Religionspädagogik

"Für die Toten und die Lebenden müssen wir Zeugnis ablegen.“ – Elie Wiesel und das United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C.

"Für die Toten und die Lebenden müssen wir Zeugnis ablegen. Denn wir sind nicht nur für die Erinnerungen der Toten verantwortlich, sondern auch für das, was wir mit diesen Erinnerungen tun."
Mit diesen Worten mahnt der Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel und appelliert an die Verantwortung jedes Einzelnen von uns, sich an die Opfer der Shoah zu erinnern und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen, damit die Worte „nie wieder“ Realität werden.
Mit diesem Zitat könnte man auch sein Werk und Wirken Zeit seines Lebens und auch, durch seine Bücher, darüber hinaus treffend beschreiben. Elie Wiesel gab denjenigen eine Stimme, die ihrer längst beraubt worden waren, trat unermüdlich gegen Gewalt, Rassismus und Menschenfeindlichkeit aller Art ein, und prägte die Erinnerungskultur an die Shoah maßgeblich.
"Für die Toten und die Lebenden müssen wir Zeugnis ablegen.“
Anlässlich der Einweihungszeremonie des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington D.C. hält Elie Wiesel im April 1993 die Eröffnungsrede.
Als nationale Gedenkstätte für die Opfer der Shoah wurde das USHMM im Auftrag des damaligen Präsidenten Jimmy Carter konzipiert und errichtet. Elie Wiesel war Mitbegründer dieses Museums, und von 1979-1986 Vorsitzender des US Holocaust Memorial Councils, das die Leitung und Verwaltung des Museums innehat. Seit 2011 verleiht das Museum einen nach Elie Wiesel benannten Preis, den Elie Wiesel Award, an Personen, die sich für die Würde jedes Einzelnen einsetzen und Hass und Ungerechtigkeiten entgegentreten.
Das USHMM versucht auf folgende Fragen - Wie funktioniert Erinnerung an ein Ereignis, ein Verbrechen, das auf einem anderen Kontinent stattgefunden hat? Wie gelingt es, Menschen für eine Thematik zu sensibilisieren, die persönlich für die meisten auf den ersten Blick keine Bedeutung hat? -mögliche Antworten zu finden. Als thematisches Bildungsangebot ist das Museum zu verstehen, das die europäische und deutsche Vergangenheit der Jahre 1933 – 1945 im Sinne der Multiperspektivität den Besucher:innen nahebringen und ein Ort des Gedenkens sein will.

Kernstück des USHMM ist die Dauerausstellung, die in drei Stockwerke gegliedert ist: Im ersten Stockwerk wird sich mit den thematischen Schwerpunkten der Machtübertragung Hitlers 1933, der graduellen Ausgrenzung von Juden und anderen Opfergruppen und der Zeit bis zum Beginn des 2. Weltkrieges beschäftigt. Das nächste Stockwerk widmet sich der Ghettoisierung und Vernichtung der Opfer, während der letzte Stock die Retter:innen und Personen im Widerstand in den Blick nimmt.
Um Besucher:innen des Museums zu erreichen und ihnen zu vermitteln, dass die Erinnerung an die Shoah und die Opfer wachgehalten werden muss, wird im USHMM ein emotionalisierender Zugang zu den Themen und Inhalten gewählt. Dabei wird beispielsweise mit großen Wandfotos von Massakern, Videomaterial mit erschreckenden Aufnahmen direkt nach der Befreiung der Konzentrationslager oder auch detailgetreuen Nachbauten aus der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sowie exemplarischen Exponaten gearbeitet.
In den Ausstellungstexten wird sichtbar, dass jeder Einzelne für seine Entscheidungen und sein Handeln Verantwortung übernehmen muss.
Die am Zeitgeschehen beteiligten Personen werden in verschiedene Gruppierungen unterteilt: Es wird von Täter:innen, Opfern, Retter:innen, Menschen im Widerstand, aber vor allem auch von Mitläufer:innen oder Opportunist:innen gesprochen. So kann man sich als Besucher*in fragen, welche Verantwortung das Individuum und auch die Gesellschaft zu dieser Zeit hatte.

Der Ausstellungsgang mündet schließlich in der sogenannten „Hall of Remembrance“. In der Mitte dieser Halle steht eine Kerze, die als „eternal flame“ das nie vergehende Gedenken der Opfer symbolisieren soll. Dieser Ort lädt zur Selbstreflexion und zum Nachdenken darüber ein, was man in der zurückliegenden Dauerausstellung gelernt und erfahren hat. An den Wänden sind sämtliche Namen der Konzentrations- und Vernichtungslager zu sehen. Teelichter stehen zum Anzünden bereit.
Dem Erinnern an die Opfer der Shoah soll die Verpflichtung, sich für eine gerechtere und bessere Welt einzusetzen, folgen.
Der thematische Schwerpunkt der Dauerausstellung „die Verantwortung des Einzelnen in der Gesellschaft“ wird in wechselnden Sonderausstellungen, die Bezüge zu heutigen Menschenrechtsverletzungen ziehen; ganz im Sinne des Eingangszitats dieses Artikels, fortgeführt; denn "für die Toten und die Lebenden müssen wir Zeugnis ablegen“.

"Wir sind nicht nur für die Erinnerungen der Toten verantwortlich, sondern auch für das, was wir mit diesen Erinnerungen tun."
Dies hat sich die Forschungsstelle Elie Wiesel (angesiedelt an der Universität Tübingen, der Universität Potsdam und auch international vernetzt) zur Aufgabe gemacht, sein Werk zum ersten Mal wissenschaftlich kommentiert auf Deutsch herauszugeben, und somit seine Botschaft einem breiteren Publikum bekannt zu machen und sie für nächste Generationen zu sichern.
Darüber hinaus werden beispielsweise didaktische Materialien auf der Grundlage seiner Texte zur Antisemitismusbekämpfung herausgegeben.
Man darf hoffen, dass die Arbeit der Forschungsstelle zukünftig dazu beiträgt, dass die Erinnerungskultur wachgehalten und einen größeren Raum in der Gesellschaft einnehmen wird.