Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2021: Forschung

Kopfrechnen aktiviert das Gehirn

Margarete von Wrangell-Stipendiatin Christina Artemenko will verstehen, warum manche Menschen mehr Probleme in Mathe haben als andere

Mathematik. Ein Thema, das die Menschen stark spaltet. Schon in der Schule mögen manche Kinder das Fach überhaupt nicht. Dr. Christina Artemenko vom Fachbereich Psychologie der Universität Tübingen untersucht, was Mathematik schwierig macht. "Ich fand Mathe schon immer interessant", sagt sie. "Eigentlich wollte ich Psychologie und Mathematik studieren, aber diese Kombination war schwer zu finden." Stattdessen studierte Artemenko Kognitionswissenschaften, eine Kombination aus Psychologie, Philosophie und Neurowissenschaften. Die Mathematik spielte jedoch weiterhin eine große Rolle in ihrer wissenschaftlichen Karriere.

In ihrer Doktorarbeit in Tübingen untersuchte sie, wie Menschen rechnen und was dabei im Gehirn passiert. Diese Kombination aus Verhaltens- und Hirnforschung sei wichtig, meint Artemenko. "Wenn man das Verhalten nicht berücksichtigt, kann man nicht verstehen, was die gemessene Gehirnaktivität bedeutet”.

Lebenslanges Lernen

Eine der Studien während ihrer Doktorarbeit brachte Christian Artemenko auf eine Idee. "Wir sahen, dass die Gehirnaktivität bei Kindern, die Mathematik lernen, anders ist als bei Erwachsenen. In den verschiedenen Altersgruppen sind unterschiedliche Gehirnbereiche aktiv." Das wollte sie besser verstehen, weshalb Artemenko künftig auch mit älteren Menschen forschen wird. "Es scheint, als würden die mathematischen Fähigkeiten beim Altern nicht unbedingt schlechter werden. Doch welche Mechanismen im Gehirn hierfür verantwortlich sind, hat noch niemand untersucht. Das ist ein neues Forschungsgebiet, das ich erschließen möchte."

Artemenko plant Verhaltens- und Hirnstudien über die gesamte Lebensspanne von der Kindheit bis ins hohe Alter. Aufgrund der Covid-19-Pandemie hat sie jedoch zunächst mit einem Online-Experiment begonnen. Dabei untersuchte Artemenko unter anderem, wie schwer das Rechnen mit Übertrag ist, also mit Summen und Differenzen, die über einen Zehner hinausgehen, wie beispielsweise 27 + 49 oder 34 - 18. "In meiner Doktorarbeit habe ich gezeigt, dass Jugendliche und junge Erwachsene für solche Rechenaufgaben mehr Zeit brauchen. Jetzt sehen wir, dass dies auch bei Kindern und älteren Erwachsenen der Fall ist. Wir wollen untersuchen, ob es Unterschiede zwischen den Gruppen gibt, aber dafür benötigen wir noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer." Eine Studie zur Funktionsweise des Gehirns ist der nächste Schritt, um herauszufinden, warum sich die Menschen beim Rechnen unterscheiden. 

Margrethe von Wrangell-Fellowship

Für diese Forschung erhielt Artemenko kürzlich das Margarethe-von-Wrangel-Fellowship. Mit diesem Habilitationsprogramm fördert das baden-württembergische Wissenschaftsministerium die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft.

"Nach der Promotion ist man in der Forschung in einer unsicheren Position, weil man oft befristete Verträge bekommt. Eine für fünf Jahre finanzierte Stelle gibt mir jetzt die Möglichkeit, mich als Forscherin zu profilieren. Ich kann meine eigene Forschungsgruppe gründen und Anträge zur Finanzierung meiner Forschungsprojekte stellen."

Annemarie Post