch in den nächsten zwei Tagen eine entscheidende Rolle spielen würden, sondern auch, uns persönlich besser kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.
Konferenztag 1
Der Donnerstag startete mit weiteren Diskussionen zu den gemeinsamen Interessen, Perspektiven und Herausforderungen in Bezug auf das Gesamtthema KI und Regulierung. Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Teilnehmergruppe wurden die Forschenden in vorsortierten Gruppen zusammengebracht deren Interessen von „Justiz und Gesellschaft“ über „Vulnerable Gruppen und Diskriminierung“ bis hin zu „Infrastrukturen und Politik“ und ‚Medienregulierung‘ reichten. Auf diese Weise konnten die Teilnehmenden ihre persönlichen Interessen an dem Thema austauschen und konkrete Inhalte diskutieren, angeleitet von zuvor als Orientierung festgehaltenen Fragen wie "Warum sind Regulierungen für das jeweils spezifische Forschungsgebiet von Relevanz? Was verändert sich durch den zunehmenden Einsatz von KI?” sowie “Welche Bereiche des KI-Diskurses sollten stärker reguliert werden? Und wie könnte ein entsprechendes Framework hierfür aussehen?"
Mit Hilfe der Studierenden des Masterseminars haben wir nicht nur die einzelnen Diskussionen für eine spätere Verwendung dokumentiert, sondern auch Mindmaps mit den wichtigsten Aspekten, die in den verschiedenen Gruppen diskutiert wurden, erstellt, die wir anschließend im Rahmen einer gemeinsamen Gruppendiskussion als Startpunkt für den Austausch genutzt haben.
Keynote von Reggie Townsend
Der Tag endete mit einer spannenden und aufschlussreichen Keynote von Reggie Townsend, Vice President of Data Ethics bei SAS, unter dem Titel „Responsible innovation begins with responsible innovators“, in dem er seine Sichtweise zum Thema „Responsible AI“ darlegte. Er argumentierte, warum wir KI unbedingt zum Guten nutzen und uns dabei zugleich stets der möglichen Fallstricke bewusst sein sollten, und sprach sich insbesondere für die Selbstregulierung von Unternehmen in diesem Bereich aus. Anstatt sich auf Regulierungen zu verlassen - die seiner Meinung nach oft in Überregulierung münden oder sich zu weit von der Realität der Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen entfernen - sollten wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die sich selbst für die Entwicklung verantwortungsvoller KI-Systeme verantwortlich machen.
Reggie Townsend definierte Verantwortung in seinem Vortrag als das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verpflichtung. Er nutzte diese Definition, um vor allem über „Response-ability“ zu sprechen. Damit verwies er auf die Tatsache, dass es unvermeidlich ist, dass technische Systeme - auch sogenannte KI-Systeme - versagen können. Anstatt die Anstrengung allein darauf zu richten, das Unvermeidliche vermeiden zu wollen, sollten wir stattdessen darüber nachdenken, auf welche Weise wir auf die ohnehin entstehenden Probleme und Herausforderungen idealerweise reagieren können. Es sei also wichtig, vorbereitet zu sein. Solch eine Perspektive sollte, so Reggie Townsend, elementarer Bestandteil unseres verantwortungsvollen Umgangs mit KI sein und die Bedeutung der KI-Governance in Forschung und Industrie unterstreichen.
Auf die Keynote folgte eine Fragerunde mit Gastgeberin Prof. Tori Ekstrand und den Zuhörenden, dessen Diskussionen auch noch während des anschließenden Empfangs fortgesetzt wurden.
Konferenztag 2
Der zweite Konferenztag begann mit einer Podiumsdiskussion, bei der Prof. Jessica Heesen (IZEW), Prof. Daniel Kreiss (UNC), Jaylexia Clark (UNC) sowie Tommaso Fia (Tübingen) unter dem Titel "Bridging the Atlantic: AI Accountability During Democratic Decline" gemeinsam ins Gespräch kamen. Shannon McGregor, Associate Professor und Principal Investigator am Center for Information, Technology and Public Life (CITAP) der UNC, moderierte das Panel. Die Gruppe griff einige der zuvor aufgeworfenen Themen und Fragen auf, konzentrierte sich aber auch auf die einzigartigen Perspektiven, die die einzelnen Teilnehmenden in die Diskussion mit einbringen konnten.
Der Abschluss einer Veranstaltung ist immer eine Herausforderung. Unser Ziel war es, nicht nur eine abschließende Diskussion zu führen, sondern auch den Grundstein für die folgende gemeinsame Arbeit zu legen. Aus diesem Grund haben wir nicht nur die während der Konferenz diskutierten Fragen, Problemen und unterschiedliche Herangehensweisen sowie Perspektiven zusammengeführt, sondern auch diskutiert, wie man aus diesen ein produktives und über die Diskussionen während der Konferenz hinausgehendes Ergebnis generieren kann. Die Gruppe plant, die in Chapel Hill begonnene Arbeit in den kommenden Monaten auf der Grundlage der in diesen zwei Tagen gewonnenen Verständnisses und Diskussionen fortzusetzen und in eine Form der Veröffentlichung zu überführen.
Wir freuen uns schon jetzt auf all die Inhalte, die dabei herauskommen werden!
DANKE!
Wir möchten uns bei allen Beteiligten bedanken. Angefangen bei Tori Ekstrand, Amanda Reid und Martha Carey, die die Konferenz hervorragend mitorganisiert haben. Sie sorgten nicht nur dafür, dass wir uns willkommen fühlten, sondern halfen auch, dass die Konferenz reibungslos verlief. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass interessante Diskussionen angeregt wurden und wir mit einem konkreten Plan für weitere Zusammenarbeit aus der Konferenz herausgehen konnten. Vielen Dank euch Dreien!
Danke auch an alle Teilnehmenden der UNC und der Universität Tübingen, die dazu beigetragen haben, den gemeinsamen Forschungshorizont zu erweitern, die Diskussionen zu bereichern und so viele Networking-Momente zwischen den beiden Universitäten sowie über die heterogenen Disziplinen hinweg zu ermöglichen, die sicherlich ebenfalls für zukünftige Arbeiten von entscheidender Bedeutung sein werden.
Oder kurz gesagt: Danke an alle, die dazu beigetragen haben, dass diese Veranstaltung so angenehm und gleichzeitig so produktiv war!
Abschließend möchten wir auch dem UNC Global Affairs Office besonders danken! Dafür, dass sie uns geholfen haben, als wir Unterstützung brauchten, dass sie uns so herzlich und freundlich empfangen haben und auch dafür, dass sie ihr Gebäude nicht nur für den Keynote Vortrag, sondern auch für den anschließenden Empfang zur Verfügung gestellt haben! Vielen Dank, Melissa McMurray, Krista Northup, Walter Walker Stephenson und allen anderen, die an der Planung beteiligt waren. Danke auch an Katie Lindner vom UNC Center for European Studies.
Ein besonderer Dank geht an Barbara Stephenson, Vice Provost for Global Affairs und Chief Global Officer an der UNC-Chapel Hill, für ihre Begeisterung und Engagement, die strategische Partnerschaft zwischen der Universität Tübingen und der UNC-Chapel Hill stetig voranzutreiben, aber auch für den so herzlichen Empfang der Delegation und für die Begrüßungsworte bei unserem Hauptvortrag sowie bei unserer Podiumsdiskussion! Wir wissen die Bemühungen und das Engagement des Global Office für diese Konferenz sowie die Kooperation zwischen den beiden Universitäten im Allgemeinen sehr zu schätzen!