Internationalisierung im Profifußball: Studie zum US-Markt
17.01.2017 - Seit der Nominierung der Vereinigten Staaten als Gastgeberland der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 1994 ist das Interesse am Fußball im Land stark gestiegen. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich der US-amerikanische Fußballmarkt, indem mittlerweile jährlich tausende Stunden an Fußball-Live-Übertragungen ausgestrahlt werden, sehr dynamisch entwickelt. Heutzutage liegen die durchschnittlichen TV-Einschaltquoten zwar immer noch deutlich hinter denen der Major Leagues im Football (National Football League, NFL), Basketball (National Basketball Association, NBA) und Baseball (Major League Baseball, MLB). Die Premier League hat diesbezüglich aber die vierte ‚große Liga‘ bereits eingeholt – so liegen die durchschnittlichen TV-Einschaltquoten bei Premier League-Spielen häufig über denen von National Hockey League (NHL)-Spielen in der regulären Saison.
Trotz dieser Entwicklung gibt es kaum Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die Nachfrage der US-Bürger nach Fußballspielen im Fernsehen beeinflussen. In einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt haben Georgios Nalbantis und Prof. Dr. Tim Pawlowski (beide Universität Tübingen) dieses Thema zum ersten Mal bearbeitet. Unter Verwendung eines innovativen Forschungsdesigns, welches auf einer wiederholten Befragung der US-Bevölkerung basiert, analysieren die Autoren erstmals das Interesse an der Major League Soccer (MLS) und die Nachfrage nach den beliebtesten und vermarktungsstärksten Fußballwettbewerben weltweit – darunter die englische Premier League, die spanische La Liga, die italienische Serie A, die deutsche Bundesliga, die französische Ligue 1 und die UEFA Champions League.
Für die umfangreiche Datenerhebung wurde eine repräsentative Stichprobe mit mehr als 6500 Bürgern aus allen US-Bundesstaaten gezogen. Eine Ausschluss-Frage zu Beginn ermöglichte die gezielte Befragung von den Bürgern, die mindestens ein Grundinteresse am Fußball zeigen. Das waren in den zwei Erhebungswellen fast 50 Prozent und damit deutlich mehr als für den von den drei großen Sportarten dominierten US-Markt zu erwarten war.
Die Teilnehmer wurden unter anderem nach ihren bevorzugten Fußball-Wettbewerben gefragt: Unter den sieben Wettbewerben entfiel das größte Interesse auf die englische Premier League, gefolgt von der UEFA Champions League, der amerikanischen MLS und der spanischen La Liga. Die deutsche Bundesliga lag dabei mit Platz fünf vor der italienische Serie A und der französische Ligue 1. Dieses subjektive Ranking anhand der Befragungsergebnisse spiegelt sich auch in den aktuellen relativen Unterschieden bei den tatsächlichen Einschaltquoten wieder.
Die höchste Konzentration an Sympathisanten/innen von europäischen Clubs ist in den Bundesstaaten Kalifornien und New York zu finden. Rund 3,5% der fußballinteressierten US-Bevölkerung gibt als Lieblingsverein den FC Bayern München an. Damit liegt der Verein in den Top 10 der beliebtesten europäischen und nordamerikanischen Fußball-Clubs in den USA, angeführt wird die Liste von Englands Club Manchester United gefolgt von Spaniens Club FC Barcelona.
Im Fokus der Studie stand die Analyse von Faktoren, die die Nachfrage nach Fußballübertragungen beeinflussen. Dabei zeigte sich, dass Fußballfans aus einer MLS-Stadt im Schnitt auch mehr Interesse an internationalen Fußballspielen haben und, dass Live-Übertragungen im Fernsehen vor allem von der jüngeren Generation verfolgt werden. Es zeigte sich zudem, dass unter den Fußballfans überproportional die spanisch sprechende Bevölkerung vertreten ist. Dies könnte erklären, warum in der Saison 2015/2016 die Spiele von Bayer Leverkusen mit dem mexikanischen Star Javier Herández Balcázar (aka Chicharito) sehr beliebt waren. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die wahrgenommene Ausgeglichenheit innerhalb einer Liga und die wahrgenommene Wettbewerbsintensität im Meisterschaftsrennen für Fußballinteressierte in den USA besonders wichtig ist. Die jüngsten ‚Fußballwunder‘ in der MLS oder der Premier League, in denen Clubs wie Portland Timbers (MLS) und Leicester FC (Premier League) entgegen aller Prognosen Meister wurden, sollten sich entsprechend positiv auf das generelle Interesse an diesen Wettbewerben auswirken.
Die Studie entstand durch eine Förderung des João Havelange Research Scholarships, mit dem die FIFA unabhängige Forschungsprojekte zum Fußballsport unterstützt, und wird nun als Buch veröffentlicht.
Nalbantis, G. & Pawlowski, T. (2016). The Demand for International Football Telecasts in the United States (Palgrave Pivots in Sports Economics Issue 1, edited by W. Andreff & A. Zimbalist). Houndmills (UK): Palgrave.